Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
§§ 96–98 AktG.[32] In § 25 SEAG wird die Einleitung des Statusverfahrens nahezu wortgleich zu § 97 AktG geregelt, wobei durch den Hinweis auf die Beachtung vertraglicher Vorschriften klargestellt wird, dass auch das Verhandlungsergebnis zwingend umzusetzen ist.
2.2.1 Bestellung
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Die Bestellung der Verwaltungsratsmitglieder erfolgt gem. Art. 43 Abs. 3 S. 1 SE-VO durch die Hauptversammlung, wobei die Mitglieder des ersten Verwaltungsrats durch die Satzung bestellt werden können (Art. 43 Abs. 3 S. 2 SE-VO). In der Praxis wird die Bestellung in der Gründungsurkunde erfolgen.[33] Eigenständige Regeln zur Bestellung sind im SEAG daher nicht notwendig.[34] Die Amtszeit beträgt gem. Art. 46 Abs. 1 S. 1 SE-VO höchstens sechs Jahre.[35] Dabei ist es wie beim Vorstand und Aufsichtsrat auch beim Verwaltungsrat zulässig, wenn die Satzung nur eine Höchstdauer, die sechs Jahre nicht übersteigt, vorgibt und die Hauptversammlung die individuelle Amtszeit bei der Bestellung festlegt.[36]
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Für die Entsendung der Verwaltungsratsmitglieder gilt gem. § 28 Abs. 2 SEAG § 101 Abs. 2 AktG entsprechend.[37] Anders als beim Vorstand können Stellvertreter für Verwaltungsratsmitglieder nicht bestellt werden (§ 28 Abs. 3 S. 1 SEAG). Ersatzmitglieder können aber bestellt werden. Für sie gilt eine inhaltsgleiche Regelung wie für die Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats (§ 28 Abs. 3 S. 2 SEAG, § 101 Abs. 3 AktG).[38] Auch Verwaltungsratsmitglieder können durch das Gericht bestellt werden (§ 30 SEAG). Die Vorschrift entspricht inhaltlich weitgehend den Regelungen bei der Bestellung des Aufsichtsrats durch das Gericht (§ 104 AktG). Antragsberechtigt ist zusätzlich der SE-Betriebsrat.[39]
2.2.2 Abberufung
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Mitglieder des Verwaltungsrats können von der Hauptversammlung mit einer Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen jederzeit abberufen werden (§ 29 Abs. 1 SEAG). Entsandte Mitglieder können vom Entsendungsberechtigten jederzeit abberufen werden (§ 29 Abs. 2 SEAG). Daneben besteht die Möglichkeit der gerichtlichen Abberufung (§ 29 Abs. 3 SEAG). § 29 SEAG entspricht weitgehend § 103 AktG.[40]
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Wie das AktG enthält das SEAG zu sonstigen Beendigungsgründen (Niederlegung, Tod, Wegfall der persönlichen Voraussetzungen) keine Regelungen. Es gelten daher dieselben Grundsätze wie im dualistischen System.[41]
2.3 Anstellungsverhältnis
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Für die Vorstände im dualistischen System gilt die Trennung zwischen dem korporationsrechtlichen Organverhältnis und dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis.[42] Beim Aufsichtsrat im dualistischen System besteht dagegen nach zutreffender herrschender Meinung kein Anstellungsverhältnis, sondern ein einheitliches Rechtsverhältnis mit korporations- und schuldrechtlichem Inhalt. Der Vergütungsanspruch des Aufsichtsratsmitglieds ergibt sich aus § 113 AktG i.V.m. einem entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss.[43]
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Entsprechend seinem Bemühen, das monistische System dem dualistischen deutschen Aktienrecht anzugleichen, ordnet das SEAG für die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Verwaltungsrats die entsprechende Anwendung der §§ 113–115 AktG an (§ 38 SEAG). Für die geschäftsführenden Direktoren wird in § 40 Abs. 5 S. 2 SEAG klargestellt, dass die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag bei einer Abberufung erhalten bleiben. Daraus folgt, dass einen Anstellungsvertrag mit der SE nur die geschäftsführenden Direktoren haben, während die Verwaltungsratsmitglieder wie der Aufsichtsrat im dualistischen System lediglich in einem Organverhältnis, für das eine von der Hauptversammlung festgesetzte Vergütung gezahlt werden kann, stehen.[44] Für die Höhe der Vergütung der geschäftsführenden Direktoren verweist § 40 Abs. 7 SEAG auf die §§ 87–89 AktG, so dass die neuen Kriterien im Rahmen des § 87 AktG hinsichtlich der Vergütung auch in der monistisch verfassten SE Anwendung finden.[45] Der Gesetzgeber ist somit auch der Empfehlung in der Literatur[46] nachgekommen die bestehenden Vergütungsregelungen im Licht moderner Corporate Governance durch das VorstAG anzupassen.[47]
2.4.1 Vorsitzender und Stellvertreter
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Das Verwaltungsorgan hat aus seiner Mitte einen Vorsitzenden zu wählen (Art. 45 S. 1 SE-VO). § 34 SEAG bestimmt dazu ergänzend, dass neben dem Vorsitzenden nach näheren Bestimmungen der Satzung auch mindestens ein Stellvertreter zu wählen ist. Die Vorschrift lehnt sich insofern an § 107 Abs. 1 AktG, d.h. die Regelung zur inneren Ordnung des Aufsichtsrats, an. Ebenso wie der Stellvertreter des Vorsitzenden des Aufsichtsorgans muss bei einer paritätisch mitbestimmten SE der Stellvertreter des Vorsitzenden des Verwaltungsorgans ein von den Aktionären der Hauptversammlung bestelltes Mitglied sein.[48] In § 34 Abs. 2 SEAG ist vorgesehen, dass der Verwaltungsrat sich eine Geschäftsordnung geben kann. Diese Regelung ist in enger Anlehnung an § 77 Abs. 2 AktG konzipiert.
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Generell ist festzustellen, dass sich die Vorschriften über die innere Ordnung, die Einberufung und auch die Beschlussfassung des Verwaltungsorgans an die entsprechenden Regeln des AktG für den Aufsichtsrat, teilweise auch für den Vorstand anlehnen. Teilweise wird dies als Überregulierung angesehen und für eine kürzere und flexiblere Abfassung des SEAG plädiert.[49] Angesichts der weitgehenden Normierung der Unternehmensleitung im dualistischen Modell scheint es aus Gründen der Rechtssicherheit allerdings vernünftig, die entsprechende Anwendung für das monistische Modell jeweils im SEAG durch einen Verweis oder durch weitgehend inhaltsgleiche Übernahme der Vorschriften zu regeln. Anderenfalls bestünde die unnötige Rechtsunsicherheit, wann welche Normen des dualistischen Modells zur Schließung von Lücken im monistischen Modell herangezogen werden können und müssen.[50]
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Die Kompetenzen des Verwaltungsratsvorsitzenden werden in der SE-VO nicht geregelt. Art. 50 Abs. 2 SE-VO räumt den Vorsitzenden aller Organe und damit auch dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats einen Stichentscheid bei Abstimmungen ein. Hiervon kann durch die Satzung abgewichen werden. Bei der mitbestimmten SE kann dieser Stichentscheid jedoch nicht abbedungen werden. Hieran zeigt sich, dass dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats eine relativ starke Stellung eingeräumt werden soll. Bei ausländischen Board-Systemen ist häufig der Vorsitzende des Verwaltungsrats gleichzeitig Vorsitzender der geschäftsführenden Direktoren oder Generaldirektor des Exekutivausschusses. Dies ist z.B. in Frankreich beim PDG (President-Directeur-General) der Fall.[51] Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens ist ein neuer § 35 Abs. 3 SEAG in das Gesetz eingefügt worden, wonach in den Fällen, in denen ein geschäftsführender Direktor zugleich Mitglied des Verwaltungsrats ist, und dieser aus rechtlichen Gründen gehindert ist, an der Beschlussfassung im Verwaltungsrat teilzunehmen, der Vorsitzende des Verwaltungsrats eine zusätzliche Stimme erhält. Diese Ergänzungsstimme des Verwaltungsratsvorsitzenden ist eingefügt worden, um Stimmungleichgewichte im monistischen System auszugleichen.[52]
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Eine Einschränkung, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrats nicht