Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
Einflussnahmen bis zum Ende des Geschäftsjahres ausgleicht, umsetzbar ist. Wenn der Nachteilsausgleich nicht möglich ist, sind Unternehmen und seine Organe gem. § 317 AktG zum Ersatz des Schadens verpflichtet.[85] Um den durch die Nachteilszufügung entstandenen Schaden feststellen zu können, hat der Vorstand einen Abhängigkeitsbericht zu erstellen (§ 312 AktG), der durch den Abschlussprüfer (§ 313 AktG) und den Aufsichtsrat (§ 314 AktG) zu prüfen ist. Bei einer SE im monistischen System stellen die geschäftsführenden Direktoren gem. Art. 46 Abs. 1 SEAG den Abhängigkeitsbericht auf. Geprüft wird der Abhängigkeitsbericht aufgrund des Generalverweises in § 22 Abs. 6 SEAG durch den Verwaltungsrat.[86]
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Die Zuständigkeiten sind damit gesetzlich eindeutig geregelt. Die Bedenken, dass die geschäftsführenden Direktoren den Abhängigkeitsbericht nicht frei vom Einfluss des Verwaltungsrats aufstellen können, weil sie weisungsgebunden sind,[87] können nicht überzeugen, da ein Ermessen der geschäftsführenden Direktoren im Bereich der Erstellung des Abhängigkeitsberichtes nicht besteht. Sie haben ihrer gesetzlichen Pflicht zu entsprechen. Dabei bestehen weder Weisungsrechte des Verwaltungsrats noch der Hauptversammlung.[88]
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Grundsätzlich berechtigt sind die Bedenken, dass der von den geschäftsführenden Direktoren aufgestellte Abhängigkeitsbericht vom Verwaltungsrat zu prüfen ist und im Verwaltungsrat als nicht geschäftsführende Mitglieder in der Regel Vertreter des herrschenden Unternehmens sitzen. Abhilfe könnte insofern der Vorschlag der Einrichtung eines neutralen Prüfungsausschusses bringen.[89] Die Bedenken gegen die Neutralität der Verwaltungsratsmitglieder stellen jedoch keine Besonderheit der SE im monistischen System dar. Auch bei einer SE im dualistischen System und bei einer AG ist der Aufsichtsrat in der Regel mit Vertretern des herrschenden Unternehmens besetzt. Wenn dies nicht als akzeptabel angesehen wird, müsste die Regelung in § 314 AktG vom Gesetzgeber modifiziert werden. Eine Auslegung dahingehend, dass ein vom Gesetz nicht vorgesehenes Prüfungsverfahren angewandt werden soll, wäre contra legem,[90] zumal dem Gesetzgeber die in der Literatur erhobenen Bedenken und Änderungsvorschläge bekannt waren. Eine Lösung könnte sich über den DCGK anbieten, indem dort die Einrichtung eines Prüfungsausschusses, der den Abhängigkeitsbericht prüft, als Element guter Corporate Governance vorgesehen wird. Zur Objektivität und Unabhängigkeit der Prüfung würde es sicher auch beitragen, wenn im DCGK vorgesehen würde, dass im monistischen System der Konzernabschlussprüfer und der Abschlussprüfer der Tochtergesellschaft nicht identisch sein dürfen.[91]
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In jedem Fall wäre die Schaffung einer gesetzlichen Sonderregelung für die SE oder nur für die SE im monistischen System nicht empfehlenswert, sondern wenn überhaupt wäre eine rechtsformübergreifende Lösung zu wählen.[92] Dies empfiehlt sich insbesondere deshalb, weil der Gesetzgeber bemüht ist, einen möglichst weitgehenden Gleichlauf zwischen den für die AG, die SE im dualistischen System und die SE im monistischen System anwendbaren Regelungen herzustellen.[93]
2.5.2.2 Mitbestimmung
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Die auch für europäische Gesetzgebungsverfahren sehr lange Dauer des Gesetzgebungsverfahrens, an dessen Ende der Erlass der SE-VO und der SE-RL stand,[94] ist ganz wesentlich auf das „Ringen um die Mitbestimmung“ zurückzuführen.[95]
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Die Bedenken, dass sich die deutsche Mitbestimmung für eine deutsche SE bei multinationalen Fusionen als Wettbewerbsnachteil erweisen wird,[96] haben sich in der Praxis nicht bewahrheitet. Gerade in Deutschland ist die SE von Großunternehmen und zunehmend auch im Mittelstand sehr gut als Rechtsform angenommen worden.[97] Ein wesentliches Argument ist dabei die Möglichkeit, die „Mitbestimmung einzufrieren“.[98] Die SE-VO und die SE-RL (Art. 50 Abs. 2 S. 2 SE-VO, Art. 7 SE-RL) gehen jedenfalls davon aus, dass die deutsche paritätische Mitbestimmung auch bei der SE bestehen kann.[99]
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Egal ob dies rechtspolitisch für sinnvoll gehalten wird oder nicht, ist daher davon auszugehen, dass sofern bei einer SE-Gründung eine deutsche AG im Geltungsbereich des MitbestG 1976 beteiligt ist und die Auffangregel gem. Art. 7 Abs. 3 b SE-RL zur Anwendung kommt, grundsätzlich eine paritätische Mitbestimmung eingeführt werden muss, gleichgültig ob die SE eine dualistische oder monistische Struktur hat.
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Denkbar ist grundsätzlich, dass als Verhandlungsergebnis vereinbart wird, auch in den Fällen, in denen nach den gesetzlichen Vorgaben eine paritätische Mitbestimmung erforderlich wäre, die Parität nicht einzuhalten. Dem nationalen Gesetzgeber ist es jedoch verwehrt, angesichts des eindeutigen Wortlauts in Art. 7 Abs. 3 b SE-RL gesetzliche Einschränkungen der Mitbestimmung vorzusehen.[100]
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Diese Vorgaben hat der deutsche Gesetzgeber in §§ 34, 35 SEBG umgesetzt. Dem Gesetz liegen die Grundsätze der Gestaltungsfreiheit und des Bestandsschutzes zugrunde. Beide Anliegen widersprechen sich teilweise und sind daher nur schwer miteinander in Einklang zu bringen. Die Gestaltungsfreiheit findet in der Verhandlungslösung Ausdruck. Der Bestandsschutz insbesondere in der Auffanglösung in Art. 7 Abs. 3 b der SE-RL.[101]
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Die vom Bestandsschutz erfasste deutsche Mitbestimmung ist für das dualistische System konzipiert. Die Arbeitnehmervertreter haben Anspruch auf einen Sitz im Aufsichtsrat, sind aber an der Geschäftsführung nicht beteiligt.
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Auch im dualistischen System wird über die Effektivität der Aufsichtsratstätigkeit bei mitbestimmten Gesellschaften diskutiert. So empfiehlt Ziff. 3.6 des DCGK, dass im mitbestimmten Aufsichtsrat die Vertreter der Aktionäre und der Arbeitnehmer die Sitzungen des Aufsichtsrats jeweils gesondert, gegebenenfalls mit Mitgliedern des Vorstands, vorbereiten sollen. Begründet wird dieser Vorschlag damit, dass in deutschen Aufsichtsräten keine intensive Auseinandersetzung in den anstehenden Führungsfragen stattfindet, sondern die Aufsichtsratssitzungen nur dazu dienen, im Vorfeld vorbereitete und faktisch bereits beschlossene Entscheidungen „abzunicken“. Ein Grund ist sicher, dass eine Kritik an Vorstandsentscheidungen oder den Vorschlägen des Vorstands in der Regel auch eine Vorstandskritik beinhaltet. Eine solche Kritik will die Anteilseignerseite in der Regel vor den Arbeitnehmern vermeiden. In der Praxis stimmen die Arbeitnehmervertreter vor den Aufsichtsratssitzungen ihr Vorgehen – zumeist in Anwesenheit zumindest des Arbeitsdirektors – ab. Bei den Anteilseignern ist eine solche Abstimmung nicht die Regel. Sie findet lediglich in Krisensituationen statt.[102] Vor diesem Hintergrund ist bereits die Frage aufgeworfen worden, ob die paritätische Arbeitnehmermitbestimmung überhaupt noch ein zeitgemäßes System der Unternehmenskontrolle ist.[103] Die Arbeitgeberverbände BDA und BDI haben die Verabschiedung des SEEG zum Anlass genommen, das deutsche Mitbestimmungssystem generell in Frage zu stellen bzw. dessen kräftige Beschneidung zu fordern. Nach Einschätzung vom BDA und BDI führt der über die Auffanglösung des Art. 7 Abs. 3b SE-RL vermittelte Bestandsschutz dazu, dass in der Regel das deutsche Mitbestimmungsmodell zur Anwendung kommt. Damit sollen deutsche Unternehmen als gleichrangige Partner eines solchen Zusammenschlusses ausscheiden.[104] Die durch die Einführung der SE entfachte Debatte um die Mitbestimmung setzt sich in anderen europäischen Gesetzgebungsvorhaben fort. Die 10. Richtlinie, die sog. Verschmelzungsrichtlinie, sieht vor, dass falls eine Verhandlungslösung über das Mitbestimmungsniveau in der neuen gemeinsamen Gesellschaft nicht möglich ist, das höhere Schutzniveau eines beteiligten Landes nur gilt, wenn mindestens ein Drittel der betroffenen Arbeitnehmer aus diesem Mitgliedsland stammen.[105] Die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften der Richtlinie wurden im MgVG umgesetzt.[106]
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Im monistischen System stellen sich bei der paritätischen Mitbestimmung viel weitreichendere Fragen. Wie bereits dargelegt,[107] sind der Verwaltungsrat im monistischen System und der Aufsichtsrat