Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
zu, dass Mitglieder des Verwaltungsrats zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden können, und macht nur die Einschränkung, dass die Mehrheit des Verwaltungsrats weiterhin aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern zu bestehen hat. Grundsätzlich ist es daher möglich, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrats gleichzeitig geschäftsführender Direktor oder sogar Vorsitzender der geschäftsführenden Direktoren ist. In der Gesetzesbegründung wird dies aufgrund der dadurch entstehenden besonderen Machtfülle zwar nicht für sinnvoll gehalten. Ein gesetzliches Verbot der Wahrnehmung beider Funktionen enthält das SEAG jedoch nicht.[53] Aufgrund dieser flexiblen Gestaltungsmöglichkeit, bei der der Vorsitzende des Verwaltungsrats zugleich geschäftsführender Direktor bzw. Vorsitzender der geschäftsführenden Direktoren ist, kann die monistische Leitungsstruktur dem aus dem US-amerikanischen Recht bekannten CEO-Modell angenähert werden und ist damit interessant für inhabergeführte Familienunternehmen. Dem Gesellschafter gelingt es auf diese Weise, seinen beherrschenden Einfluss sowohl faktisch als auch rechtlich abzusichern.[54]
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Es ist nicht zu verkennen, dass die teilweise Personenidentität von Verwaltungsratsmitgliedern und geschäftsführenden Direktoren zu einer Optimierung des Informationsflusses und damit zu einer Beschleunigung der Entscheidungsprozesse führt.[55] Dem Ziel einer flexiblen Unternehmensführung dient auch die Empfehlung des DCGK zur Hierarchisierung des Vorstands, wonach der Aufsichtsrat gem. Ziff. 5.2 mit dem Sprecher des Vorstands über die Strategie, die Geschäftsentwicklung und das Risikomanagement des Unternehmens beraten und sich abstimmen soll.[56]
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Gegen eine personenidentische Besetzung des Vorsitzes im Verwaltungsrat und des Vorsitzes der geschäftsführenden Direktoren spricht, dass die auch im monistischen System erforderliche Trennung zwischen Überwachung und Geschäftsführung gefährdet wird. Auch der Kapitalmarkt steht einer derartigen Machtfülle eher skeptisch gegenüber. Im Rahmen der anglo-amerikanischen Corporate Governance-Diskussion wird daher auch eine Trennung des Chairman of the Board und des CEO befürwortet.[57] Eine solche Trennung entspricht auch dem 14. Erwägungsgrund der SE-VO, der auch im monistischen System eine Trennung von Überwachung und Geschäftsführung fordert. Dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats kommt wie dem Aufsichtsratsvorsitzenden im dualistischen System die Aufgabe zu, die Überwachungsaufgaben des Verwaltungsrats zu koordinieren und die Vertretung des Verwaltungsrats gegenüber den geschäftsführenden Direktoren auf der Grundlage des Plenumsbeschlusses wahrzunehmen. Um die gebotene Neutralität für die Überwachung zu wahren, sollte der Vorsitzende des Verwaltungsrats daher nicht geschäftsführender Direktor sein.[58]
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Das Problem der entstehenden Machtfülle des Vorsitzenden des Verwaltungsrats bei gleichzeitiger Zuweisung der Geschäftsführung hat der Gesetzgeber erkannt. Er hat daraus aber nur den Schluss gezogen, dass eine gesetzliche Zuweisung der Geschäftsführung an den Vorsitzenden des Verwaltungsrats wegen der dadurch entstehenden Machtfülle nicht sinnvoll erscheint.[59] De lege lata ist die Personenidentität daher unerwünscht aber zulässig.
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Der Gesetzgeber hätte dem 14. Erwägungsgrund zur SE-VO sowie den dargestellten Corporate Governance-Grundsätzen folgend in § 40 SEAG anordnen sollen, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrats nicht zugleich geschäftsführender Direktor sein darf. Um die Effektivität der Geschäftsführung und den Informationsfluss zu optimieren, hätte der Vorsitzende der geschäftsführenden Direktoren einfaches Mitglied des Verwaltungsrats sein können.[60]
2.4.2 Sitzungen und Beschlüsse
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Die Beschlussfassung des Verwaltungsrats regelt Art. 50 Abs. 1 SE-VO unmittelbar und ordnet an, dass die Beschlussfähigkeit gegeben ist, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend oder vertreten ist (Art. 50 Abs. 1 a SE-VO). Die Beschlüsse werden mit der Mehrheit der anwesenden oder vertretenen Mitglieder gefasst (Art. 50 Abs. 1 b SE-VO). Die SE-VO lässt jedoch abweichende Bestimmungen in der Satzung zu. Nationale Ausführungsbestimmungen zur Beschlussfassung und Beschlussfähigkeit erübrigen sich damit, da nach Art. 9 Abs. 1 b SE-VO die angeordnete Satzungsfreiheit Vorrang vor nationalen Ausführungsbestimmungen hätte.[61]
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Nicht geregelt ist die Vertretung in den Sitzungen, die in Art. 50 Abs. 1 a und b SE-VO als möglich vorausgesetzt wird. § 35 Abs. 1 SEAG regelt die Vertretung entsprechend § 108 Abs. 3 AktG und übernimmt außerdem § 108 Abs. 4 AktG, der die schriftliche, fernmündliche oder andere vergleichbare Formen der Beschlussfassung zulässt, um der SE im Ergebnis die Rechtssicherheit zu geben, dass auch diese Fragen in der Satzung geregelt werden dürfen.[62]
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Der Verwaltungsrat hat gem. Art. 44 Abs. 1 SE-VO mindestens alle drei Monate zu einer Sitzung zusammenzutreten. Die Teilnahme an den Sitzungen und die Einberufungsmodalitäten regeln §§ 36, 37 SEAG entsprechend §§ 109, 110 AktG.[63]
2.5.1 Grundsätzliche Kompetenzverteilung
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Nach Art. 43 Abs. 1 S. 1 SE-VO führt das Verwaltungsorgan die Geschäfte der SE. Dementsprechend bestimmt § 22 Abs. 1 SEAG, dass der Verwaltungsrat die Gesellschaft leitet und die Grundlagen ihrer Tätigkeit überwacht. Die laufenden Geschäfte werden gem. § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG von den geschäftsführenden Direktoren geführt, die gem. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG auch gleichzeitig Mitglieder des Verwaltungsrats sein können.[64]
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Im Grundsatz treffen den Verwaltungsrat damit gebündelt alle Aufgaben, die im dualistischen System der Aufsichtsrat und der Vorstand jeweils getrennt wahrzunehmen haben.[65] Trotz des Zusammenfallens der Aufgaben hat sich in der internationalen Corporate Governance-Debatte herausgebildet, dass auch beim monistischen System die Trennung von Geschäftsführung und Überwachung erforderlich ist. Teilweise wird aufgrund dieser Erkenntnis von einer Konvergenz des dualistischen und monistischen Systems gesprochen.[66]
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Es stellt sich die Frage, was unter den Leitungsaufgaben, die der Verwaltungsrat wahrzunehmen hat, und unter den laufenden Geschäftsführungsmaßnahmen, die den geschäftsführenden Direktoren obliegen, zu verstehen ist. Diese Frage ist im Ansatz mit der Frage nach dem Rahmen der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand im dualistischen System[67] vergleichbar. Anders als dem Vorstand (§ 76 Abs. 1 AktG) steht den geschäftsführenden Direktoren jedoch gerade keine Eigenverantwortlichkeit bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft zu. Sie unterliegen gem. § 44 Abs. 2 SEAG den Weisungen des Verwaltungsrats und sind damit einem GmbH-Geschäftsführer vergleichbar.[68]
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Wie ein Geschäftsführer (§ 38 Abs. 1 GmbHG) können die geschäftsführenden Direktoren ohne Begründung vom Verwaltungsrat abberufen werden (§ 40 Abs. 5 S. 1 SEAG). Wenn die geschäftsführenden Direktoren gleichzeitig Mitglieder des Verwaltungsrats sind, muss die Abberufung durch die Hauptversammlung gem. § 29 SEAG erfolgen. Die Abhängigkeit der geschäftsführenden Direktoren ist damit im Vergleich zum Vorstand im dualistischen System sehr groß oder umgekehrt gewendet ihre Selbständigkeit eher gering.
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