Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski

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um nur einige Beispiele zu nennen.

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      Die Wirtschaft jedoch war rascher. Sie beschritt 1964 als erste durch die wirtschaftliche Verschmelzung zweier nationaler AGs verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft den Weg hin zu einer wirklichen „Europäischen AG“. Wie so oft „schuf sie sich ihr Recht selbst“, wie Großmann-Doerth dies ehemals nannte: Die wachsende Konkurrenz der amerikanischen Firma KODAK zwang die deutsche AG AGFA, Leverkusen, zum Zusammenschluss mit der belgischen AG GEVAERT, Antwerpen. Nur durch die Bündelung der wirtschaftlichen Kräfte konnten sich die beiden, auf kleinere Märkte zugeschnittenen Unternehmen im Wettbewerb behaupten. Erleichtert wurde dieser Zusammenschluss durch den Umstand, dass sich beide Gesellschaften in ihren Produktprogrammen ergänzten: Die belgische Firma produzierte zu 65 % industrielle Photopapiere und zu 35 % Amateurphotozubehör, die deutsche im umgekehrten Verhältnis.

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      Dieser Wunsch, geboren aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, bestehende Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten über die Grenzen hinweg zu neuen, den wirtschaftlichen Bedingungen angepassten, konkurrenzfähigen Einheiten zu verschmelzen, war und ist bis heute die treibende Kraft hinter den Bemühungen um die „Europäische AG“. Die grenzüberschreitende Fusion, wie sie im EWG-Vertrag von 1957 in Art. 220 3. Spiegelstrich vorgesehen war, bedeutete zwangsläufig die Übernahme einer ausländischen Gesellschaft in die eigene Rechtsordnung und umgekehrt.

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      Die geniale Konstruktion der „Fusion“ AGFA/GEVAERT, unvergesslich verbunden mit dem Namen des Chefsyndikus der Bayer AG, Silcher, war Folgende: AGFA, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Bayer AG, und GEVAERT S. A., zu 35 % in Familien-, zu 65 % in Streubesitz, gründeten jeweils in ihrem Land eine AG eigenen Rechts, an der beide fortbestehenden Gründergesellschaften zu je 50 % beteiligt wurden. Als Firma wurde für die in Belgien errichtete société anonyme die Bezeichnung GEVAERT-AGFA S. A., für die in Deutschland gegründete AG AGFA-GEVAERT AG gewählt. Sitz der belgischen Gesellschaft war Antwerpen, der der deutschen Leverkusen. Die Leitungsorgane beider Gesellschaften waren identisch: Dem belgischen „conseil d'administration“ entsprach der deutsche Vorstand. Natürlich stand neben diesem ein Aufsichtsrat, in dem die Belgier mit zwei Herren vertreten waren. Beide Führungsgremien waren paritätisch besetzt. Anfänglich arbeiteten die leitenden Herren einen Monat in Antwerpen, einen Monat in Leverkusen. Grund für diese sorgfältig austarierte Gleichheit war die Sorge, die belgische oder die deutsche Presse könnten von einem „Geschlucktwerden“ der eigenen Gesellschaft durch die des Nachbarlandes sprechen – ein psychologisches Moment, das bei dem damaligen Stand der europäischen Integration peinlich zu beachten war und das ja noch heute bei Verschmelzungen wie der der Hoechst AG mit Rhône-Poulenc S.A. in AVENTIS nicht außer Acht gelassen wurde und werden konnte. Die schlichte Übernahme von Mannesmann durch Vodafone hat einen bitteren Geschmack hinterlassen.

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      Nach Jahren wirtschaftlicher Erfolge des neuen Unternehmens hob die Gesellschaft diese sorgfältige Ausbalancierung allmählich auf: Führungspersönlichkeiten wurden mehr und mehr Belgier, der Doppelname verschwand, die „fusionierte Gesellschaft“ wurde weltweit nur noch AGFA-GEVAERT genannt.

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      Von besonderem Interesse war natürlich die Mitbestimmung, der der deutsche Teil des Gesamtunternehmens selbstverständlich unterworfen war. Im (deutschen) Aufsichtsrat saßen Arbeitnehmervertreter der AGFA-GEVAERT AG. Die Frage, ob dieser Umstand die belgische Seite zur Zurückhaltung, insbesondere hinsichtlich der Informationsmöglichkeiten der deutschen Arbeitnehmervertreter gegenüber dem belgischen Teil des Gesamtunternehmens, veranlasst hätte, wurde bei den Gesprächen der Kommission mit den leitenden Herren lächelnd verneint. Was denn bei der ganzen Konstruktion als hinderlich empfunden wurde? Die Unterschiedlichkeit der Bilanzvorschriften und der Steuerrechte.

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