Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
muss, könnte aus Art. 1 Abs. 1 SE-VO zu folgern sein, dass eine SE zwingend ein Handelsgewerbe betreiben muss. Allerdings wird in anderen Sprachfassungen der SE-VO lediglich neutral von Gesellschaften gesprochen. Aus dem deutschen Wortlaut der SE-VO lässt sich daher eine so weitgehende Einschränkung nicht ableiten; vielmehr kann eine SE jeden gesetzlich zulässigen Zweck verfolgen.[14] Eine SE mit Sitz in Deutschland ist jedoch gem. § 3 Abs. 1 AktG, § 6 Abs. 2 HGB in jedem Falle Formkaufmann.[15]
Anmerkungen
Die SE-VO verwendet in der deutschen Fassung in der Überschrift den Begriff der Europäischen Gesellschaft. Im 8. Erwägungsgrund und in Art. 1 Abs. 1 SE-VO ist von der Europäischen AG die Rede. Das Kürzel SE wird im 8. Erwägungsgrund und in Art. 1 Abs. 1 SE-VO definiert. In Art. 1 Abs. 1 SE-VO wird zugleich der Begriff der Societas Europaea eingeführt, dem die Abkürzung SE entlehnt wurde.
Vgl. 6. Erwägungsgrund zur SE-VO.
S. dazu unten 3. Kap. Rn. 1.
RL 2005/56/EG des Rates v. 26.10.2005, ABlEU Nr. L 310 v. 25.11.2005, 1 ff.
Art. 63 SE-VO verweist nur bezüglich der Auflösung und Liquidation ausdrücklich auf das nationale Recht, während Art. 14 SE-VO vorsieht, dass die Löschung einer SE bekannt zu machen ist, also in der SE-VO vorausgesetzt wird. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob eine SE mit Sitz in Deutschland erst mit Löschung und Vermögenslosigkeit (so Lutter/Hommelhoff/Lutter Art. 1 Rn. 16) oder bereits mit Löschung im Register erlischt und ggf. als Nachgesellschaft fortbesteht (so Habersack/Drinhausen/Bachmann SE-VO Art. 63 Rn. 61).
Allg. Meinung, vgl. Münch. Hdb. GesR IV/Austmann § 82 Rn. 1; MünchKomm AktG/Oechsler SE-VO Art. 1 Rn. 6; Habersack/Drinhausen/Habersack SE-VO Art. 1 Rn. 5; KölnKomm/Siems SE-VO Art. 1 Rn. 21.
Die Formulierung der VO erinnert an § 171 Abs. 1 HGB: Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar.
KölnKomm/Siems SE-VO Art. 1 Rn. 22.
Gem. Art. 67 SE-VO können Mitgliedstaaten, die der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion nicht angehören, Sonderregelungen treffen, um SE mit Sitz in diesen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die Grundkapitalziffer und die Aktiennennbeträge in der nationalen Währung auszudrücken.
Vgl. 13. Erwägungsgrund der SE-VO.
Dazu unten 5. Kap. Rn. 74 ff.
Dazu unten 6. Kap. Rn. 1 ff.
Eine SE kann somit auch zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit oder zur Verfolgung ideeller, vermögensverwaltender oder gemeinnütziger Zwecke errichtet werden, vgl. Habersack/Drinhausen/Habersack SE-VO Art. 1 Rn. 3; Lutter/Hommelhoff SE-VO Art. 1 Rn. 5; MünchKomm AktG/Oechsler SE-VO Art. 1 Rn. 4; Spindler/Stilz/Caspar SE-VO Art. 1 Rn. 3.
Habersack/Drinhausen/Habersack SE-VO Art. 1 Rn. 3; Lutter/Hommelhoff SE-VO Art. 1 Rn. 5; Spindler/Stilz/Caspar SE-VO Art. 1 Rn. 2; im Ergebnis ebenso MünchKomm AktG/Oechsler SE-VO Art. 1 Rn. 4: direkte Folge von Art. 1 Abs. 1 SE-VO.
2 › IV. Die Mitgliedschaft des Aktionärs
IV. Die Mitgliedschaft des Aktionärs
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Nach dem deutschen Begriffsverständnis umfasst die in der Aktie verkörperte Mitgliedschaft des Aktionärs die Summe aller Rechte und Pflichten, die ihm als Mitglied der AG zustehen bzw. die er in dieser Eigenschaft zu erfüllen hat.[1] Die Rechte des Aktionärs können in Vermögensrechte, wie das Dividendenbezugsrecht, und Herrschafts- bzw. Verwaltungsrechte, wie das Stimmrecht, das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung und Auskunftsrechte, unterteilt werden.
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Die SE-VO enthält nur wenige ausdrückliche Regelungen, die die Mitgliedschaft des Aktionärs direkt betreffen. Neben der bereits erwähnten Haftungsbeschränkung auf die Einlageleistung des Aktionärs (Art. 1 Abs. 2 SE-VO) zählen hierzu Verwaltungsrechte, die vornehmlich in der Hauptversammlung auszuüben sind,[2] sowie der Minderheitenschutz.[3] Der Gleichbehandlungsgrundsatz, der aufgrund der 2. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie[4] im Aktienrecht aller Mitgliedstaaten verankert ist, findet wiederum über das nationale Aktienrecht Anwendung auf die Aktionäre der SE. Im deutschen Recht wurde der Gleichbehandlungsgrundsatz in § 53a AktG umgesetzt. Nach dieser Bestimmung hat die Gesellschaft die Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln.
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Über die Generalverweisung kommen ferner die von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Treuepflicht des Aktionärs[5] zur Anwendung, da die Verweisung Richterrecht mit einschließt.[6]
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Die Ausgestaltung der Mitgliedschaft des Aktionärs der SE unterliegt damit zu großen Teilen dem nationalen Recht. Das einzelstaatliche Recht ist schließlich auch für den Erwerb, die Übertragbarkeit und den Verlust der Mitgliedschaft maßgeblich. Es bestehen mithin im Bezug auf die Mitgliedschaft des Aktionärs zwischen der Beteiligung an einer SE mit Sitz in Deutschland und der Beteiligung an einer deutschen AG keine grundsätzlichen Unterschiede.
Anmerkungen