Handbuch IT-Outsourcing. Joachim Schrey
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Das oben aufgeführte Regelungsspektrum ist bei Weitem nicht nur gesellschaftsrechtlicher Natur, so dass sich die Vertragsgestaltung nicht nur auf die Erstellung eines Gesellschaftsvertrages/einer Satzung der zu gründenden Gesellschaft bezieht. Auch sind diverse Regelungsinhalte vorhanden, die nicht Gegenstand von Serviceverträgen (z.B. Übernahme von Know-how) sind. Es kommt daher oft zu einem dreistufigen Aufbau:[196]
– | Gesellschaftsvertrag, Satzung der zu gründenden Gesellschaft |
– | einzelne Liefer- und Serviceverträge (Know-how-Verträge) |
– | ein übergreifender Vertrag (Joint Venture Agreement, Shareholders Agreement, Basic Agreement und ähnlich genannt) zwischen den Müttern, in denen diejenigen Fragen geregelt sind, die nicht durch die bereits vorgenannten Verträge umfassend geregelt sind |
(14) Vor- und Nachteile eines Joint Ventures
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Die Gründung eines Joint Ventures zwischen den Kunden und dessen IT-Service-Gesellschaft (Spin-off) und dem Provider hat folgende Vorteile für beide Seiten:
– | Steuerliche Vorteile |
– | Steuerungs- und Überwachungsinstrumentarium für den Kunden durch Geschäftsführung und Beirat |
– | Günstigerer Haustarif nach Ablauf der Jahresfrist des § 613a BGB |
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Diesen Vorteilen stehen aber auch einige Nachteile gegenüber, welche entsprechend gewürdigt werden müssen. So hat IBM früher bei der Übernahme von IT-Dienstleistungen für Kunden häufig ein neues Unternehmen in der Form eines Joint Ventures gegründet, an dem auch der Kunde beteiligt war. Nach der Ansicht der IBM haben sich diese traditionellen Outsourcing-Joint-Ventures nicht als praktikabel erwiesen, da sich die Unternehmen kaum weiterentwickeln und damit zu wenige Synergien erzielt werden konnten.[197] Ein weiterer Nachteil der Gründung eines Joint Ventures bei Outsourcing-Projekten sind die meist schon typischen Kulturunterschiede zwischen dem Kunden und dem Provider. So wurde das Outsourcing-Projekt der IBM und der Stadt Leipzig „LeCoS“ gerade wegen dieser kulturellen Unterschiede für beendet erklärt.[198]
cc) Übernahme des Joint Ventures
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In einem Zeitraum von drei bis sieben Jahren nach Gründung eines Joint Ventures/einer Public Private Partnership (PPP)[199] kann es aus organisatorischen und steuerlichen Gründen interessant sein, dass die Anteile des Kunden am gemeinsamen Joint Venture auch auf den Provider übergehen (Abb. 10).
Abb. 10:
Übernahme des Joint Ventures
(1) Organisatorische Betrachtung
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Entsprechend der strategischen Ausrichtung des Kunden, sich auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren und die Auslagerung von Nicht-Kernkompetenzen vorzunehmen, hat der Kunde ein großes Interesse daran, seine verbliebenen Gesellschaftsanteile am Joint Venture auf den Provider zu übertragen.
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Der Provider hat in diesem Zeitraum auch bewiesen, dass es ihm möglich ist, den IT-Service zu liefern, und dass er in der Lage ist, die vereinbarten Service-Levels zu halten.[200] Entsprechend dem Outsourcing-Vertrag und den darin vereinbarten Service-Levels wird er dies auch zukünftig für Kunden tun.[201] Daher ist für den Kunden kaum zu befürchten, dass er den Einfluss auf die Serviceerbringung (durch den Verkauf der Geschäftsanteile des Joint Ventures) verlieren könnte.
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Der Provider macht somit aus dem Joint Venture eine IT-Service-Gesellschaft seines eigenen Konzerns und verleibt das zuvor bestandene Joint Venture in seinen Konzern ein. Das Joint Venture wird somit in der Regel ein verbundenes, meist auch beherrschendes Unternehmen im Sinne des §§ 15 ff. AktG.
(2) Kartellrechtliche Anmeldung
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Der Erwerb der Geschäftsanteile des Kunden gem. § 39 GWB ist ebenfalls meldepflichtig. Folgendes Muster kann als Vorlage einer Meldung an das Bundeskartellamt verwendet werden:
Formulierungsbeispiel: Meldung an das Bundeskartellamt
An das
Bundeskartellamt
7. Beschlussabteilung
Mehringdamm 129
D – 10985 Berlin
Frankfurt, den xx.xx.200x
Betr.: Erwerb der Geschäftsanteile an der [Name der ein IT Service-Gesellschaft] durch den [Namen des Providers] gem. § 39 GWB
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir melden hiermit im Namen des [Name und Sitz des Kunden] und dem [Name und Sitz des Providers] folgendes Zusammenschlussvorhaben an:
1. |
Der [Name des Kunden] ist der alleinige Eigentümer der [Name der IT Service-Gesellschaft] und anderer Tochterfirmen (zusammen im Folgenden [Name des Kunden]-Konzern).
Der Gegenstand des Unternehmens [Name der IT Service-Gesellschaft] ist die Erbringung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Entwicklung, Einführung und dem Betrieb von Informationssystemen.
Die X-AG, 60529 Frankfurt a. Main ist an [Name des Kunden] direkt und indirekt mit 51%, die Y-AG, 60323 Frankfurt ist direkt und indirekt mit 49% beteiligt an der [Name des Kunden].
Der Umsatz der [Name der IT Service- Gesellschaft] betrug im Jahr 200x, xx,xx Mio. €
Davon betrug der Konzern-Innenumsatz mit dem [Name |