Handbuch IT-Outsourcing. Joachim Schrey
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Mit der Regelung in § 112 Abs. 5 Nr. 2a BetrVG soll bei der Erstellung des Sozialplans insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen werden.[233] In der Praxis wurden hierzu sog. „Transfersozialpläne“ entwickelt. Ziel dieser Transfersozialpläne ist es, den von einem Arbeitsplatzabbau betroffenen Arbeitnehmer Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten und vor allem die Motivation zur eigenverantwortlichen Stellensuche zu fördern.[234] Hierzu werden vor allem Orientierungs- und Existenzgründungsberatung sowie Vermittlungshilfen angeboten.[235] Zur Umsetzung solcher Maßnahmen werden dann sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (sog. „BQG“) gegründet, die mittels der Sozialplanmittel und anderer Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. Struktur-Kurzarbeitergeld) eine Weiterqualifizierung der betroffenen Arbeitnehmer für den Arbeitsmarkt aus einer Angestelltensituation heraus betreiben können. Ziel der sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQG) ist es, im Auftrag von Personal abbauenden Unternehmen wie dem ehemaligen Joint Venture neue Betriebseinheiten zu gründen, in denen strukturelle Kurzarbeit durchgeführt wird und zugleich geeignete Qualifizierungs-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden. Die von diesem Personalabbau betroffenen Arbeitnehmer können nur einvernehmlich in eine solche BQG überführt werden. Ein Zwang zum Wechsel besteht nicht. Der Wechsel erfolgt meist durch einen Aufhebungsvertrag mit dem bisherigen Arbeitgeber (das Joint Venture) und dem gleichzeitigen Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit der BQG.[236]
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In Fällen einer solchen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) ist die Anwendung des § 613a BGB regelmäßig ausgeschlossen, da i.d.R. keine Betriebsteile auf die BQG übergehen. Es wird lediglich das Personal übernommen (in diesem Fall von Joint Venture), der vorherige Betriebsteil wird aufgelöst. Das Personal wird in der BQG auch nicht den alten Aufgaben nachkommen, sondern sich durch geeignete Maßnahmen, wie Fortbildungen für den Arbeitsmarkt qualifizieren. Es können somit von der BQG neue und vor allem mit anderen Konditionen versehene Arbeitsverträge von der BQG angeboten werden, weil kein Betriebs- oder Betriebsteilübergang vorliegt.[237]
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Häufig werden aber auch Mittel aus dem Sozialplan zur Finanzierung von Management-Buy-Out-Projekten (MBO) oder von Personalentwicklungsgesellschaften (Auffanggesellschaften) verwendet. Damit wird das ursprünglich zum Ausgleich für wirtschaftliche Nachteile vorgesehene Sozialplanvolumen zu Arbeitsplatzerhaltungsmaßnahmen eingesetzt.[238]
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Die Erstellung eines Interessenausgleichs bzw. eines Sozialplans sollte von arbeitsrechtlichen Fachleuten übernommen werden, da deren Erstellung als sehr komplex und aufwendig zu betrachten ist.
(3) Post Merger Integration Management
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Die weichen Faktoren eines Mergers, also der Integration, werden häufig auch in Outsourcing-Projekten unterschätzt. Eine Integration oder auch die Gründung eines Joint Ventures kann nur sinnvoll funktionieren, wenn diese Integration mit einem Post Merger Integration Management verbunden wird. Der Begriff des Post Merger Integration Management kommt aus dem Bereich des Mergers & Acquisitions und kann analog auch auf Share- und sogar auf Asset Deals mit Personalübernahme bei Outsourcing-Projekten angewendet werden. Dabei umfasst das Post Merger Integration Management alle Projekte und Prozesse, die für die Integration notwendig sind. Das Post Merger Integration Management muss dabei konsequent angewendet werden, da nichts schlimmer für ein Outsourcing-Projekt ist, als ständige Auseinandersetzungen und Missverständnisse innerhalb der Organisation. Hier empfiehlt es sich, Personen auszutauschen, die sich gegen den Merger aussprechen. Dabei sollte die gemeinsame Teambildung unter folgenden Prämissen gefördert werden:
– | gemeinsame Visionen |
– | gemeinsame Leitsätze |
– | gemeinsame Führungsleitsätze |
– | gemeinsame Personalprozesse |
– | ein gut durchdachter Kommunikationsprozess, der die Entwicklung eines Gemeinsamkeitsgefühls fördert |
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Gerade die Erfahrungen im Bereich Mergers & Acquisitions (M&A) zeigen immer wieder auf, wie wichtig ein Integrationsprozess nach der Übernahme einer Service-Gesellschaft oder eines Betriebsteils ist. Aber auch gescheiterte Outsourcing-Projekte wie das Projekt LeCoS, einem Joint Venture zwischen IBM oder der Stadt Leipzig, zeigen auf, wie wichtig Integrationsprozesse auch bei einem Outsourcing-Projekt sind.[239] Das Management nach dem Zusammenschluss in einem Joint Venture oder nach der Integration in das Unternehmen des Providers ist ebenso wichtig, wie die eigentliche Leistungserbringung, da meistens unterschiedliche Firmenkulturen aufeinandertreffen, die Prozesse in den Unternehmen unterschiedlich sind und die Software vereinheitlicht werden muss. Im Wesentlichen lassen sich die Aktivitäten eines Post Merger Integration Managements in zwei Bereiche teilen:
– | Neuausrichtung der integrierten Gesellschaft oder eines Betriebsteils |
– | HR-Integration |
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Dabei muss grundsätzlich differenziert werden, ob die ehemalige Service-Gesellschaft oder der ehemalige Betriebsteil des Kunden als Service-Gesellschaft in den Konzern des Providers integriert wird oder als eigenständige(r) Gesellschaft/Betriebsteil weiterbetrieben werden soll. Der Fall, dass die Service-Gesellschaft als eine sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (sog. „BQG“) umstrukturiert wird, kann vernachlässig werden, da es sich dabei nicht um ein Post Merger Integration Management handelt.
(a) Post Merger Management (Neuausrichtung)
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