Unternehmensnachfolge. Manzur Esskandari
auf den Vorerben (in notariell beurkundeter Form) auflassen, obwohl der Vorerbe bereits als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist.[235] Der BGH und das BayObLG halten auch eine Erbauseinandersetzung zwischen Vor- und Nacherben für wirksam, ohne dass es einer Zustimmung der Ersatznacherben bedürfte.[236] Dogmatisch sauberer erscheint es, dem Nacherben eine echte Freigabemöglichkeit entsprechend § 2217 BGB zuzusprechen.[237] Die Freigabe ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Vorerben, die sachenrechtliche als Verfügung zu qualifizieren ist.
a) Bedeutung der Teilungsanordnung für die Unternehmensnachfolge
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Der Erblasser kann gemäß § 2048 BGB Anordnungen für die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft treffen (Teilungsanordnungen) und bestimmte Nachlassgegenstände einzelnen Miterben zuweisen. Die Teilungsanordnung wirkt nicht dinglich. Vielmehr sind die Miterben lediglich schuldrechtlich verpflichtet, sich nach Maßgabe der Teilungsanordnung auseinanderzusetzen. Wegen dieser nur schuldrechtlichen Wirkung können sich die Erben einverständlich über eine Teilungsanordnung hinwegsetzen. Wenn sich die Miterben entsprechend der Teilungsanordnung auseinandersetzen, werden die zugewiesenen Gegenstände den jeweiligen Miterben wertmäßig auf ihren Erbteil angerechnet. Dies führt dazu, dass ein mittels Teilungsanordnung zugewiesenes Unternehmen bewertet werden muss, um den auf die Erbquote anzurechnenden Betrag zu ermitteln. Miterben, die eine überquotale Zuweisung von Nachlassgegenständen erhalten, müssen diesen Mehrwert ausgleichen, sofern der Erblasser nicht hinsichtlich des Mehrwerts ein Vorausvermächtnis angeordnet hat, § 2150 BGB.
b) Teilung durch einen Dritten
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Gemäß § 2048 S. 2 BGB kann der Erblasser abweichend von § 2065 Abs. 2 BGB bestimmen, dass ein Dritter die Teilung des Nachlasses nach billigem Ermessen vornehmen soll. Dritter kann jede Person, etwa ein Miterbe oder Testamentsvollstrecker sein. Der Dritte kann allerdings nur einen (nicht dinglich wirkenden) Teilungsplan aufstellen, über den sich die Miterben einverständlich hinwegsetzen können. Ist der Dritte hingegen zugleich Testamentsvollstrecker, so kann er den Teilungsplan selbst dinglich vollziehen.[238] Der Testamentsvollstrecker kann sich in Einverständnis mit den Erben über Anordnungen des Erblassers hinwegsetzen und eine andere Teilung vornehmen. Möchte der Erblasser eine bestimmte Aufteilung des Nachlasses sicherstellen, kann er die jeweilige Erbeinsetzung unter die auflösende Bedingung des Nichtvollzugs der Teilungsanordnung stellen und für diesen Fall einen Ersatzerben bestimmen.[239] Dies führt allerdings zu einer konstruktiven Vor- und Nacherbfolge (vgl. Rn. 70).
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Formulierungsbeispiel:
Ich setze meine Tochter … und meinen Sohn … zu gleichen Teilen nach Stämmen gemäß gesetzlicher Erbfolge zu meinen Erben ein. Betreffend die Auseinandersetzung meines Nachlasses ordne ich mittels Teilungsanordnung folgendes an: Das von mir betriebene einzelkaufmännische Unternehmen … mit dem Sitz in …, vorgetragen im Handelsregister des Amtsgerichts …, soll mit allen Aktiva und Passiva im Zeitpunkt meines Ablebens entweder mein Sohn … oder meine Tochter … bzw. ersatzweise einer meiner Abkömmlinge erhalten. Für den übrigen Nachlass gelten die gesetzlichen Regelungen. Klargestellt wird, dass, soweit ein Erbe durch Erfüllung vorstehender Anordnungen mehr erhält, als seinem Erbteil entspricht, ein Ausgleich zu erfolgen hat (Alt.: Sollte ein Erbe durch Erfüllung vorstehender Anordnungen mehr erhalten, als seinem Erbteil entspricht, so ist ihm der übersteigende Teil als Vorausvermächtnis zugewandt). Die Erfüllung der Teilungsanordnung erfolgt durch den Testamentsvollstrecker. Der Testamentsvollstrecker soll nach billigem Ermessen das Kind/den Abkömmling auswählen, das ihm für die Unternehmensfortführung am geeignetsten erscheint.
c) Frankfurter Testament
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Mit dem Tod des Unternehmens-Erblassers entsteht bei mehreren Erben kraft Gesetzes eine Mitunternehmerschaft in Bezug auf das Betriebsvermögen, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Jede Erbauseinandersetzung über Betriebsvermögen stellt folglich eine mitunternehmerische Auseinandersetzung dar (vgl. hierzu ausführlich Rn. 1072 ff.). Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser sein Betriebsvermögen mittels Teilungsanordnung einem bestimmten Miterben zugewiesen hat.[240] Eine unmittelbare wirtschaftliche Zuordnung des Unternehmens an den Unternehmensnachfolger ohne Entstehen einer Mitunternehmerschaft findet auch bei einer Teilungsanordnung nicht statt.[241] Damit drohen einkommensteuerliche Risiken: Erhält der Erbe, dem das Unternehmen kraft Teilungsanordnung zugewiesen wird, mehr als ihm nach seiner Erbquote zusteht, und leistet er hierfür einen Ausgleich (sog. „Realteilung mit Spitzenausgleich“), so führt die Ausgleichszahlung beim Unternehmensnachfolger zu Anschaffungskosten und beim Empfänger zu einem Veräußerungserlös. Vor diesem Hintergrund wird der Erblasser versuchen, dass der Unternehmensnachfolger eine Erbquote erhält, die exakt dem Wert des Unternehmens entspricht.
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Kautelarjuristisch lässt sich dieses Ziel durch das sog. „Frankfurter Testament“ erreichen:[242] Der Erblasser weist die verschiedenen Nachlassgegenstände, u.a. sein Unternehmen, seinen Erben mittels Teilungsanordnung zu. Die Erbquoten der Miterben bestimmen sich dabei nach dem Wert der ihnen zugeteilten Nachlassgegenstände zueinander im Zeitpunkt des Erbfalls. Der Ausgleich unter den Miterben erfolgt durch entsprechend prozentuale Geldvorausvermächtnisse. Durch die dynamische Einsetzung nach Wertquoten und die prozentuale Berechnung des Vorausvermächtnisses muss der Erblasser sein Testament nicht mehr an künftige Wertveränderungen seines Nachlasses, insbesondere seines Unternehmens, anpassen. Da mit dem Tod des Erblassers gleichwohl eine Mitunternehmerschaft entsteht, haften alle Erben, nicht nur der Unternehmensnachfolger, für etwaige Steuernachzahlungen, die noch aus der Zeit des Erblassers stammen. Der Erblasser sollte den Unternehmensnachfolger daher testamentarisch verpflichten, die anderen Miterben von solchen Ansprüchen freizuhalten. Entscheidender Nachteil des Frankfurter Testaments ist freilich, dass das Nachlassgericht (streitanfällig) das Betriebs- und Privatvermögen bewerten muss, um überhaupt einen Erbschein mit Ausweis entsprechender Erbquoten ausstellen zu können. Darüber hinaus ist das dem Ausgleich unter den Miterben dienende Geldvorausvermächtnis eine reine Privatschuld des Unternehmensnachfolgers, mit der Konsequenz, dass Finanzierungskosten nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden können.[243] Dies gilt auch dann, wenn die Geldmittel dem Betriebsvermögen entnommen werden.
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Formulierungsbeispiel:[244]
Ich setze meine beiden Kinder … und … zu Miterben im Verhältnis der Werte ein, welche die ihnen nachstehend durch Teilungsanordnung zugewiesenen Vermögensteile im Zeitpunkt meines Ablebens haben. Mein Sohn … erhält mein einzelkaufmännisches Unternehmen …, meine Tochter … mein Privatvermögen … Der Testamentsvollstrecker … hat nach freiem Ermessen, orientiert an den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmens- und Grundstücksbewertung, das Betriebs- und das Privatvermögen zu bewerten.
Meine Tochter … erhält aus dem Anteil des Sohnes ein nicht anrechnungspflichtiges Vorausvermächtnis in Höhe der Hälfte der Bewertungsdifferenz in bar, erfüllbar in drei gleichen Jahresraten und ab dem zweiten Jahr mit . . ... % nachträglich zu verzinsen.
Meine Tochter … hat gegen meinen Sohn … vermächtnisweise den Anspruch auf Erstattung derjenigen Steuernachzahlungen, die – etwa aufgrund einer Betriebsprüfung – aufgrund von Gewinnen und Vermögen des Einzelunternehmens während der Eigentumszeit des Erblassers nachzuzahlen sind.
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Praxishinweis:
Aus ertragsteuerlichen Gesichtspunkten kann das Frankfurter Testament ein durchaus taugliches Gestaltungsinstrument sein. Dem stehen zivilrechtliche Unwägbarkeiten gegenüber.