Unternehmensnachfolge. Manzur Esskandari
gesamten Konstruktion das Damokles-Schwert des § 2306 Abs. 1 HS 1 BGB. Jeder Miterbe kann demgemäß bei Anordnung einer Teilungsanordnung – nach neuer Rechtslage unabhängig von der Erbquote – ausschlagen, seinen Pflichtteil verlangen und damit das sorgsam austarierte Nachfolgekonzept unterminieren. Entscheidet sich der Erblasser für ein Frankfurter Testament, sollten vor diesem Hintergrund die späteren Miterben (erbvertraglich) mitwirken und insbesondere auf etwaige Pflichtteilsansprüche verzichten.
d) Zuteilung eines Erwerbsrechts
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Unter Rn. 169 wurde dargelegt, dass dem Unternehmensnachfolger ein Erwerbsrecht am Unternehmen vermächtnisweise zugewandt werden kann. Der Erblasser kann alternativ für den präsumptiven Unternehmensnachfolger ein Erwerbsrecht am Unternehmen auch mittels Teilungsanordnung begründen. Der ausgewählte Unternehmensnachfolger hat dann das Recht, das Unternehmen in Anrechnung auf seinen Erbteil zu dem vom Erblasser festgesetzten Übernahmepreis zu übernehmen. Im Unterschied zum Vermächtnis entsteht der Anspruch auf Übertragung des Unternehmens allerdings erst im Auseinandersetzungverfahren.[245] Die Abgrenzung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis kann im Einzelfall schwierig sein.
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Folgende Fallgruppen müssen unterschieden werden:[246]
– | Liegt der Übernahmepreis unter dem Verkehrswert des Unternehmens und soll eine Anrechnung der Differenz nicht erfolgen, liegt insoweit ein Vorausvermächtnis vor. |
– | Liegt der Übernahmepreis unter dem Verkehrswert des Unternehmens und soll eine Anrechnung der Differenz erfolgen, handelt es sich um eine Teilungsanordnung. |
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– | Entspricht der Übernahmepreis dem Verkehrswert des Unternehmens, scheint es auf den ersten Blick an einem Vermögensvorteil zu fehlen, der dem Berechtigten mittels Vorausvermächtnis zugewandt werden könnte, mit der Folge, dass dieser Sachverhalt als Teilungsanordnung einzustufen wäre. Der BGH sieht allerdings in der Möglichkeit, sich über die Ausübung des Erwerbsrechts frei zu entscheiden, einen objektiven Vermögensvorteil.[247] Hinsichtlich dieses objektiven Vermögensvorteils könnte der Erblasser bestimmen, dass eine Anrechnung nicht stattfindet. Insoweit würde es sich dann um ein Vorausvermächtnis handeln. |
a) Bedeutung der Testamentsvollstreckung für das Einzelunternehmen
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Mittels der Anordnung einer Testamentsvollstreckung entzieht der Erblasser dem Erben die Verfügungsbefugnis über den Nachlass. Im Bereich der Unternehmensnachfolge kann die Testamentsvollstreckung ein wichtiges Gestaltungsmittel sein, wenn etwa der gewünschte Nachfolger noch nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, um das Unternehmen zu führen, oder sich erst noch eine Zeit lang unter Aufsicht des Testamentsvollstreckers bewähren soll.[248] Das Gesetz kennt drei Arten der Testamentsvollstreckung, die auch miteinander kombiniert werden können:[249]
Die Abwicklungsvollstreckung dient der Nachlassauseinandersetzung und der Ausführung der letztwilligen Verfügungen des Erblassers, §§ 2203 f. BGB.
Die Verwaltungsvollstreckung dient der Verwaltung des Nachlassvermögens, § 2209 Abs. 1 HS 1 BGB.
Die Dauertestamentsvollstreckung dient ebenfalls der Verwaltung des Nachlassvermögens und gleichzeitig der Nachlassauseinandersetzung bzw. Ausführung der letztwilligen Verfügung des Erblassers, § 2209 Abs. 1 HS 2 BGB.
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Für den Bereich der Unternehmensnachfolge muss hinsichtlich der vorgenannten Erscheinungsformen einer Testamentsvollstreckung differenziert werden zwischen einem kaufmännischen und nichtkaufmännischen Unternehmen einerseits sowie zwischen einer Abwicklungsvollstreckung und einer Verwaltungsvollstreckung andererseits.
b) Abwicklungsvollstreckung
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Die bloße Abwicklungsvollstreckung ist sowohl an einem kaufmännischen als auch an einem nichtkaufmännischen Unternehmen zulässig.[250] Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist hier nicht die Fortführung des Unternehmens, sondern lediglich die Herausgabe an die Erben, § 2217 BGB. Sofern eine entsprechende Erblasseranordnung vorliegt kann die Aufgabe des Testamentsvollstreckers auch darin bestehen, das Unternehmen zu verpachten, zu veräußern oder zu liquidieren und den Erlös unter den Erben zu verteilen.[251] In jedem Fall ist der Abwicklungsvollstrecker lediglich für einen begrenzten Zeitraum tätig. Hat der Abwicklungsvollstrecker seine Aufgaben erledigt, endet sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht. Der unter Rn. 220 beschriebene Konflikt ist bei einer bloßen Abwicklungsvollstreckung damit wenig virulent.[252] Da das Handelsrecht aber über die Dreimonatsfrist des § 27 Abs. 2 HGB hinaus keine Haftungsbeschränkung des einzelkaufmännischen Unternehmens zulässt, muss der Testamentsvollstrecker richtigerweise in diesem Zeitraum die werbende Tätigkeit des Unternehmens einstellen.[253] Ist die Abwicklung bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig durchgeführt, endet die Testamentsvollstreckung automatisch. Für Altschulden haften die Erben nicht nach § 27 Abs. 1 HGB, da der Testamentsvollstrecker das Unternehmen nicht als Vertreter der Erben „fortführt“. Geht der Testamentsvollstrecker im Rahmen der ordnungsgemäßen Abwicklung gemäß §§ 2206, 2207 BGB neue Geschäftsschulden ein, haftet dafür beschränkt der Nachlass.
c) Verwaltungsvollstreckung
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Die Verwaltungsvollstreckung an einem nichtkaufmännischen Unternehmen ist zulässig. Die handelsrechtlichen Vorschriften sind mangels Kaufmannseigenschaft nicht anwendbar. Bei etwaigen Gläubigern kann nicht der Eindruck entstehen, dass die unbeschränkte handelsrechtliche Haftung greift. Vielmehr gelten lediglich die erbrechtlichen Vorschriften, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass die Erben die Haftung auf den Nachlass beschränken können.[254]
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Die Problematik der Verwaltungsvollstreckung an einem kaufmännischen Einzelunternehmen ist im rechtswissenschaftlichen Schrifttum unverändert umstritten.[255] Die wohl noch h.M. hält die Verwaltungsvollstreckung an einem einzelkaufmännischen Unternehmen für unzulässig.[256] Führt ein Testamentsvollstrecker ein einzelkaufmännisches Unternehmen fort, haftet er selbst nicht persönlich für die von ihm begründeten Verbindlichkeiten, §§ 2206, 2207 BGB. Die Erben als Unternehmensträger wiederum können ihre Haftung auf den Nachlass beschränken, §§ 1967, 1973 ff., 1980, 1990 BGB. Dem steht aber der Grundsatz der persönlichen Haftung des Kaufmanns mit seinem ganzen Vermögen entgegen, §§ 22, 25, 27 HGB, und würde im Ergebnis auf ein im Gesetz nicht verankertes „einzelkaufmännisches Unternehmen mit beschränkter Haftung“ hinauslaufen.[257] Darüber hinaus kann die angeordnete Testamentsvollstreckung nicht im Handelsregister des Kaufmanns eingetragen werden.[258] Anders ist dies allenfalls bei einem minderjährigen Erben. Hier ist der Grundsatz der unbeschränkbaren Haftung des Einzelkaufmanns wegen § 1629a BGB ohnehin durchbrochen, was für eine Zulässigkeit der Verwaltungsvollstreckung in diesem Bereich spricht.[259] Die genannten Argumente gegen die Zulässigkeit einer Testamentsvollstreckung am Einzelunternehmen werden allerdings zunehmend angegriffen.[260]
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Zur Lösung dieses Konflikts werden Ersatzlösungen vorgeschlagen, wonach entweder der Erbe