Handbuch des Aktienrechts. Hans-Peter Schwintowski
Das Verfahren für die Fassung von Sonderbeschlüssen ist in § 138 AktG geregelt. Danach können Sonderbeschlüsse der Aktionäre verschiedener Aktiengattungen in derselben HV wie der Kapitalerhöhungsbeschluss, in einer gesonderten Abstimmung oder in einer gesonderten Versammlung gefasst werden (§ 138 S. 1 AktG). Findet die Abstimmung in derselben HV statt, so muss die gesonderte Abstimmung als Tagesordnungspunkt ordnungsgemäß bekannt gemacht werden (§ 124 AktG). Gem. § 138 S. 2 AktG gelten für die Einberufung der gesonderten Versammlung und die Teilnahme an ihr sowie für das Auskunftsrecht die Bestimmungen über die HV und für die Sonderbeschlüsse die Bestimmungen über Hauptversammlungsbeschlüsse sinngemäß. Verlangen Aktionäre, die an der Abstimmung über den Sonderbeschluss teilnehmen können, die Einberufung einer gesonderten Versammlung oder die Bekanntmachung eines Gegenstands zur gesonderten Abstimmung, so genügt es, wenn ihre Anteile, mit denen sie an der Abstimmung über den Sonderbeschluss teilnehmen können, zusammen den zehnten Teil der Anteile erreichen, aus denen bei der Abstimmung über den Sonderbeschluss das Stimmrecht ausgeübt werden kann (§ 138 S. 3 AktG).
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Der Sonderbeschluss ist nicht Bestandteil des Kapitalerhöhungsbeschlusses, sondern vielmehr ein zusätzliches Wirksamkeitserfordernis.[61] Ist ein eigentlich erforderlicher Sonderbeschluss nicht ergangen, so ist der Kapitalerhöhungsbeschluss schwebend unwirksam; er ist nach allgemeiner Ansicht weder nichtig noch anfechtbar.[62] Verweigern die Aktionäre einer Aktiengattung in ihrem Sonderbeschluss die Zustimmung zur Kapitalerhöhung, so wird der Kapitalerhöhungsbeschluss unwirksam.[63]
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Bis zur Fassung der notwendigen Sonderbeschlüsse darf das Registergericht den Beschluss über die Kapitalerhöhung nicht in das Handelsregister eintragen.[64] Das Gericht wird jedoch in der Regel vor der ablehnenden Entscheidung im Wege der Zwischenverfügung auf dieses Eintragungshindernis hinweisen, um den Aktionären die Nachholung des Sonderbeschlusses zu ermöglichen.[65] Auch in dem Fall der Eintragung trotz Fehlens der Sonderbeschlüsse können diese noch nachgeholt werden.[66] Der Mangel des fehlenden Sonderbeschlusses wird aber auch ohne diese Nachholung analog § 242 Abs. 2 AktG nach Ablauf von drei Jahren geheilt.[67] Ist der Sonderbeschluss fehlerhaft, so finden nach § 138 S. 2 AktG die §§ 241 ff. AktG entsprechende Anwendung, d.h. gegen den Beschluss kann eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erhoben werden.
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Bei der Beschlussfassung über die Ausgabe von Vorzugsaktien ist hinsichtlich der Erforderlichkeit von Sonderbeschlüssen zu differenzieren (§ 141 Abs. 2 AktG). Ist das gesetzliche Bezugsrecht nicht ausgeschlossen und sind bei der Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses bereits stimmrechtslose Vorzugsaktien vorhanden, so ist ein Sonderbeschluss zu fassen, wenn die neuen Aktien den bereits existierenden Vorzugsaktien bei der Verteilung des Gewinns oder des Liquidationserlöses gleichstehen oder sogar vorgehen sollen. Kein Sonderbeschluss ist dagegen erforderlich, wenn die Ausgabe weiterer Vorzugsaktien bereits in der Satzung festgelegt worden war[68] und das Bezugsrecht der Aktionäre nicht ausgeschlossen wird (vgl. § 141 Abs. 2 S. 2 AktG). Dies ist in der Praxis regelmäßig der Fall.[69]
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Ein Sonderbeschluss soll nach vereinzelt vertretener Auffassung weiterhin erforderlich sein, wenn stimmrechtslose Vorzugsaktien unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts ausgegeben werden, da dies zu einer nachteiligen Veränderung der Rechte der Altaktionäre führe.[70] Dem ist nicht zu folgen. Für das zusätzliche Erfordernis des Sonderbeschlusses gibt es insoweit weder eine rechtliche Grundlage noch eine Notwendigkeit. Der Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts wird bereits an den Anforderungen für den Bezugsrechtssauschluss gemessen.[71] Insofern findet eine ausreichende Prüfung der schutzwürdigen Interessen der Altaktionäre bereits statt.
1.4.4 Beschlussmängel
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Beschlussmängel bei Kapitalerhöhungsbeschlüssen der HV sind nach den allgemeinen Vorschriften über Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen zu beurteilen, §§ 241 ff. AktG.
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Ein Kapitalerhöhungsbeschluss ist insbesondere dann anfechtbar, wenn bei Ausschluss des Bezugsrechts der Ausgabebetrag der Aktien unangemessen niedrig ist (§ 255 Abs. 2 AktG). Weiterhin ist ein Kapitalerhöhungsbeschluss gem. § 255 Abs. 1 AktG nach § 243 AktG anfechtbar. Ein Anfechtungsgrund liegt vor, wenn der Bezugsrechtsausschluss unabhängig von § 255 Abs. 2 AktG zu beanstanden ist. Dies ist der Fall, wenn den Aktionären das Bezugsrecht, ohne dass aus dem Gesellschaftsinteresse folgende sachliche Gründe vorliegen, genommen wird, dies mithin weder erforderlich noch verhältnismäßig erscheint.[72] In diesem Fall muss sich die Anfechtung gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss richten, weil der Bezugsrechtsausschluss einen Bestandteil desselben bildet. Eine isolierte Anfechtung des Bezugsrechtsausschlusses ist nicht möglich.[73]
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Weitere Beispiele: Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Ausgabe neuer Aktien (§ 182 Abs. 1 S. 4 AktG) führt zur Anfechtbarkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses.[74] Analog § 255 Abs. 2 AktG ist ein Kapitalerhöhungsbeschluss, der sich auf eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen verbunden mit einem Bezugsrechtsausschluss bezieht, anfechtbar, wenn der Wert der Sacheinlage im Verhältnis zum Wert der dafür auszugebenden neuen Aktien unangemessen niedrig ist.[75]
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Bei schwerwiegenderen, nicht nur geringfügigen Gesetzesverstößen ist der Kapitalerhöhungsbeschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig. Nichtigkeit ist u.a. gegeben, wenn der Vorstand bei der Festsetzung des Kapitalerhöhungsbetrages einen erheblich zu weiten Spielraum erhält oder die Frist für die Durchführung der Kapitalerhöhung wesentlich zu lang festgesetzt und deshalb die Grenze zum genehmigten Kapital überschritten wird.[76] Hierbei sollten jedoch Verstöße geringerer Qualität – jedenfalls im Falle zu langer Durchführungsfristen – nur eine Anfechtbarkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses zur Folge haben.[77] Auch ein auf eine Unterpari-Emission gerichteter Kapitalerhöhungsbeschluss ist nichtig.[78]
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Ein Verstoß gegen das Gebot, bei ausstehender Einlage keine Kapitalerhöhung durchzuführen (§ 182 Abs. 4 S. 1), führt weder zur Nichtigkeit noch zur Anfechtbarkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses, da lediglich eine Ordnungsvorschrift verletzt ist.[79]
1.5 Sacheinlagen
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Bei der Kapitalerhöhung durch Sacheinlage wird die für die Kapitalerhöhung maßgebliche Vorschrift des § 182 AktG durch § 183 AktG ergänzt. Nach Auffassung der Rechtsprechung[80] und auch heute wohl noch überwiegender Ansicht in der Literatur[81] sind auf die Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der AG in das Handelsregister weiterhin die Vorschriften über die Nachgründung gem. § 52 AktG analog anzuwenden. In diesem Zusammenhang ist die 10-%-Grenze analog § 67 S. 3 UmwG nicht auf das bisherige, sondern auf das erhöhte Grundkapital anzuwenden.[82] Die Nachgründungsprüfung ist hierbei darauf beschränkt, die Erreichung des Nennbetrags der ausgegebenen Aktien zu verifizieren. Eine darüber hinausgehende volle Angemessenheitsprüfung erfolgt nicht.[83]
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Unklar ist nach wie vor, wann die Zwei-Jahres-Frist des § 52 Abs. 1 AktG bei der Verwendung einer Mantel-AG zu laufen beginnt. Nach vorzugswürdiger Ansicht soll dies mit der wirtschaftlichen Aktivierung, d.h. der Tätigkeitsaufnahme durch die Mantel-AG der Fall sein.[84]
1.5.1 Begriff und Gegenstand der Sacheinlage
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