Handbuch des Aktienrechts. Hans-Peter Schwintowski
Liegt keine Zustimmung des Aufsichtsrates vor und führt der Vorstand die Kapitalerhöhung trotzdem durch, so sind die durchgeführten Maßnahmen im Außenverhältnis wirksam.[608] Dies gilt vor allem für die mit den Aktionären abgeschlossenen Zeichnungsverträge. Bei der fehlenden Zustimmung des Aufsichtsrats handelt es sich um eine fehlerhafte Geschäftsführung durch den Vorstand, die das Außenverhältnis nicht berührt[609] und ihn dem Risiko einer Schadensersatzpflicht aussetzt.
3.3.6 Durchführung der Kapitalerhöhung
271
Für die Zeichnung der neuen Aktien bestimmt § 203 Abs. 1 AktG die Anwendung der Regelungen für die ordentliche Kapitalerhöhung.[610] Im Zeichnungsschein ist als Datum der Kapitalerhöhung i.S.v. § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 AktG der Tag anzugeben, an dem die Ermächtigung des Vorstands im Handelsregister eingetragen wurde (§ 203 Abs. 1 S. 2 AktG). Wann die Zeichnung unverbindlich i.S.v. § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AktG ist, kann die HV in ihrem Ermächtigungsbeschluss festlegen. Ist eine solche Festlegung nicht getroffen worden, kann dies der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats tun.[611]
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Ebenso wie im Rahmen der ordentlichen Kapitalerhöhung sind nach der Zeichnung der Aktien die Mindesteinlagen einzufordern und zu leisten (§§ 203 Abs. 1, 188 Abs. 2, 36, 36a AktG). An dieser Stelle unterscheidet sich das genehmigte Kapital vom bedingten Kapital, bei dem der Zeichner zur Vorleistung verpflichtet wird[612] und die Erbringung einer Mindesteinlage nicht ausreichend ist.[613]
3.4 Anmeldung und Eintragung ins Handelsregister
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Die Schaffung des genehmigten Kapitals ist grds. unverzüglich nach der Beschlussfassung durch die HV zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.[614] Da sich die Kapitalerhöhung durch die Ausnutzung der Ermächtigung durch den Vorstand erst sukzessive zu einem späteren Zeitpunkt oder auch unter Umständen gar nicht vollzieht, können die Durchführung der Kapitalerhöhung und der Kapitalerhöhungsbeschluss nicht zusammen eingetragen werden.[615] Anzumelden nach § 181 AktG ist daher zunächst nur der Ermächtigungsbeschluss, der zugleich Satzungsänderung ist.
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Die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung selbst erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt. Dazu ist zunächst erforderlich, dass alle ausgenutzten Aktien aus dem genehmigten Kapital (bzw. der jeweiligen Tranche) gezeichnet und die Leistung der Mindesteinlagen erfolgt ist (§§ 203 Abs. 1, 188 AktG). Erst dann können Vorstand und Aufsichtsrat die Durchführung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister anmelden. Gem. §§ 203 Abs. 1, 189 AktG wird die Kapitalerhöhung erst mit der Eintragung ihrer Durchführung in das Handelsregister wirksam. Der Beschluss des Vorstands zur Durchführung der Kapitalerhöhung kann bis zum Zeitpunkt der Eintragung zurückgenommen werden.[616] Nach erfolgreicher Eintragung kann der Vorstand dann die neuen Aktien ausgeben (§§ 203 Abs. 1 S. 1, 191 AktG).
3.5 Fehler bei der Kapitalerhöhung
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Bei der Schaffung genehmigten Kapitals können bei jedem Schritt der Kapitalerhöhung Fehler auftreten. Jeder dieser Fehler bei der Kapitalerhöhung stellt grds. ein Eintragungshindernis für das Registergericht dar.[617]
276
Fehler hinsichtlich der ordnungsgemäßen Ermächtigung des Vorstands führen zur Nichtigkeit der abgeschlossenen Zeichnungsverträge. Dies gilt, wenn gar keine Ermächtigung des Vorstands erfolgt, diese nichtig oder angefochten oder durch Zeitablauf erloschen war oder wenn der Vorstand über den von der HV genehmigten Kapitalerhöhungsbetrag hinausgegangen ist.[618]
277
Das Registergericht muss in diesen Fällen die Eintragung in das Handelsregister ablehnen.[619] Erfolgt dennoch eine Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister, ist nach neuerer, zutreffender Ansicht die Kapitalerhöhung nach der Eintragung nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam anzusehen und entsprechend abzuwickeln.[620]
278
Bei Verstößen des Vorstands gegen die Inhalte der Ermächtigung ist die Eintragung durch den Registerrichter wegen der Fehlerhaftigkeit der Kapitalerhöhung ebenfalls abzulehnen.[621] Da es sich jedoch insoweit im Ergebnis nur um für das Innenverhältnis maßgebliche Verstöße gegen die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands handelt, wird die Kapitalerhöhung mit der Eintragung in Fällen dieser Art vollständig wirksam.[622]
3.6 Berichtigung der Satzung
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Nach Wirksamwerden der Kapitalerhöhung wird die bisherige Satzung unrichtig. In der Praxis wird der Aufsichtsrat gem. § 179 Abs. 1 S. 2 AktG regelmäßig zur Neufassung der Satzung ermächtigt.
5. Kapitel Kapitalmaßnahmen › II. Erhöhung des Grundkapitals › 4. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln
4.1 Grundfragen/Übersicht
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Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist keine Maßnahme der Kapitalbeschaffung, da der AG dabei kein neues, von außen zugeführtes Kapital zufließt. Sie ist jedoch eine echte[623] Kapitalerhöhung, da sich durch sie das Grundkapital der AG erhöht. In materieller Hinsicht wird ausschüttungsfähiges Kapital der Gesellschaft in gebundenes Grundkapital umgewandelt.[624] Es entstehen neue Mitgliedschaftsrechte der bisherigen Aktionäre der Gesellschaft.[625]
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Der mit der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verfolgte wirtschaftliche Hintergrund kann vielfältiger Natur sein. Mit ihr kann eine wirtschaftliche Stärkung der Gesellschaft mit Außenwirkung gegenüber Banken und Lieferanten beabsichtigt sein, da durch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Grundkapital stärker gebunden wird als in Kapital- oder Gewinnrücklagen.[626] Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln kann als Mittel der Dividendenpolitik eingesetzt werden, da durch die Erhöhung des dividendenberechtigten Aktienkapitals die Dividende pro Aktie sinkt.[627] Ebenso können mit der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln psychologische Auswirkungen auf den Kapitalmarkt beabsichtigt sein. Durch die Ausgabe weiterer Aktien sinkt der Börsenkurs der AG, was zu einer verbesserten Handelbarkeit der Aktie der Gesellschaft führt.[628] Durch die Erhöhung der Aktienkapitalziffer und die wirtschaftliche Stärkung der Gesellschaft verbessert sich der Gläubigerschutz, was wiederum zu einer verbesserten Kreditwürdigkeit der Gesellschaft führt.[629]
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Eine Verbindung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit anderen Kapitalmaßnahmen kann nach h.M. nicht in einem einheitlichen Beschluss dergestalt verbunden werden, dass der Kapitalerhöhungsbetrag zum Teil aus Einlagen von neuen Aktionären und zum Teil aus Kapital- oder Gewinnrücklagen erbracht wird.[630] Dies folgt aus der Tatsache, dass es sich bei der regulären Kapitalerhöhung und der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln um rechtlich völlig verschiedene Vorgänge handelt.[631] Eine solche kombinierte Kapitalerhöhung kann nicht durchgeführt werden, ohne dass durch die Durchführung der einen Art zwingende Vorschriften der anderen Art verletzt werden.[632] Sie ist deshalb unzulässig. Etwas anderes gilt für getrennte Beschlussfassungen in derselben HV, soweit die jeweiligen Voraussetzungen für die Durchführung jeder einzelnen Kapitalerhöhung eingehalten werden.[633]
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