Arztstrafrecht in der Praxis. Klaus Ulsenheimer

Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer


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Verteidigung für die PJ‚lerin geltend, ihr sei nach Maßgabe des Vertrauensgrundsatzes die fehlerhafte Medikation nicht zuzurechnen, weshalb gegen sie auch kein Schuldvorwurf zu erheben sei. Dem folgte die Staatsanwaltschaft und stellte das Ermittlungsverfahren gegen die PJ‚lerin gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.

7.

      Der Student im praktischen Jahr hatte einem Säugling, der an akuter myeloischer Leukämie erkrankt war, fehlerhaft ein für die orale Gabe bestimmtes Antibiotikum intravenös injiziert. Das 9 1/2 Monate alte Kind starb infolgedessen an einem anaphylaktischen Schock. Kurz vor der Medikation hatte sich der PJ‚ler mit einer Krankenschwester über einen Tal-Berg-Spiegel für das Antibiotikum Refobacin unterhalten. Nachfolgend war er bei dem Säugling mit einer Blutabnahme beschäftigt, als die Krankenschwester eine Spritze in das Zimmer brachte. Der PJ‚ler hielt den milchigen Inhalt der unbeschrifteten Spritze für das Antibiotikum Refobacin, weshalb er es in einen zentralvenösen Zugang injizierte. Tatsächlich enthielt die Spritze „Cotrim-K-Saft“, der zur oralen Gabe bestimmt war. Der angeklagte Student meinte, er habe einen „Gesamtauftrag“ zum anstehend erforderlichen Behandlungsagieren, und die Schwester habe geäußert: „Hier ist das Medikament“. Demgegenüber bekundete die Krankenschwester als Zeugin, der PJ‚ler habe lediglich den Auftrag zur Blutentnahme gehabt, und bei ihrem Hinzutreten habe sie hinsichtlich der mitgebrachten Spritze geäußert: „Hier ist das orale Antibiotikum“.

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      Zwei konkrete Beispiele für den Delegationsausschluss seien hier genannt:

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      Ein zweites Beispiel: Da sämtliche Anästhesieverfahren einschließlich der Lokalanästhesie als risikoreiche Eingriffe in die körperliche Integrität des Patienten ausschließlich dem Arzt vorbehalten sind, darf der Medizinalassistent als „Noch-nicht-Arzt“ eine Narkose nur zu Lernzwecken unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung eines Facharztes vornehmen. Es wäre deshalb ein Delegationsverschulden, wenn der Leitende Arzt ihm die eigenverantwortliche und selbstständige Durchführung des Narkoseverfahrens übertrüge.

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      Das Delegationsverbot ärztlicher Aufgaben auf nichtärztliche Mitarbeiter gilt im Bereich des Arztvorbehalts selbst dann, wenn es sich um fachlich gründlich ausgebildete und persönlich zuverlässige, eventuell (z.B.) langjährig auf der betreffenden Anästhesiestation tätige Pflegekräfte handelt. Diese können allerdings zu Hilfstätigkeiten herangezogen werden, zum Beispiel, um den Patienten und das Narkose- bzw. Beatmungsgerät zu überwachen. Stets und unabdingbar muss hier jedoch gewährleistet sein, dass der zuständige Anästhesist im Falle der geringsten Änderung der Situation sofort eingreifen kann.

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      Insbesondere stellt sich das Problem der sog. Parallelnarkose:


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