Arztstrafrecht in der Praxis. Klaus Ulsenheimer

Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer


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Nachtdienst eingeteilten Assistenzarztes fehlten, durfte der Oberarzt sich auf seine Nachricht, dem Patienten gehe es gut, verlassen und darauf vertrauen, dass er weisungsgemäß jede Verschlechterung der Blut- und Kreislaufwerte mitteilen werde. Der Oberarzt wurde daher mit Recht freigesprochen[240].

      (b) Chefarzt – Stationsarzt

      284

      Beispiel:

      Bei den Aufnahmeuntersuchungen im Krankenhaus durch die Stationsärzte wurde die Mehrlingschwangerschaft der Patientin nicht bemerkt. Nach der Geburt eines gesunden Sohnes erhielt sie auf Anweisung eines Stationsarztes Methergin injiziert, das die Sauerstoffversorgung des noch im Mutterleib befindlichen zweiten Kindes beeinträchtigte, so dass dieses dadurch schwere, nicht mehr behebbare Hirnschäden erlitt.

      Der Chefarzt war auch berechtigt, die weitere Betreuung der Patientin dem Stationsarzt zu übertragen, da er davon ausgehen durfte, dass eine „unproblematische Einlingsgeburt aus Schädellage bevorstehe“. Die selbstständige Leitung einer solchen Geburt, die somit gerade keinen Problemfall darstellte und sich bis zur fehlerhaften Injektion von Methergin auch nicht zu einem solchen entwickelte, durfte er dem Stationsarzt überlassen, den er für „sehr zuverlässig“ hielt und der bereits „130 normale Geburten selbstständig betreut und beendet hatte, ohne dass es zu Komplikationen gekommen wäre“, der also kein reiner Berufsanfänger mehr war. Dass dieser Stationsarzt die Injektion von Methergin anordnen würde, ohne sich zuvor zu vergewissern, ob die Fruchthöhle leer war, konnte der Chefarzt nicht vorhersehen. Die hierzu erforderlichen Feststellungen waren durch Abtasten des Mutterleibes leicht zu treffen, ihre Notwendigkeit drängte sich zudem dadurch auf, dass die Bauchdecke der Patientin nach der erfolgten Geburt des Kindes weiterhin gewölbt war.

      (c) Oberarzt – Assistenzarzt

      285

      Beispiel:

      Im Rahmen eines gegen zwei Anästhesisten geführten Verfahrens wegen fahrlässiger Tötung war eine Patientin entweder infolge einer Fehlintubation oder infolge eines nicht mehr beherrschbaren Bronchospasmus gestorben, was trotz Einschaltung von fünf hochkompetenten Sachverständigen letztlich nicht exakt geklärt werden konnte. Bezüglich der von ihm als Anästhesisten zu treffenden Maßnahmen berief sich der Assistenzarzt auf den „überlegenen Sachverstand des von ihm zugezogenen Oberarztes“. Dennoch sah das Landgericht Marburg auch den Assistenzarzt als eigenverantwortlich für die Nichtausschöpfung aller Überprüfungsmöglichkeiten an und führte aus:

      (d) Leitender Arzt – Assistenzarzt

      286

      Auf der anderen Seite wird von den Gerichten ein Auswahl- bzw. Überwachungsverschulden des Leitenden Arztes und damit dessen Sorgfaltswidrigkeit bejaht, wenn er einen überbeanspruchten Krankenhausarzt zum nächtlichen Bereitschaftsdienst einteilt bzw. dagegen nicht einschreitet und diesem dann ein Behandlungsfehler mit tödlicher Folge unterläuft.

      Beispiel:

      (e) Chefarzt/Oberarzt – nachgeordnete Ärzte

      287

       „Der Schutz des Patienten erfordert es, dafür Sorge zu tragen, dass keine durch vorangegangenen Nachtdienst übermüdeten Ärzte zum Operationsdienst eingeteilt werden… Entgegen der Ansicht der Revision kann sich der Krankenhausträger nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei allein Sache des die Operation übernehmenden Arztes, darüber zu entscheiden,


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