Recht im E-Commerce und Internet. Jürgen Taeger

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dem Umstand Rechnung tragen, dass AGB typischerweise ein abstraktes, modulierbares Grundgerüst bilden, welches von den Parteien durch konkrete Vereinbarung für den einzelnen Vertrag angepasst werden kann.26 Da aber die ständige Anpassung der einzelnen Klauseln mit unverhältnismäßigen Mühen verbunden wäre, werden häufig mündliche Vereinbarungen getroffen, die dann auch – gesetzlich in § 305b BGB zum Ausdruck kommend – Vorrang genießen sollen.27 Zu beachten bleibt dabei, dass § 305b BGB nur dann Relevanz entfaltet, wenn die individuellen Vereinbarungen auch tatsächlich im Widerspruch zu den AGB stehen. Dies ist durch Auslegung der fraglichen Klausel und der Individualabrede zu ermitteln. Bloß ergänzende oder klarstellende Abreden überlagern die AGB entsprechend nicht.28

       8. Verbot überraschender Klauseln

      § 305c Abs. 1 BGB enthält das Verbot sogenannter „überraschender“ Klauseln. Demnach werden AGB nicht Vertragsbestandteil, wenn der Verwendungsgegner aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Vertrages nicht mit solchen AGB zu rechnen braucht. Der Unterschied zur Intransparenz der Klausel nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB liegt darin, dass der Verwendungsgegner die Klausel unabhängig von ihrem Inhalt als solche nicht wahrnehmen konnte, wohingegen eine intransparente Klausel zwar wahrnehmbar, aber inhaltlich nicht verständlich ist.30

      12 Ähnlich Kutlu, AGB-Kontrolle bei stationärer Krankenhausaufnahme, 2006, S. 46. 13 Zur Änderung von AGB mit den Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks über ein Pop-Up-Fenster siehe OLG Dresden, Beschl. v. 19.11.2019 – 4 U 1471/19, K&R 2020, 229. 14 LG Essen, Urt. v. 13.2.2003 – 16 O 416/02, MMR 2004, 49. 15 LG Essen, Urt. v. 13.2.2003 – 16 O 416/02, MMR 2004, 49, 50. 16 Erstmals Löhnig, NJW 1997, 1688, 1688f.; dem wird in der Literatur bis heute gefolgt, vgl. etwa Föhlisch, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, 2021, Kap. 13.4 Rn. 115. 17 Roloff, in: Erman, BGB, 2014, § 305 Rn. 37. 18 LG Osnabrück, Urt. v. 10.11.1995 – 2 O 60/94, CR 1996, 227; LG Bielefeld, Urt. v. 30.10.1991 – 1 S 174/90, NJW-RR 1992, 955; Brinkmann, BB 1981, 1183, 1183ff.; Lachmann, NJW 1984, 405, 408; Mehrings, BB 1998, 2373. 19 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 9.5.2007 – 6 W 61/07, K&R 2007, 417. 20 Janal, NJW 2016, 3201, 3202. 21 OLG Hamm, Urt. v. 20.5.2010 – I-4 U 225/09, K&R 2010, 591. 22 LG Berlin, Urt. v. 9.5.2014 – 15 O 44/13, K&R 2014, 544, wonach der Messenger-Dienst WhatsApp seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen in deutscher Sprache anbieten muss. Siehe dazu auch Ernst, jurisPR-ITR 22/2014 Anm. 5. 23 So schon Drexl, in: Lehmann, Rechtsgeschäfte im Netz, 1998, S. 75, 95f.; auch Köhler/Fetzer, Recht des Internet, 2016, Rn. 253; einschränkender Waltl, in: Lehmann, Internet- und Multimediarecht, 1999, S. 185, 193f. Siehe auch BGH, Urt. v. 10.3.1983 – VII ZR 302/82, NJW 1983, 1489, wonach keine Übersetzung von fremdsprachigen AGB erforderlich ist, wenn die Verhandlungssprache Deutsch ist. Fraglich ist aber, ob die Nutzung einer Website, die aus Bildern und wenigen Wörtern besteht, mit der Nutzung einer Verhandlungssprache gleichgesetzt werden kann. 24 So früher der BGH, wonach unter Anwendung von § 150 Abs. 2 BGB die zuletzt verwendeten AGB Vertragsbestandteil geworden sein sollten, vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1955 – II ZR 210/54, NJW 1955, 1794. 25 Westphalen, in: Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 2019, Teil Vertragsrecht, Vertragsabschlussklauseln – Einbeziehung, Rn. 55 m.w.N. 26 Basedow, in: MüKo-BGB, 2019, § 305b Rn. 1 mit weiteren Nachweisen bis tief in das 20. Jahrhundert. 27 Basedow, in: MüKo-BGB, 2019, § 305b Rn. 1. 28 Basedow, in: MüKo-BGB, 2019, § 305b Rn. 2. 29 BGH, Urt. v. 10.5.2007 – VII ZR 288/05, NJW 2007, 3712; Urt. v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203; Urt. v. 15.2.1995 – VIII ZR 93/94, NJW 1995, 1488; kritisch dazu Noack/Kremer, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2020, § 125 Rn. 65f. 30 Teilweise wird zu Unrecht auf eine mangelnde Trennschärfe von Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und überraschender Klausel (§ 305c Abs. 1 BGB) wegen gleicher Zweckrichtung verwiesen, etwa Niebling, NJ 2019, 103. 31 Insoweit richtig Niebling, NJ 2019, 103. 32 So ausdrücklich OLG Hamm, Beschl. v. 29.1.2010 – I–20 U 200/09, BeckRS 2012, 15952. 33 So etwa geschehen in einem Fall des AG München, Urt. v. 16.1.2007 – 161 C 23685/06, Zusammenfassung abrufbar unter Becklink 213620, in welchem die Nutzung eines Online-Angebots zur Schätzung der Lebenserwartung nur innerhalb der AGB als kostenpflichtig deklariert wurde.

       IV. Verwenderfeindliche Auslegung von AGB

      Sofern dies noch nicht im Rahmen der §§ 305b und 305c BGB erfolgt ist, sind die AGB inhaltlich auszulegen. Maßgebend für die Auslegung ist § 305c Abs. 2 BGB. Demnach sind AGB grundsätzlich verwenderfeindlich auszulegen. Dies darf aber nicht zu dem Trugschluss führen, dass man an dieser Stelle die Klausel so auslegt, dass diese den Verwendungsgegner möglichst wenig einschneidend trifft. Vielmehr ist an dieser Stelle (zunächst) eine maximal verwenderfreundliche Auslegung vorzunehmen, also diejenige Auslegungsvariante zu wählen, die den Verwendungsgegner am stärksten beschneidet.34

      Diese Auslegungsvariante ist dann anhand der §§ 307ff. BGB einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. So kann der Verwendungsgegner umfänglich vor einer unzulässigen, für ihn ungünstigen Interpretation der Klausel bewahrt werden. Außerdem trägt dies dazu bei, dass Verwender von AGB diese klar und eindeutig formulieren, um die Folgen der Inhaltskontrolle


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