Handbuch Umwandlungsrecht. Andreas Kühn
eine Genehmigungsbedürftigkeit vor, ist auf jeden Fall zu beachten, dass bei einseitigen Rechtsgeschäften § 1831 BGB gilt, mit der Folge, dass eine vorherige Genehmigung durch das Familiengericht erforderlich ist, da ohne das Vorliegen der Genehmigung die einseitige Erklärung unwirksam ist. Unter diese einseitigen Erklärungen fallen die im Umwandlungsrecht teilweise vorgesehenen Verzichtserklärungen und Zustimmungserklärungen der Gesellschafter. Bei den Beschlussfassungen gilt die Stimmabgabe als eine besondere Art des mehrseitigen Rechtsgeschäftes, als Sozialakt der körperschaftlichen Willensbildung.[148] Auf die Beschlussfassung ist daher § 1829 BGB anzuwenden, d.h. nachträgliche Genehmigung durch das Familiengericht ist möglich, der Beschluss ist solange schwebend unwirksam.
f) Auswirkungen auf Vertragsverhältnisse
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Für die Vertragsbeteiligten einer Umwandlung ist es wichtig zu prüfen, ob durch den Eintritt der Wirkungen des Umwandlungsvorgangs Änderungen in übergegangenen und/oder bestehenden Verträgen eintreten können. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf sog. „Change-of-control-Klauseln“ hingewiesen, welche in Dauerschuldverhältnissen zu dem Zwecke aufgenommen werden, dass eine oder beide Vertragsparteien Kündigungs-, Rücktritts- oder sonstige Lösungsrechte vom Vertrag haben sollen, falls bei einer Vertragspartei die Mehrheitsbeteiligung sich ändert. Die bei solchen Klauseln erforderliche Definition für die Änderung der Mehrheitsbeteiligung wird i.d.R. auch auf Umwandlungsvorgänge bezogen, durch welche ein außenstehender Dritter eine bestimmte Beteiligungsschwelle, i.d.R. 50 % überschreitet. Solche Klauseln sind häufig in Miet-, Erbbaurechts- und Vertriebsverträgen zu finden. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr muss man davon ausgehen, dass auch eine in AGB enthaltene change-of-control-Klausel in der Regel wirksam ist.[149] Die Ausübung der Rechte aus dieser Klausel unterliegt jedoch im Hinblick auf das Schikaneverbot und den Grundsatz von Treu und Glauben einer richterlichen Kontrolle. Die Ausübung muss darin begründet sein, dass die Umwandlung in die Belange des Berechtigten eingreift.[150] Wegen der möglichen Auswirkung von Umwandlungsvorgängen auf Unternehmensverträge vgl. 3. Kap. Rn. 49, 4. Kap. Rn. 52, 5. Kap. Rn. 42. Zu beachten und in die Gestaltungsüberlegungen einzubeziehen ist auch, dass trotz der im Rahmen der Umwandlung eintretenden Gesamtrechtsnachfolge beim übertragenden Rechtsträger verschiedene ausländische Rechtsordnungen dem nicht an der Umwandlung beteiligten Vertragspartner des übertragenden Rechtsträgers auch ein gesetzliches Kündigungsrecht unter bestimmten Voraussetzungen zugestehen.
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Durch § 324 UmwG wird ausdrücklich im UmwG festgestellt, dass § 613a Abs. 1, 4–6 BGB durch die Eintragung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung unberührt bleibt. Der Wortlaut des § 613a BGB hatte durch den Bezug auf die Übertragung eines Betriebes „durch Rechtsgeschäft“ Raum für Diskussion gelassen, ob § 613a BGB auch auf Fälle der Universalsukzession anwendbar ist. Der Gesetzgeber hat die Anwendbarkeit in Übereinstimmung mit der EG-Richtlinie 77/187/EWG bei der Abfassung von § 324 UmwG unterstellt. Dies wurde durch die Rechtsprechung auch alsbald bestätigt.[151] § 324 UmwG enthält eine Rechtsgrundverweisung. Die Umwandlung ist nicht der gegenüber dem Betriebsübergang speziellere Tatbestand. Deshalb muss auch in Umwandlungsfällen eigenständig geprüft werden, ob ein Betriebs(teil)-übergang vorliegt. Ein Betrieb oder Betriebsteil kann u.U. schon vor Eintritt der Wirkung einer Umwandlung durch Rechtsgeschäft (z.B. Verpachtung oder Nutzungsüberlassung) auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen sein.[152] Beim Formwechsel wird die Anwendbarkeit des § 613a BGB einhellig abgelehnt, da es beim Formwechsel am Betriebsinhaberwechsel fehlt.[153] Daher ist der Formwechsel in § 324 UmwG auch nicht erwähnt.
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Bei den Spaltungsvorgängen stellt sich im Zusammenhang mit § 613a BGB die Frage, inwieweit eine Zuordnung der Arbeitsverhältnisse zum übertragenen Unternehmensteil gem. § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG vorgenommen werden kann. Es ist nunmehr einhellige Meinung, dass bei Übertragung von Betrieben oder Betriebsteilen durch Spaltung § 613a BGB als zwingende Vorschrift des BGB vorrangig ist, d.h. eine Zuordnung der Arbeitsverhältnisse für die an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger grundsätzlich nicht disponibel ist.[154] Wird dagegen verstoßen ist die Spaltung nach Eintragung trotzdem wirksam (§ 131 Abs. 2 UmwG). Es bestehen jedoch Ansprüche des fehlerhaft zugeordneten Arbeitnehmers gem. § 615 BGB. Ob eine Zuordnung nach objektiven Kriterien zutreffend vorgenommen worden ist, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung. Lediglich für den Sonderfall, dass anlässlich einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung ein Interessenausgleich über eine Betriebsänderung i.S.d. §§ 111 ff. BetrVG zustande kommt, in dem diejenigen Arbeitnehmer namentlich bezeichnet sind, die nach der Umwandlung einem bestimmten Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet werden, kann die Zuordnung der Arbeitnehmer durch das Gericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 323 Abs. 2 UmwG).[155] In Fällen, in denen einzelne Arbeitnehmer nach objektiven Kriterien nicht eindeutig bestimmten Betrieben oder Betriebsteilen zugeordnet werden können (z.B. ein Springer, der in mehreren Betriebsteilen eingesetzt worden ist), wird eine im Umwandlungsvertrag durch namentliche Bezeichnung vorgenommene Zuordnung nach sachlichen Kriterien für zulässig gehalten.[156] Wird bei einer Spaltung der Tatbestand des § 613a BGB ausnahmsweise einmal nicht erfüllt und werden Arbeitsverhältnisse von den am Spaltungsvorgang beteiligten Rechtsträgern frei zugeordnet, ist strittig, ob die Arbeitnehmer das Recht haben, dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse zu widersprechen. Bei einer durch Landesgesetz angeordneten Überleitung von Arbeitsverhältnissen von einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft auf eine neue rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts hatte das BAG ein Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer verneint.[157] Das BVerfG hat darin jedoch eine Verletzung des Grundrechts der Arbeitnehmer auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 GG gesehen.[158] Die verfassungsrechtliche Verankerung des Widerspruchsrechts spricht dafür, es auch in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge außerhalb des Anwendungsbereichs des § 613a BGB zu gewähren.
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Die Folge des Widerspruchs eines Arbeitnehmers gem. § 613a BGB ist, dass das Arbeitsverhältnis zum übertragenden Rechtsträger bestehen bleibt. Wird der Widerspruch erst nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs aber noch innerhalb der Monatsfrist nach § 613a Abs. 6 BGB erklärt, wirkt er auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück. Ob der bisherige Inhaber des übergegangenen Betriebs oder Betriebsteils das zurückbleibende Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigen kann, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Kündigungsschutzrechts.[159] Wird ein Betriebsteil ausgegliedert, kann sich ein widersprechender Arbeitnehmer im Restbetrieb des übertragenden Rechtsträgers in vollem Umfang auf die Grundsätze der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG berufen. Auf einen sachlichen Grund für die Erklärung des Widerspruchs kommt es dabei nicht an.[160] Bei Umwandlungsvorgängen, durch welche der übertragende Rechtsträger erlischt, besteht zwar kein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB, jedoch ein Recht des Arbeitnehmers, sein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen (§ 626 Abs. 1 BGB).[161]
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Als eine Kuriosität kann die Vorschrift des § 323 Abs. 2 UmwG angesehen werden. Sie bestimmt, dass im Falle der Zuordnung von Arbeitsverhältnissen, welche im Rahmen des Interessenausgleichs gem. § 112 BetrVG zulässig ist, die Zuordnung des Arbeitnehmers durch das Arbeitsgericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Da jedoch ein Interessenausgleich eine rein schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist, die keine „dingliche“ oder normative Wirkung für den Übergang des Arbeitsverhältnisses hat, wird durch § 323 Abs. 2 UmwG die Wirkung des Interessenausgleichs im Umwandlungsfall erheblich gesteigert.[162] Durch die nach herrschender Meinung vorrangige Anwendung von § 613a BGB ist aber der Anwendungsbereich des § 323 Abs. 2 UmwG auf die nicht durch § 613a BGB eindeutig zuordenbaren Arbeitsverhältnisse eingeschränkt, vgl. hierzu auch 4. Kap. Rn. 26 ff. Eine hiermit vergleichbare Vorschrift ist in § 125 InsO enthalten.
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