Handbuch Umwandlungsrecht. Andreas Kühn

Handbuch Umwandlungsrecht - Andreas Kühn


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Rechtsträger nicht an den beim übertragenden Rechtsträger einschlägigen Tarifvertrag gebunden, kommt die Auffangregelung des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB zum Zuge. Gehört der übernehmende Rechtsträger einem anderen Arbeitgeberverband an, so gilt der mit diesem geschlossene Tarifvertrag gem. § 613a Abs. 1 S. 3 BGB für die übergegangenen Arbeitnehmer des übertragenden Rechtsträgers nur dann, wenn eine beiderseitige Tarifbindung (aufgrund Mitgliedschaft der Arbeitnehmer bei der am Tarifvertrag beteiligten Gewerkschaft oder Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags) besteht.[185] Die einseitige Gebundenheit des übernehmenden Rechtsträgers an einen anderen Tarifvertrag genügt nicht, um einen Tarifwechsel herbeizuführen. Zudem können die Individualarbeitsverträge Bezugnahmen auf die vom übertragenden Rechtsträger einschlägigen Tarifverträge enthalten. Solche Bezugnahmeklauseln gehören zu den individualrechtlichen Regelungen, in die der übernehmende Rechtsträger nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB eintritt und die ggf. als günstigere Regelung der Anwendung eines beim übernehmenden Rechtsträger einschlägigen schlechteren Tarifvertrags vorgehen können (§ 4 Abs. 3 TVG). Normen eines beim übertragenden Rechtsträger geltenden Tarifvertrags können nicht durch Normen von beim übernehmenden Rechtsträger geltenden Betriebsvereinbarungen abgelöst werden. § 613a Abs. 1 S. 3 BGB begründet nicht die Möglichkeit einer solchen „Überkreuzablösung“.[186]

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      Eine Verschmelzung führt bei einem Firmentarifvertrag dazu, dass der übernehmende Rechtsträger aufgrund der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 angeordneten Universalsukzession in die Stellung des übertragenden Rechtsträgers als Tarifvertragspartei eintritt.[187] Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die kollektivrechtliche Bindung an einen Haustarifvertrag auch im Falle einer Ausgliederung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen kann. Da bei der Ausgliederung der übertragende Rechtsträger weiter existiert, bleibt grundsätzlich auch dessen Bindung an den selbst abgeschlossenen Haustarifvertrag bestehen. Eine Doppelung der Tarifbindung ist nicht möglich. Denkbar erscheint eine ausdrückliche Zuweisung der Tarifgebundenheit im Spaltungsplan[188] Entfällt die kollektivrechtliche Geltung des Firmentarifvertrages, kommt die Auffangregelung des § 613a Abs. 1 S. 2–4 BGB zum Zuge.

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      Folgender Fragenkatalog sollte zur arbeitsrechtlichen Vorbereitung eines Umwandlungsvorgangs zumindest abgeklärt werden:

- Welche arbeitsrechtlichen Betriebe werden bei der einzelnen Gesellschaft geführt?
- Wie viele Arbeitnehmer sind bei der einzelnen Gesellschaft beschäftigt?
- Welche Arbeitnehmervertretungen bestehen (Betriebsräte auf betrieblicher Ebene, Gesamtbetriebsrat und Wirtschaftsausschuss auf Unternehmensebene, Konzernbetriebsrat)?
- Ist mit der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung eine Änderung der betrieblichen Struktur geplant?
- Welche Gesellschaften sind in welcher Weise tarifgebunden? (Welche aktuellen Mitgliedschaften bestehen in Arbeitgeberverbänden? Gibt es frühere Mitgliedschaften, wann wurden diese ggf. beendet? Gelten allgemeinverbindliche Tarifverträge, Firmentarifverträge oder Ergänzungstarifverträge?)
- Zwischen welchen Gesellschaften bestehen Beherrschungsverträge?

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      Bei Umwandlungsvorgängen müssen die kartellrechtlichen Vorgaben hinsichtlich deren Zulässigkeit beachtet werden. Umwandlungen können der deutschen Zusammenschlusskontrolle gem. §§ 35 ff. GWB[189] oder der europäischen Fusionskontrolle nach der FKVO[190] unterliegen. Vor Freigabe eines Zusammenschlusses durch die Kartellbehörden darf ein Umwandlungsvorgang nicht vollzogen werden (sog. Vollzugsverbot, § 41 Abs. 1 S. 1 GWB). Der Verstoß gegen das Vollzugsverbot führt nach § 41 Abs. 1 S. 2 GWB zur (schwebenden) Unwirksamkeit des Umwandlungsvorgangs; zusätzlich können von den Kartellbehörden Bußgelder verhängt werden. Dabei handelt es sich nicht um ein rein theoretisches Risiko. Verstöße gegen das kartellrechtliche Vollzugsverbot werden von den Kartellbehörden regelmäßig geahndet. Eine bereits vollzogene, aber unzulässige Umwandlung kann im Extremfall nach § 41 Abs. 3 S. 1 GWB wieder aufzulösen sein. Die zivilrechtliche Unwirksamkeitsfolge eines Verstoßes gegen das Vollzugsverbot gilt nach § 41 Abs. 1 S. 3 GWB allerdings nicht für Verträge über die Umwandlung, Eingliederung oder Gründung eines Unternehmens und für Unternehmensverträge i.S.d. §§ 291 und 292 AktG, sobald sie durch Eintragung in das Handels- oder Genossenschaftsregister rechtswirksam geworden sind. Um einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot zu verhindern, ist bei kartellrechtlich relevanten Umwandlungsvorgängen daher eine aufschiebende Bedingung zu vereinbaren, durch welche der jeweilige Umwandlungsvorgang erst mit kartellrechtlicher Zulässigkeit (i.d.R. durch Genehmigung der Kartellbehörden) wirksam wird.[191] Bis zum Bedingungseintritt sollte auf die tatsächliche Einflussnahme auf die Geschäftsdisposition des anderen Unternehmens verzichtet werden, da die wirtschaftliche Wirkung eines Zusammenschlusses bereits und damit ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot durch faktische Handlungen eintreten kann. [192]

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      Ist die FKVO nicht anwendbar (etwa weil die Umsatzschwellen nicht erreicht werden) und kommt auch eine Verweisung eines Zusammenschlusses an die EU-Kommission nicht in Betracht, ist die fusionskontrollrechtliche Zulässigkeit eines Zusammenschlusses ggf. nach verschiedenen nationalen Fusionskontrollordnungen zu beurteilen. Das anwendbare Recht kann in einem solchen Fall nur für jedes Land gesondert bestimmt werden. Ein Zusammenschluss kann somit in einem Land, in dem keiner der beteiligten Rechtsträger seinen Sitz hat, allein aufgrund des Erreichens der dortigen im Einzelfall teilweise sehr unterschiedlich ausfallenden Umsatz- und/oder Marktanteilsschwellen anzumelden sein. Die parallele Durchführung von mehreren Fusionskontrollverfahren in verschiedenen Ländern (sog. multi-jurisdictional filing) ist mit einem erheblichen organisatorischen, zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden und muss sorgfältig vorbereitet und koordiniert werden.

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      Für die notarielle Beurkundung ergeben sich bei Umwandlungsfällen einige Besonderheiten, die aus dem UmwG und aus den Besonderheiten des jeweiligen Gesellschaftsrechts resultieren. Es ist zu beachten, dass für die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens kostenrechtliche Aspekte berücksichtigt werden müssen, was bei Umwandlungsfällen, die häufig hohe Geschäftswerte zugrunde liegen haben, von erheblicher Bedeutung sein kann, vgl. hierzu die Ausführungen in Rn. 57 ff.

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      Der Notar hat dafür Sorge zu tragen, dass die Registeranmeldungen mit allen erforderlichen Unterlagen fristwahrend beim Registergericht eingereicht werden; dies gehört zu seinen Amtspflichten nach § 53 BeurkG. Außerdem ist er gerade bei Umwandlungsvorgängen in der Regel von allen Beteiligten mit der Einreichungs- und Vollzugstätigkeit als eine sonstige Betreuung i.S.v. § 24 BNotO beauftragt, weshalb für diese Tätigkeit auch nicht im Verhältnis zu anderen an der Umwandlung Beteiligten die Subsidiaritätsklausel greift, § 19 Abs. 1 S. 2 HS 2 BNotO.[193] Für die fristwahrende Einreichung gilt nach der wohl h.M. in Literatur und Rechtsprechung folgender Grundsatz:

- Alle Unterlagen, welche das Registergericht durch Zwischenverfügung nachfordern kann, können ohne die Fristwahrung zu schädigen nachgereicht werden.[194] Einigkeit besteht, dass auf jeden Fall der Umwandlungsvertrag, -plan und die erforderlichen Zustimmungsbeschlüsse
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