Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch
Weise. Kreditversicherer und Banken werden nicht direkt involviert. Hier geht es vielmehr darum, vorbereitet zu sein, falls es Fragen geben sollte. Diese Fragen sollten pro-aktiv vorab bestimmt und beantwortet werden, so dass das Management diese im Bedarfsfall beantworten kann. Hierzu sollte das TMO entsprechende Fragen- und Antwortlisten bereitstellen und jegliche Kommunikation koordinieren. Anwälte werden unter Umständen in Spezialsituationen, wie z.B. Mitarbeiterabbau, beteiligt, weswegen diese bei Bedarf eingebunden werden sollten. In diesem Fall gilt dann das Prinzip der Transparenz.
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Kunden und Lieferanten werden im Rahmen der „Get Healthy“-Phase häufig direkt betroffen sein. Die Kunden werden durch die Aufstellung eines neuen Vertriebsansatzes Veränderungen i.d.R. relativ schnell merken. Gegebenenfalls kann es zu Preiserhöhungen kommen, wenn diese zum Beispiel auf Grund angepasster Produktpolitik als notwendig erachtet werden. Im Prinzip geht es darum, durch die Maßnahmen die Kunden zielgerichteter zu betreuen. Jegliche kommunikative Verbindung zum Turnaround ist eher kontraproduktiv. Einer ähnlich gelagerten Kommunikation bedarf es bei den Lieferanten. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass diese Gruppe aufgefordert wird, im Rahmen der „Get Healthy“-Phase zur Effizienzsteigerung beizutragen. Auch hier geht es nicht primär um Effizienz, sondern darum, wie man ein partnerschaftliches Kunden-Lieferanten-Verhältnis langfristig gewährleisten kann.
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In Summe ist das Stakeholder-Management in der „Get Healthy“-Phase herausfordernd, aber sehr wichtig. Viele Unternehmen tendieren dazu, in dieser Phase lediglich von Effizienzsteigerungen zu sprechen anstatt vom großen Ganzen. Wenn dies geschieht, ist der Pro-Active Turnaround von Anfang an in Gefahr, da es später nahezu unmöglich ist, den positiven Ansatz der Phasen „Get Strong“ und „Get Business“ argumentativ den Stakeholdern näherzubringen.
2.3 „Get Strong“-Phase
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Wie erwähnt, sollte man in der „Get-Healthy“-Phase die Kommunikation statt auf Effizienz auf die positiven Maßnahmen der Folgephasen fokussieren. Hilfreich hierfür ist es, frühzeitig einen Plan für die „Get Strong“-Phase zu erstellen und diesen auch schon während der „Get Healthy“-Phase zu vermitteln. Sobald dieser Plan erstellt ist, sollte er mit den Eigentümern abgestimmt werden, um deren Unterstützung zu erhalten.
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Je näher der Übergang zwischen den beiden Phasen rückt, umso intensiver muss das Management kommunizieren, vor allem um die Arbeitnehmer(-vertreter) für das Projekt zu gewinnen und deren Unterstützung für die geplanten Maßnahmen zu gewinnen. Es ist zudem entscheidend, die Mitarbeiter immer wieder zu motivieren. Man kann in vielen Organisationen beobachten, dass nach Abschluss einer Effizienzsteigerungsmaßnahme eine Erholungsphase eingeplant wird. Für ein erfolgreiches PAT-Programm ist dies allerdings nicht förderlich, da Prozesse gestärkt und ausstehende Effizienzsteigerungsmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Hierfür muss rechtzeitig Verständnis geschaffen werden.
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Die wesentlichen Arbeiten mit den Betriebsräten und Gewerkschaften sind mit der „Get Healthy“-Phase abgeschlossen. Jedoch sollte vor allem der Betriebsrat auch in der „Get Strong“-Phase weitereingebunden werden und als Sparringspartner dienen.
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Kunden und Lieferanten sollten automatisch in einer neuen Art und Weise betreut werden, die die erreichten positiven Veränderungen in den Vordergrund der Kommunikation stellt. Über die Kanäle Vertrieb, Produktion und Einkauf sollte sich „herumsprechen“, dass das Unternehmen einen Sprung nach vorne gemacht hat. Auch das Management kann durch Besuche bei den wesentlichen Kunden und Lieferanten von den Veränderungen berichten und den Plan für die kommenden Jahre vorstellen.
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In dieser Phase ist es sinnvoll, Kreditversicherer und Banken aktiv über die Veränderungen im Unternehmen zu informieren. Diese sind mit großer Wahrscheinlichkeit durch Dritte über die Effizienzmaßnahmen informiert worden und von daher an genaueren Informationen interessiert, um anstehende Kreditentscheidungen unterstützen zu können. Auf jeden Fall sollte das Management bei Meetings mit diesen Stakeholdern auf die vielfältigen und positiven Veränderungen des Unternehmens hinweisen.
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Zusammenfassend lässt sich zu dieser Phase sagen, dass es vor allem Aufgabe des Managements mit Unterstützung der Eigentümer ist, die Stakeholder-Gruppen motiviert und informiert zu halten. In vielen Turnarounds wird das Stakeholder-Management in dieser Phase unterschätzt, da Unternehmen nach einer anstrengenden „Get Healthy“-Phase Ruhe wollen. Das ist verständlich, aber kontraproduktiv. Turnarounds sind nicht in einem Jahr zu meistern, weshalb das PAT-Konzept auch einen Zeitraum von mindestens drei Jahren ansetzt.
2.4 „Get Business“-Phase
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Die Stakeholder-Management-Ansätze für Unternehmensleitung, Eigentümer und Arbeitnehmer(-vertreter) sind in dieser Phase ähnlich gelagert wie zuvor. Da es in der „Get Business“-Phase um Wachstum geht, sollte sich allerdings der Ton der Kommunikation ändern. Das Management und die Eigentümer sollten die Dynamik aus den Phasen zuvor nutzen, um die Mitarbeiter für die Zukunft zu motivieren. Sie sollten aber auch darauf achten, dem Thema Effizienz weiterhin Beachtung zu schenken. Jedes Unternehmen sollte auch in Wachstumsphasen daran arbeiten, effizienter und schlagkräftiger zu werden, da Effizienzgewinne und daraus entstehende, zusätzliche liquide Mittel in das weitere Wachstum des Unternehmens investiert werden können.[29]
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Hinsichtlich Banken und Kreditversicherern ändert sich das Stakeholder-Management in dieser Phase. Dies ist vor allem damit zu erklären, dass anorganisches Wachstum finanziert und bearbeitet werden muss. Insofern sollten das Management und die Eigentümer offen die Erfolge des PAT ansprechen und den Finanzierungspartnern erklären, warum es nun wichtig ist, das Wachstum des Unternehmens zu stärken.
2.5 Zusammenfassung
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Der Ansatz für das Stakeholder-Management des PAT ist in allen Phasen auf die jeweiligen, über die Zeit variierenden, Bedürfnisse der Stakeholder ausgerichtet. Der gemeinsame Nenner besteht darin, dass es Aufgabe des Managements und der Eigentümer ist, die Stakeholder durch den Turnaround zu führen. Entsprechend kommt der Führungsrolle des Managements und der Eigentümer im PAT eine entscheidende Rolle zu. Voraussetzung für diese Führung ist die absolute Überzeugung von der Richtigkeit des Turnaround-Programms und das Festhalten daran. Dies bedeutet nicht, dass die einzelnen Aktivitäten des PAT im Verlauf des Programms nicht angepasst werden können. Auch wenn das ausgearbeitete Konzept in seinen Grundzügen und Ausrichtung beibehalten werden sollte, kann es in Nuancen noch verändert werden.
3. Fallbeispiel
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Der im Folgenden geschilderte Fall skizziert exemplarisch einige Facetten des Stakeholder-Managements innerhalb eines Pro-Active Turnarounds. Es geht darum aufzuzeigen, wie Stakeholder-Management in einzelnen Situationen betrieben werden kann, anstatt es in Gänze zu beleuchten.
3.1 Das Unternehmen und die Ausgangssituation
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Das betroffene Unternehmen ist ein Marktteilnehmer in der Mineralölindustrie auf dem afrikanischen Kontinent. Mehrheitseigner des börsennotierten Unternehmens ist eine europäische börsennotierte Holding. Minderheitsaktionäre existieren und sind bekannte, afrikanische Investitionsfonds.
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Die Firma ist Marktführer in ihren Segmenten und seit vielen Jahrzehnten am Markt vertreten.