Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch
Zeitpunkt mit sehr hoher Liquidität an den Kapitalmärkten, nachweislich seine Ergebniserwartungen nicht erfüllt und Marktanteile verliert, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass über den Kapitalmarkt die Finanzinvestitionen innerhalb des Oligopols zu einem anderen Spieler verschoben werden und damit die Krise beschleunigt wird. Um diesem Teufelskreis zu entkommen, kann ein disruptiver Turnaround das probate Mittel sein.
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Ein möglicher Ansatz für eine derart disruptive Veränderung ist zum Beispiel der Pro-Active Turnaround (PAT). Der PAT zielt darauf ab, das Stakeholder-Management in Turnaround-Situationen zu optimieren. Er wird nur dann angewandt, wenn sich das Unternehmen in der richtigen Konstellation der drei Faktoren (siehe oben) befindet. Die wesentlichen Vorteile des Pro-Active Turnarounds liegen in der Frühzeitigkeit, dem holistischen Ansatz sowie der vollumfänglichen Berücksichtigung aller Interessengruppen.
Abb. 4: Vorteile des Pro-Active Turnaround (PAT)
Die folgende Darstellung stellt die vier Phasen des PAT vor (Abb. 5):
Abb. 5: Pro-Active Turnaround Ansatz
- | Get Ready: In dieser Phase wird das Turnaround-Konzept erstellt und gleichzeitig werden bestimmte, wichtige Stakeholder-Gruppen an Bord geholt. Das Konzept wird in den folgenden Phasen als Ankerpunkt für das Stakeholder-Management und die damit einhergehende Kommunikation genutzt. |
- | Get Healthy: Nach der „Get Ready“-Phase wird das Unternehmen bewusst durch einen disruptiven Veränderungsprozess geführt. Der wesentliche Fokus liegt auf der Effizienzsteigerung. Gleichzeitig wird der Vertriebs- und Marketingbereich neu aufgesetzt, um den Absatz anzukurbeln. |
- | Get Strong: Nachdem das Unternehmen in der „Get Healthy“-Phase sehr stark verändert wurde, muss nun sichergestellt werden, dass sich die Organisation und die Prozesse wieder ordnen können, während letzte Effizienzmaßnahmen umgesetzt werden. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Bereichen des Unternehmens, die den Kunden bedienen, wie z.B. Vertrieb, Vertriebsinnendienst, Call Center sowie Marketing und Produktmanagement. |
- | Get Business: Die letzte Phase des PAT ist hauptsächlich dem Thema Wachstum gewidmet, damit sich das Unternehmen am Markt wieder als valider Wettbewerber beweisen kann. |
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Für einen erfolgreichen Turnaround sind alle vier Phasen des PAT gleichermaßen wichtig. Während die „Get Ready“-Phase die „Burning Platform“ schafft und erklärt, warum es eine „Get Healthy“- und „Get Strong“-Phase geben muss, beantwortet die „Get Business“-Phase die Frage, was das finale Ergebnis des PAT sein wird. Diese Logik besteht nur dann, wenn ein PAT-Programm durch alle Phasen läuft. Das Weglassen einzelner Phasen oder das vorzeitige Beenden des Programms führen nicht nur zu unbefriedigenden Ergebnissen, sondern vor allem auch zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust bei den Stakeholdern.
2. Stakeholder-Management im ganzheitlichen Phasenmodell und Ansätze zum Ausgleich der Stakeholder-Interessen
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Nachfolgend werden für jede Phase des PAT die einzelnen Stakeholder-Gruppen und deren Zusammenspiel beleuchtet. Aus Vereinfachungsgründen wird darauf verzichtet, die Stakeholdergruppe Berater anzuführen, da diese Gruppe im gesamten PAT-Prozess anwesend ist und das Management bzw. die Eigentümer bei der Konzeption und Implementierung des PAT unterstützt.
2.1 „Get Ready“-Phase
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In dieser Phase sind vor allem die Stakeholder Eigentümer[28] und Management sowie Mitarbeiter bzw. Betriebsrat/Gewerkschaften wichtig. Die Eigentümer und/oder das Management beauftragen den Pro-Active Turnaround. Hierbei ist es wichtig, dieser Stakeholdergruppe von Anfang an klarzumachen, dass der PAT ein Mehrjahresprogramm ist. Sie müssen hinter der Konzeption des Programms stehen, da es für alle Folge-Phasen als Leitfaden für den Umgang mit den übrigen Stakeholder-Gruppen dient. Die Erkenntnisse des Konzeptes sind oftmals für Eigentümer bzw. Management schwierig zu verarbeiten, denn die Analyse offenbart die Schwachstellen des Unternehmens. Vor allem das Management muss diese akzeptieren. Um die Akzeptanz zu erreichen, ist es unabkömmlich, von Anfang an die Eigentümer und Manager mit größtmöglicher Transparenz auf die Schwachstellen hinzuweisen. Dies erfordert nicht nur Sachverstand, sondern insbesondere ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz. Je früher das Management eingebunden ist, desto einfacher wird es, die übrigen Mitarbeiter für das Projekt zu gewinnen und den Gesamtprozess zu steuern. Deshalb findet im PAT-Ansatz am Ende der „Get Ready“-Phase ein mehrtägiger Workshop statt, indem die wichtigsten Führungskräfte, der Kreis ist großzügig zu definieren, informiert und beteiligt werden können.
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In dieser Phase ist es erfolgskritisch, die Angestellten von der Notwendigkeit des PAT zu überzeugen. Nicht die Ausdetaillierung der Mehrjahresplanung, sondern das „Warum“ muss im Fokus der Kommunikation stehen, denn die Mitarbeiter selbst müssen das Programm über einen langen Zeitraum umsetzen. Es ist herausfordernd, aber essentiell, eine (in diesem Fall nicht offensichtliche) „Burning Platform“ zu schaffen. Arbeitnehmer können meist nicht nachvollziehen, warum am Anfang des Prozesses eine disruptive Effizienzsteigerungsphase („Get Healthy“) steht, um langfristig Wachstum erzeugen zu können. Zudem befürchten viele, dass es zu einem Stellenabbau kommt, der sie selbst betrifft, weshalb die frühe Einbindung und Akzeptanz des Führungspersonals so wichtig ist. Denn es sind vor allem sie, die aktiv auf die Betriebsräte zugehen, um auch diesen den Hintergrund des Mehrjahres-PAT zu erklären. Dabei können bevorstehende Veränderungsprozesse rechtzeitig angekündigt werden, sodass Betriebsräte als Vermittler die Unternehmensleitung unterstützen können, denn sie sind Vertrauenspersonen, die einen großen Einfluss auf die Arbeitsmoral und -stimmung innerhalb einer Organisation haben.
2.2 „Get Healthy“-Phase
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Zu Beginn dieser Phase geht es darum, die wesentlichen restlichen Stakeholder ins Boot zu holen, wobei dies auf unterschiedliche Weise geschieht. Erster Schritt der „Get Healthy“-Phase sollte sein, die Mitarbeiter, Betriebsräte und evtl. Gewerkschaften im Detail über das Turnaround-Konzept zu informieren. Dies geschieht natürlich unter Beachtung der arbeitsrechtlichen Gegebenheiten. Damit diese Kommunikation stringent und durchgehend eingehalten werden kann, ist es wichtig, dass alle beteiligten Manager die gleiche Sprache sprechen und in ihren Schilderungen konsistent sind. Es ist sinnvoll, dass es für involvierte Führungskräfte Sprachzettel mit den wesentlichen Fragen und Antworten gibt. Genauso wichtig ist es, dass Fragen, die nicht beantwortet werden können, an das Turnaround-Management-Office (TMO) zur Beantwortung weitergereicht werden. Das TMO übernimmt auch die regelmäßige Kommunikation vis-a-vis den Stakeholdern. Regelmäßig heißt in diesem Zusammenhang nicht unbedingt oft, sondern dass die Kommunikation zu fixierten Meilensteinen auch wirklich erfolgt.
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