Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch
Situationsanalyse verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und im Dialog ein Verständnis über die Partikularinteressen und Handlungsoptionen der teilweise im Konflikt zueinanderstehenden Stakeholdergruppen zu bekommen. Dabei wird sich die, in der Regel wenig krisenerprobte, Unternehmensleitung plötzlich mit Sonderabteilungen der Banken (Workout-Banker) und Kreditversicherern auseinandersetzen müssen. Auf Grund der unternehmensseitig häufig gering ausgeprägten Restrukturierungserfahrung herrscht schnell ein Ungleichgewicht zwischen den Parteien.[7]
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Meist sind Unternehmensleitung und Manager in der ersten Führungsebene mit der neuen Situation überfordert. Zudem ist das Vertrauen zwischen den Stakeholdern, aber auch aller Stakeholder zum Management durch die Situation beeinträchtigt, gerade auch weil das existierende Management für die mangelnde Transparenz und die schwache Kommunikation in der Vergangenheit verantwortlich gemacht wird. In diesen Fällen ist es oft sinnvoll, die Geschäftsleitung durch einen externen Chief Restructuring Officer (CRO) zu ergänzen, der als neutraler Makler zwischen den Stakeholder-Interessen im Sinne einer erfolgreichen Sanierung des Unternehmens agiert, ohne dass er für die Vergangenheit verantwortlich gemacht werden kann.
3. Bedeutung eines CRO bei der Restrukturierung
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Der Restrukturierungsprozess in einem Unternehmen in der Krise erfordert spezifisches Fachwissen, spezielle Kompetenzen und zusätzliche Kapazität für die gestiegene Anforderung einer vollumfassenden Berichterstattung über Situation der Finanzen und Fortschritt bei der Maßnahmenimplementierung. Diese Spezifika sprechen für den Einsatz eines spezialisierten „Krisenmanagers“ für den sich auch im deutschsprachigen Raum mittlerweile der Begriff des „Chief Restructuring Officer“ oder kurz „CRO“ etabliert hat. Dabei bezeichnet der Begriff gemeinhin eine temporäre (Organ-) Verantwortlichkeit, die von einem auf Restrukturierungen spezialisierten Interimsmanager übernommen wird, in dessen Funktion sämtliche Aufgaben gebündelt sind, die ein gesamtheitliches Krisenmanagement umfassen – von der Realisierung der strukturellen und operativen Maßnahmen, über die kontinuierliche Kommunikation mit den Stakeholdern bis hin zur Verhandlung einer Refinanzierung.
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Ein CRO kann als beratende Kraft für die Unternehmensleitung tätig sein oder in einer Organfunktion eingesetzt werden. Bei letzterem kommt dem Restrukturierungsspezialisten ein maßgeblicher Einfluss auf die Gestaltung der Restrukturierung zu, während er in beratender Tätigkeit an die Unternehmensleitung berichtet. In einer Organfunktion kann der CRO mit einer größeren Einflussnahme und Unabhängigkeit den Prozess eigenverantwortlich vorantreiben. In der Praxis wird oftmals mit externer Unterstützung ein Restrukturierungskonzept erstellt, das Maßnahmen zur Kostensenkung aber auch zur strategischen Neuausrichtung umfasst und den Stakeholdern als Entscheidungsgrundlage für die nächsten Schritte dient. Häufig machen Finanzierungspartner die Einsetzung eines CRO zur Voraussetzung für eine weitere (finanzielle) Begleitung in der Restrukturierungsphase.
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Eine der wesentlichen Aufgaben des CRO ist die aktive Kommunikation mit allen Stakeholdern über den Stand der Restrukturierung aber auch zur Verhandlung der individuellen Sanierungsbeiträge. Dabei ist die Tätigkeit des CRO im Sinne einer schnellen und nachhaltigen Sanierung des Unternehmens klar umsetzungsgetrieben. Während sich die Unternehmensleitung weiter um das operative Tagesgeschäft kümmert, konzentriert sich der CRO vollumfänglich auf den Erfolg der Restrukturierung, indem er das Restrukturierungskonzept umsetzt und die dort vorgesehenen Stakeholderbeiträge einfordert.
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In vielen Fällen gehört die Simulation von Insolvenzszenarien ebenfalls zum Aufgabengebiet des CRO, der kein Jurist mit insolvenzrechtlicher Spezialisierung sein muss, aber doch in der Regel mit dem aktuellen Stand und den wesentlichen Anforderungen des Insolvenzrechts vertraut sein sollte. In Zusammenarbeit mit den rechtlichen Beratern des Unternehmens ist er damit in der Lage, sachgerechte Handlungsstrategien zu entwickeln. Auch wenn die Restrukturierung nicht im Rahmen einer Insolvenz geführt wird, ist die genaue Kenntnis der wirtschaftlichen Stellung der jeweiligen Stakeholder in einer potenziellen Insolvenz wesentlich. Nur so können die Verhandlungen für einen Ausgleich der Interessen aller Stakeholder vor einer potenziellen Insolvenz effektiv geführt werden.
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Führungskräfte, die intensiv in ihr jeweiliges Tagesgeschäft eingebunden sind, finden in der Regel nicht die Zeit, spezifische insolvenzrechtliche Entwicklungen zu verfolgen. Gerade auch deswegen bringt der Einsatz eines entsprechend versierten Fachmanns einen evidenten Nutzen für die Führung des Unternehmens in der Krise.
III. Stakeholder-Management als zentrale Aufgabe in einer Restrukturierung
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Als Stakeholder werden i.d.R. alle Parteien bezeichnet, die auf Handlungen eines Unternehmens Einfluss haben oder die durch die Handlungen beeinflusst werden.[8] Diese auch als Bezugsgruppen bezeichneten Akteure sind im Wesentlichen Eigentümer, Kreditgeber, das Management, Arbeitnehmer(-vertreter), Kunden, Lieferanten und Kreditversicherer. Daneben gibt es weitere Stakeholder wie z.B. Debt-Investoren oder Politiker, die innerhalb einer Restrukturierung auch eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen können.[9] All diese verschiedenen Akteure verfolgen eigene (oft divergierende) Interessen, welche in einen gesunden Einklang gebracht werden müssen. In einer Krisensituation, in der für einige Stakeholder „Alles“ auf dem Spiel stehen kann, ist es besonders wichtig, sich über die relevanten Gruppen, deren Interessen sowie potenzielle Konfliktherde Klarheit zu verschaffen. Denn alle Stakeholder müssen einen Beitrag für das Gelingen der Restrukturierung leisten, und dies sind sie nur gewillt zu tun, wenn auch ihre Interessen, zumindest in einem ihrer Machtposition entsprechendem Maße, gewahrt bleiben.
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Ein vom Management ohne Berücksichtigung dieser verschiedenen Gruppen erstelltes operatives und finanzwirtschaftliches Restrukturierungskonzept birgt ein hohes Risiko des Scheiterns und das bereits in einem sehr frühen Stadium. Primärer Fokus der auf Unternehmensseite involvierten Manager und Restrukturierungsberater muss daher sein, die einzelnen Stakeholder und deren Interessen – sowohl in Richtung des Unternehmens als auch untereinander – frühzeitig zu identifizieren, zu verstehen und mögliche Handlungsalternativen zu definieren sowie verschiedene Szenarien abzuwägen.[10]
„Stakeholder Management is at the core of a turnaround: it is the engine oil that allows the turnaround process to occur.” [11] |
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Im Folgenden sind die wesentlichen Grundfragestellungen des Stakeholder-Managements in der Unternehmenskrise zusammengefasst. Dieses Kapitel beantwortet daher die folgenden Fragestellungen:
- | Wer sind die wesentlichen Stakeholder-Gruppen des sich in der Krise befindlichen Unternehmens und was sind ihre jeweiligen Interessen? (Abschnitt 1) |
- | Welche Konflikte können sich aufgrund divergierender Interessenslagen der Stakeholder während einer Restrukturierung auftun? (Abschnitt 2) |
- | Welche Fallstricke ergeben sich häufig während der Restrukturierung durch mangelhaftes Stakeholder-Management und wie kann man diese vermeiden bzw. adressieren (Goldstandards bzw. Best Practices)? (Abschnitt 3) |
1.1 Eigenkapitalgeber
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Eigenkapitalgeber sind von einer Unternehmenskrise in doppelter Hinsicht betroffen: Zum einen ist