Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch

Unternehmenssanierung, eBook - Guido Koch


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Mängel im Risikoüberwachungs-/Risikomanagementsystem, - schwierigste Verhältnisse zwischen den Leitenden des Unternehmens oder - Unzuverlässigkeit der Unternehmensleitung.

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      Neben den o.g. Negativmerkmalen werden solche Risiken durch ein Bilanzbonitätsrating nicht erfasst, die durch die Periodenabgrenzung zeitlich nicht im analysierten Jahresabschluss erfasst wurden. Diese Risiken sind ebenfalls gesondert zu beurteilen. Hierzu zählen z.B. Risiken aus laufenden Gerichtsprozessen oder Risiken die sich aus besonderen den Unternehmensbestand gefährdenden Geschäftsvorfällen nach dem Bilanzstichtag ergeben (könnten).

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      Erst durch die zusätzliche Beurteilung der (qualitativen) Negativmerkmale und der mittels des Bilanzbonitätsratings ermittelten Bestandsfestigkeit kann das Risiko der künftigen Entwicklung des Unternehmens adäquat bestimmt werden.

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      Der wesentliche Nachteil der Bottom-up-Ansätze – sowohl der operativen als auch der strategischen Ansätze – liegt in ihrer subjektiven und u.U. nicht vollständigen Erfassung der existenzbedrohenden Risiken eines Unternehmens. Bottom-up-Ansätze – für sich separat betrachtet – erfüllen nicht die an ein Krisenfrüherkennungssystem gestellten Anforderungen der Objektivität und Ganzheitlichkeit. Diese Anforderungen lassen sich aber mit den modernen Verfahren der Jahresabschlussanalyse Top-down-Ansätzen erfüllen, denn mit ihnen kann ein objektives Gesamturteil über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens gebildet werden.

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      Die Bilanzbonitätsratings bedürfen allerdings der zusätzlichen Berücksichtigung der Negativmerkmale. Die sich aus den Negativmerkmalen ergebenden Risiken werden aber gerade durch die Bottom-up-Ansätze erfasst und bewertet. Ein Bottom-up-Ansatz kann diese Lücke in der Informationsauswertung der Top-down-Ansätze schließen. Top-down-Ansatz und Bottom-up-Ansatz ergänzen sich also in idealer Weise.

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      Das Ergebnis zeigt, dass sich Bottom-up- und Top-down-Ansatz nicht ausschließen, sondern sie sind die unbedingt zusammengehörenden Komponenten jedes Krisenfrühwarnsystems.

V. Auswirkungen der Krise

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      In einem Unternehmen reduziert sich mit einer Verschärfung einer Krise die für die Abwehr der Krisenursachen verbleibende Zeit. Entscheidungen müssen unter Zeitdruck getroffen werden. Solche Entscheidungen werden oft mit einer schwächeren Informationsbasis begründet, weil für eine hinreichende Informationsbeschaffung Zeit und Ressourcen fehlen. Hierdurch steigt die Gefahr von Fehlentscheidungen. Außerdem nimmt der Handlungsspielraum der Unternehmensleitung mit dem Krisenverlauf ab (vgl. Rn. 17).

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      In der Krise verändert sich die Zielsetzung des Unternehmens. Häufig werden riskantere, aber angeblich rentablere Entscheidungsalternativen realisiert, um das oben genannte erste finanzielle Ziel „Geld verdienen“ wieder zu realisieren. Auf diese Weise wird versucht, bereits eingetretene Verluste durch erhoffte höhere Erträge aus riskanteren Geschäften auszugleichen. Mit diesem Streben nach höherer Rentabilität wird aber – aufgrund des höheren Risikos – das zweite finanzielle Ziel, „die Verdienstquelle zu sichern“, erheblich beeinträchtigt. Tatsächlich sollte sich das Unternehmen vor allem darum bemühen, eine Überschuldung bzw. eine Illiquidität abzuwenden, um das Überleben des Unternehmens kurzfristig zu sichern. In einer solchen Lage lässt sich indes das ursprünglich gesetzte finanzielle Ziel des „Geldverdienens“ zumindest vorübergehend nicht weiterverfolgen.

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      Um eine (drohende) Überschuldung abzuwenden, konzentrieren sich kriselnde Unternehmen vor allem auf die Kostenreduktion. Kosten lassen sich – anders als Erlöse – durch das Unternehmen stärker und schneller beeinflussen. Allerdings werden dabei oft überlebenswichtige Forschungs- und Entwicklungs- aber auch Marketing- und Personalqualifikationsaufwendungen reduziert oder gänzlich eingespart, was relativ kurzfristig Ertragsminderungen zur Folge hat.

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      Zur Sicherung der Liquidität versuchen kriselnde Unternehmen, Einnahmen vorzuziehen und Ausgaben zeitlich nach hinten zu verschieben (liquiditätspolitische Maßnahmen). Durch den Verkauf von Vermögen bzw. von Segmenten können liquide Mittel generiert werden. Indem Investitionen unterlassen bzw. verschoben werden oder desinvestiert wird oder Instandhaltungsmaßnahmen auf ein Minimum reduziert werden, lässt sich die Zahlungsfähigkeit kurzfristig verbessern. Diese Maßnahmen sind vor allem geeignet, die kurzfristige Liquiditätslage des Unternehmens zu verbessern. Sie laufen indes dem zweiten Unternehmensziel „Geld verdienen“ regelmäßig zuwider und sind daher mittel- bis langfristig oft nachteilig für das Unternehmen, z.B. wenn infolge von Investitionsstopps die künftigen Kundenwünsche nicht (mehr) befriedigt werden können.[162]

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      In den Rn. 11–81 wurde deutlich, dass eine Krise ein Prozess ist, der in der Regel durch eine Vielzahl von Ursachen ausgelöst wird. Diese Ursachen können einander verstärken bzw. weitere Krisenursachen auslösen (mehrstufige Ursache-Wirkungsbeziehungen). Aus diesem Grund stellen die Auswirkungen einer (beginnenden) Krise in der Regel gleichzeitig Ursachen der (sich verschlimmernden) Krise dar.

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      In Kapitel 4 wurde zunächst dargelegt, dass Unternehmertum ohne Risiko undenkbar ist, da das Ergreifen einer Chance immer zugleich bedeutet, dass Risiken eingegangen werden. Unternehmen befinden sich daher auch in guten Zeiten stets in einer potenziellen Krise (vgl. Rn. 26). Ein Unternehmen sollte daher nicht danach streben, jegliche Risiken zu minimieren, vielmehr muss es versuchen, sein Chancen-Risiken-Profil, also das Verhältnis von ergriffenen Chancen zu den damit verbundenen Risiken, zu optimieren. Hieraus ergibt sich das Erfordernis eines angemessenen Risikomanagements im Unternehmen.

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      Dem von Ludwig Erhard geäußerten Ausspruch „Wirtschaft ist zur Hälfte Psychologie“ folgend, werden im Folgenden zwischenmenschliche, „weiche“ Auswirkungen der Krise im Unternehmen fokussiert. Hierbei wird zunächst die Bedeutung der Unternehmenskultur für die Krisenfrüherkennung betrachtet, des Weiteren werden die Auswirkungen einer Krise auf die Unternehmenskultur erläutert. Schließlich wird die Gefahr verdeutlicht, dass eine Krise infolge verzerrter Wahrnehmungen der tatsächlichen Unternehmenslage zu einer „self-fulfilling prophecy“ werden kann.

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      Ein Risikofrüherkennungssystem unterstützt die Leitungsfunktion des Top-Managements eines Unternehmens umso besser, je stärker die Mitarbeiter für die Risiken, die mit den wahrzunehmenden Chancen in Zusammenhang stehen, sensibilisiert werden und sie die für die Steuerung der Risiken vorgeplanten Prozesse anstoßen. Denn je eher ein Risiko, auf welcher Hierarchieebene bzw. in welcher Abteilung


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