Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch

Unternehmenssanierung, eBook - Guido Koch


Скачать книгу

      Im Jahr 2001 wurde das erste deutsche RiskCalc-Modell von Baetge & Partner sowie Oliver Wyman nach dem Vorbild des BBR für Moody's entwickelt. Der Entwicklungs- und Validierungsdatenbestand des deutschen RiskCalc-Modells umfasste mehr als 100 000 HGB-Jahresabschlüsse. Um das RiskCalc-Modell dabei optimal an den künftigen Anwendungsbereich anzupassen, wurden bei der Entwicklung von RiskCalc – ebenso wie beim BBR – ausschließlich Jahresabschlüsse von Unternehmen berücksichtigt, die eine jährliche Gesamtleistung von mindestens 0,5 Mio. EUR erreichen, nicht staatsabhängig sind, nicht zur Finanzdienstleistungsbranche gehören, konzernunabhängig sind und keine Besitzgesellschaften oder Bauträger sind.[154]

      208

      Für andere Länder wurde das deutsche RiskCalc-Modell in drei Schritten weiterentwickelt.[155] Auf diese Weiterentwicklungen kann hier aber nicht eingegangen werden.

      209

      Wie beim BBR wurden für RiskCalc in einem ersten Schritt 209 Kennzahlen univariat auf ihre Eignung untersucht, solvente Unternehmen von insolvenzgefährdeten Unternehmen zu trennen und um Hypothesenkonformität zu gewährleisten.

      210

      Die im ersten Schritt zur Trennung der solventen von den insolvenzgefährdeten Unternehmen als geeignet identifizierten Kennzahlen wurden im zweiten Schritt anhand des empirisch-statistischen Verfahrens, der Logistischen Regressionsanalyse, hinsichtlich ihrer besonderen Trennfähigkeit bzgl. solventer und später insolventer Unternehmen bewertet. Danach verblieben neun Kennzahlen, die als Kombination in einem optimal gewichteten ganzheitlichen logistischen Modell besonders gut dazu geeignet sind, solvente von insolvenzgefährdeten Unternehmen Jahre vor der Insolvenz zu trennen. Die optimale Gewichtung dieser neun Kennzahlen geschah mit Hilfe der 100 000 Jahresabschlüsse des Datensatzes. Danach konnte mit der logistischen Regressionsfunktion für Unternehmen, die nicht zum Entwicklungsdatensatz gehörten, anhand seiner Jahresabschlusszahlen der Gesamtwert für die Ausfallwahrscheinlichkeit berechnet werden.

      211

      Dafür war es in einem dritten Schritt notwendig, die ermittelten Scorewerte in Ausfallwahrscheinlichkeiten zu transformieren. Um die Handhabung der RiskCalc-Ergebnisse dabei noch einfacher zu gestalten, wurden die Ausfallwahrscheinlichkeiten aufgrund beobachteter historischer Ausfallraten den bekannten Moody's Ratingklassen zugeordnet. Abschließend wurde das deutsche RiskCalc-Modell an den spezifischen Anwendungsbereich der nicht-börsennotierten deutschen Unternehmen angepasst, wobei Branchenbesonderheiten berücksichtigt wurden. RiskCalc berechnet die Ausfallwahrscheinlichkeit jeweils sowohl für einen Ein-Jahreszeitraum als auch für einen Fünf-Jahres-Zeitraum.

      212

      Tab. 4 stellt die für das deutsche RiskCalc ermittelten Jahresabschlusskennzahlen mit ihren jeweiligen Definitionen dar. Diese neun Kennzahlen des RiskCalc decken die sieben Informationsbereiche des Jahresabschlusses ab, nämlich die Kapitalbindungsdauer, die Verschuldung, die Kapitalstruktur, die Finanzkraft, die Rentabilität, den Personalaufwand und das Wachstum. Die Mehrzahl der Kennzahlen berücksichtigt und neutralisiert einen Großteil der möglichen bilanzpolitischen und sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen eines Unternehmens.

      213

Tab. 4: Kennzahlen des RiskCalc[156]
Bezeichnung Informationsbereich Teillage Definition
Kapitalbindungsdauer Kapitalbindung Vermögenslage (Akzepte + Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) × 360) / Umsatz
Nettoverschuldungsquote Verschuldung (Kfr. Fremdkapital – flüssige Mittel) / Bilanzsumme
Fremdkapitalstruktur (Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen + Akzepte + Bankverbindlichkeiten) / (Fremdkapital – erhaltene Anzahlungen)
Eigenkapitalquote Kapitalstruktur (Eigenkapital – immaterielle Vermögensgegenstände) / (Bilanzsumme – immaterielle Vermögensgegenstände – flüssige Mittel – Grundstücke und Bauten)
Finanzkraft Finanzkraft Finanzlage Ertragswirt. Cashflow / (Fremdkapital – erhaltene Anzahlungen)
Umsatzrentabilität Rentabilität Ertragslage Ordentliches Betriebsergebnis / Umsatz
EBITD-ROI (Jahresüberschuss + Zinsaufwendungen + Steuern vom Einkommen und Ertrag + Abschreibungen) / Bilanzsumme
Personalaufwandsquote Aufwandsstruktur Personalaufwand / Gesamtleistung
Umsatzwachstum Wachstum Umsatz der aktuellen Periode / Umsatz der Vorperiode

      214

      Die Zusammenhänge des deutschen RiskCalc-Modells veranschaulicht Abb. 18. Angelehnt an die international etablierte Ratingskala von Moody's differenziert die RiskCalc-Ratingskala zwischen 19 mit Aaa bis C bezeichneten Ratingklassen. Unternehmen von Aaa bis Baa3 zeichnen sich durch eine Bestandfestigkeit (Solvenz- bzw. Überlebenswahrscheinlichkeit) von mind. 99 % aus (sog. Investment Grade). Unternehmen aus den Ratingklassen von Ba1 bis C signalisieren eine Existenzgefährdung (Speculative Grade).

      215

       [Bild vergrößern]

      216

      Die Probleme und Grenzen für die modernen Verfahren der Jahresabschlussanalyse sind Gegenstand des folgenden Abschnitts.

      217

      Ein modernes Verfahren der Jahresabschlussanalyse zeigt eine Bestandsgefährdung so frühzeitig an, dass Maßnahmen zur Krisenabwehr noch möglich sind. Das konnte am Bsp. des BBR anhand von vielen Anwendungen nachgewiesen werden (vgl. Rn. 195). Zwar ist die Entwicklung eines Bilanzratingsystems aufwändig, indes kann ein einmal entwickeltes System auf beliebig viele


Скачать книгу