Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer

Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer


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Eigentümer er im Grundbuch eingetragen ist, denn sein Eigentum wird nach § 891 I gesetzlich vermutet. Dem Anspruchsgegner hilft dann nur der Nachweis, der Grundbucheintrag sei falsch (RN 992). Ist dagegen der besitzende Anspruchsgegner als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, muss der Antragsteller die gesetzliche Eigentumsvermutung des § 891 widerlegen und beweisen, dass das Grundbuch unrichtig und er selbst der Eigentümer sei.

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      Anspruchsvoraussetzung ist auch der Besitz des Anspruchsgegners[34], sei es Allein- oder Mitbesitz, Eigen- oder Fremdbesitz, unmittelbarer oder mittelbarer Besitz[35]. Obwohl der Besitz nach § 854 I kein Recht, sondern eine tatsächliche Sachherrschaft ist, muss der Anspruchsteller nur den Besitzerwerb des Anspruchsgegners nachweisen, mag dieser beweisen, dass er den Besitz nach § 856 wieder verloren habe.

      Der Besitzdiener ist kein tauglicher Anspruchsgegner, denn nach § 855 besitzt er die Sache nicht. Das Gleiche gilt für den gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person[36]. Besitzer und Anspruchsgegner ist nur der Besitzherr oder die juristische Person[37].

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      Verliert der Anspruchsteller sein Eigentum an einen anderen erst nach Rechtshängigkeit der Herausgabeklage, erlischt zwar sein Herausgabeanspruch aus § 985, aber der Prozess wird nach § 265 II 1 ZPO zwischen den bisherigen Parteien fortgesetzt; das ist jedenfalls die gesetzliche Regel. Ohne Eigentum prozessiert der Kläger nunmehr in gesetzlicher Prozessstandschaft für und gegen den neuen Eigentümer (§§ 325 I, 727 ZPO).

      Abgewiesen wird die Herausgabeklage nur dann, wenn der neue Eigentümer beim Erwerb einer beweglichen Sache die Rechtshängigkeit der Herausgabeklage nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht grob fahrlässig war (§§ 265 III, 325 II ZPO mit § 932); beim Erwerb des Eigentums an einem Grundstück schadet nach § 892 I 1 nur die positive Kenntnis der Rechtshängigkeit.

4. Kapitel Das Recht des Anspruchsgegners zum Besitz

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      Nach § 986 I 1 kann der Besitzer „die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist“. Diese Formulierung bedarf der Korrektur, denn gegen seinen Wortlauf begründet § 986 I 1 nicht lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht, das der Besitzer gegenüber dem Eigentümer ausüben müsste, sondern eine anspruchshindernde Einwendung: Schon das Recht zum Besitz schließt den Herausgabeanspruch aus[38]. Das ist jedenfalls die gesetzliche Regel. Eine Ausnahme macht nur das Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 320; § 369 HGB, wenn man es als Besitzrecht gelten lässt.

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      Die Beweislast für sein Recht zum Besitz trägt der Anspruchsgegner[39]. Aber auch er muss nach allgemeiner Regel nur beweisen, dass er ein Recht zum Besitz, etwa als Nießbraucher, Vorbehaltskäufer oder Mieter, irgendwann einmal erworben habe. Denn das einmal erworbene Recht besteht solange fort, bis es nachweislich erlischt oder verloren geht. Den Verlust des Besitzrechts aber muss der Anspruchsteller beweisen.

      Streiten die Parteien aber nicht um ein Recht zum Besitz einer beweglichen Sache sondern um das Eigentum, erhebt der Anspruchsgegner, der die Sache als ihm gehörig besitzt (§ 872), keine Einwendung nach § 986 I 1, sondern macht dem Anspruchsteller das Eigentum nach § 985 streitig und hat als Eigenbesitzer die gesetzliche Eigentumsvermutung des § 1006 I 1 auf seiner Seite (RN 130).

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      Das Recht zum Besitz kann ein dingliches (Pfandrecht) oder schuldrechtliches (Mietrecht), ein familienrechtliches (eheliche Lebensgemeinschaft) oder öffentlichrechtliches (Pfändung) sein. Stets muss es gegenüber dem Eigentümer bestehen. Ein Besitzrecht nur gegenüber einem Dritten nützt dem Besitzer nichts[40].

      Direkt dem Eigentümer gegenüber wirken sowohl die vom Eigentum abgespaltenen beschränkten dinglichen Rechte als auch die mit dem Eigentümer vereinbarten schuldrechtlichen Besitzrechte.

      Bezieht der Besitzer sein Besitzrecht von einem Dritten, ist er nur dann auch gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt, wenn der Eigentümer dem Dritten erlaubt hat, die Sache weiterzugeben; dies aber versteht sich nicht von selbst, der Besitzer muss es im Streitfall nachweisen.

      Beispiele

- Ist der Vorbehaltskäufer kraft verlängerten Eigentumsvorbehalts berechtigt, die Ware, obwohl sie ihm noch nicht gehört, im regulären Geschäftsgang weiterzuveräußern, um mit dem Erlös seine Kaufpreisschuld zu bezahlen, erwirbt der Abnehmer ein Recht zum Besitz auch gegenüber dem Eigentümer, obwohl er dem Vorbehaltskäufer keinen mittelbaren Besitz vermittelt.
- Genauso ist es, wenn der Käufer das gekaufte, aufgelassene und übergebene Grundstück vor seiner Eintragung als Eigentümer weiterverkauft und seinem Käufer übergibt. Obwohl der Zweitkäufer weder eine direkte Rechtsbeziehung zum Eigentümer hat noch dem Erstkäufer mittelbaren Besitz verschafft, darf der Eigentümer das Grundstück vom Zweitkäufer nicht herausverlangen, wenn der Erstkäufer berechtigt war, das Grundstück an seinen Abnehmer weiterzugeben. Schon die Auflassung ermächtigt zur Weitergabe, solange diese den Vertragszweck nicht vereitelt (BGH NJW 97, 936).

      Hat der Eigentümer die Weitergabe der Sache nicht erlaubt, kann er vom unmittelbaren Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, nach § 986 I 2 in der Regel aber nicht an sich selbst, sondern nur an den berechtigten Vorbesitzer, damit die rechtmäßige Besitzlage wiederhergestellt werde.

      Beispiel

      Der Eigentümer E vermietet seine Eigentumswohnung an den Mieter M, dieser weiter an den Untermieter U. Ist M kraft Mietvertrags zur Untervermietung berechtigt, erwirbt auch der Untermieter U ein Recht zum Besitz gegen E (BGH NJW 2015, 229), das aber nach § 546 II mit dem Hauptmietverhältnis, von dem es abgeleitet ist, steht und fällt.

      War M nicht zur Untervermietung berechtigt, ist U zwar gegenüber M, aber nicht gegenüber E zum Besitz berechtigt und muss die Wohnung auf Verlangen des E nach § 985 herausgeben, nach § 986 I 2 aber nur an M, der nach wie vor gegenüber E zum Besitz berechtigt ist. Herausgabe an sich selbst darf E nur verlangen, wenn M den Besitz nicht mehr übernehmen kann oder will.

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      § 986 I 2 stellt zwar auf den mittelbaren Besitz ab, wie er durch ein Miet- oder Pachtverhältnis vermittelt wird, gilt aber auch dann, wenn der berechtigte Besitzer die Sache unbefugt einem Dritten überlässt, ohne ein Besitzmittlungsverhältnis nach § 868 zu begründen[41].

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- In der vordersten Reihe stehen
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