Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer

Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer


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er schon vor der Abtretung gegen den abgetretenen Herausgabeanspruch hatte. Dadurch werden die §§ 404 ff. auf den dinglichen Herausgabeanspruch anwendbar[42].

      Beispiel

      Der Bauunternehmer übereignet seinen Baukran, den er vermietet hat, nach § 931 durch Einigung und Abtretung seines mietrechtlichen Herausgabeanspruchs aus § 546 I sicherungshalber an seine Bank. Solange das Mietverhältnis besteht, hat der Mieter nach § 986 II mit § 404 ein Recht zum Besitz auch gegenüber der Bank.

      Obwohl § 986 II sich auf die Übereignung nach § 931 beschränkt, gilt er entsprechend auch für die Übereignung nach § 930 durch Einigung und Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses nach § 868, wenn der Veräußerer bereits mittelbarer Besitzer war[43].

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      Da sich der Herausgabeanspruch aus § 985 gegen den jeweiligen Besitzer richtet, erlischt er, wenn der Anspruchsgegner seinen Besitz verliert. Entweder verklagt der Eigentümer den neuen Besitzer auf Herausgabe aus § 985 oder den bisherigen Besitzer, der für den Besitzverlust einzustehen hat, auf Schadensersatz aus §§ 989, 990. Dies gilt jedenfalls für den Besitzverlust vor Erhebung der Herausgabeklage.

      Ist die Herausgabeklage hingegen erst einmal erhoben, bleibt der verklagte Besitzer nach § 265 II 1 ZPO auch dann der richtige Beklagte, wenn er den Besitz nachträglich verliert. Das rechtskräftige Urteil wirkt nach § 325 I ZPO auch für und wider den Rechtsnachfolger nach Rechtshängigkeit, und als Rechtsnachfolge gilt auch die Nachfolge in den Eigenbesitz (§ 872)[44]. Der gute Glaube wird nach § 325 II ZPO aber auch hier geschützt. Wer also beim Erwerb der streitbefangenen Sache gemäß § 892 oder § 932 sowohl in Bezug auf das Recht des Veräußerers als auch in Bezug auf die Rechtshängigkeit der Herausgabeklage im guten Glauben ist, und das ist die gesetzliche Regel, hat von dem Prozess nichts zu befürchten[45].

      Der klagende Eigentümer wird stattdessen zur Schadensersatzklage nach § 989 übergehen, was prozessual nach § 264 Nr. 3 ZPO ohne weiteres zulässig ist.

      Nach § 197 I Nr. 2 verjährt der dingliche Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 erst in 30 Jahren.

      Unverjährbar ist nach § 902 jedoch der Herausgabeanspruch des im Grundbuch eingetragenen Grundstückseigentümers[46].

      Der Eigentümer kann seinen Herausgabeanspruch trotz der langen Verjährungsfrist verwirken, wenn er ihn nach § 242 wider Treu und Glauben lange Zeit nicht geltendmacht und beim Besitzer den Eindruck erweckt, er wolle ihn nicht mehr geltendmachen[47]. Das ist jedoch eine außergewöhnliche Ausnahme für Grenzfälle[48]. Die Beweislast trägt der Besitzer als Anspruchsgegner[49].

4. Teil Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis 1. Kapitel Die Vindikationslage

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      Als Eigentümer-Besitzer-Verhältnis bezeichnet man das dingliche Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem unberechtigten Besitzer[1]. Es entsteht durch die Vindikationslage: Der Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 ist begründet, wenn der Besitzer kein Recht zum Besitz nach § 986 hat. Die §§ 987-1003 wickeln das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ab und begründen Ansprüche auf Nutzungs-, Schadens- und Verwendungsersatz[2].

      Beispiel

      Nach rechtskräftiger Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses in der Zwangsversteigerung verliert der Ersteher rückwirkend Eigentum und Besitzrecht am ersteigerten Grundstück. Durch erneuten rechtskräftigen Zuschlag erwirbt ein anderer Ersteher das Eigentum, und zwischen den beiden Erstehern entsteht ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (BGH NJW 2010, 2664).

      Das Gesetz selbst lässt keinen Zweifel daran, dass die §§ 987-1003 nur den unberechtigten Besitzer im Visier haben. Das stärkste Argument ist der gute oder böse Glaube des Besitzers, auf den die §§ 990-996 allenthalben abstellen. Anders als in den §§ 932, 936, 892, 893 bezieht sich der gute oder böse Glaube hier nicht auf das dingliche Recht des Vertragspartners, sondern auf das eigene Besitzrecht. Gut- oder bösgläubig in Bezug auf sein eigenes Besitzrecht aber kann nur der unberechtigte Besitzer sein. Für den berechtigten Besitzer hingegen spielt es rechtlich keine Rolle, ob er sich für berechtigt hält, denn er ist es.

      Die Rechtsprechung formuliert vorsichtiger und meint, dass die §§ 987 ff. „grundsätzlich“ nur für den unberechtigten Besitzer gelten[3], Ausnahmen aber nicht völlig auszuschließen seien[4]. Die Frage lautet: Wann sind die §§ 987 ff. systemwidrig auch auf den berechtigten Besitzer anwendbar (RN 153-155)?

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      Systematisches Denken stellt fest: Wo es um Nutzungs-, Schadens- oder Verwendungsersatz geht, gelangt man nur dann zu den Spielregeln der § 987 ff., wenn man den Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 bejaht und ein Besitzrecht des Besitzers nach § 986 verneint, oder wenn man den Herausgabeanspruch aus § 985 nur deshalb verneint, weil der unberechtigte Besitzer die Sache nicht mehr herausgeben kann. Ob der Besitzer Eigen- oder Fremdbesitzer ist, spielt sowenig eine Rolle[5] wie ein früheres Recht zum Besitz, das jetzt nicht mehr besteht[6].

      Dagegen ist es systemwidrig und in aller Regel durchaus falsch, die §§ 987 ff. auf den berechtigten Besitzer anzuwenden, denn sein Verhältnis zum Eigentümer ist entweder durch Vertrag geregelt oder wird durch das gesetzliche Schuldrecht der Pflichtverletzung, der ungerechtfertigten Bereicherung oder der unerlaubten Handlung bestimmt. Wer da meint, er müsse gleichwohl auch den berechtigten Besitzer den §§ 987 ff. unterstellen, muss das außergewöhnliche Bedürfnis für diese Ausnahme besonders rechtfertigen (RN 153 ff.).

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      Abgesehen davon, dass die §§ 987 ff. gelegentlich auch für und gegen den berechtigten Besitzer gelten, sind sie entsprechend anzuwenden:

- auf gewerbliche Unternehmen und freiberufliche Praxen, obwohl sie keine Sachen sind[7];
- auf die Rechtsbeziehung zwischen dem Grundeigentümer und dem Bucheigentümer[8], auch wenn er kein Besitzer ist, als Eigentümer aber zu Unrecht im Grundbuch steht und das Grundeigentum durch Bestellung eines Grundpfandrechts nach § 892 entwertet[9]. Die Rechtshängigkeit nach §§ 987, 989 wird hier nicht durch Erhebung der Herausgabeklage sondern der Grundbuchberichtigungsklage begründet[10];
- auf die Rechtsbeziehung zwischen dem dinglich Vorkaufsberechtigten und dem dritten Grundstückskäufer[11];
- auf die Rechtsbeziehung zwischen dem Vormerkungsberechtigten und dem Zwischenerwerber[12];
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