Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer

Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer


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Nießbrauch (§ 1036 I), Wohnungsrecht (§ 1093 I)) und Mobiliarpfandrecht (BGH NJW 99, 3716: gesetzl. Pfandrecht des Lagerhalters), Erbbaurecht (§ 1 ErbbauRG) und Dauerwohnrecht (§ 31 WEG), ebenso das dingliche Besitzrecht nach entschuldigtem Grenzüberbau gemäß § 912 (BGH 27, 204; NJW 2003, 3621).

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- Es folgen alle diejenigen Schuldverhältnisse zwischen Eigentümer und Besitzer, die den Besitzer zum Besitz berechtigen, wie Kauf (zwischen Übergabe und Übereignung), Miete (BGH NJW 2003, 1317), Leasing, Leihe und Pacht, Werkvertrag (Reparatur, Transport) und Verwahrung, Auftrag, Geschäftsbesorgung und berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag. Das vertragliche Besitzrecht erlischt mit dem Vertragsschuldverhältnis (BGH NJW 2006, 3488: Rücktritt vom Vertrag).

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- So ist der Vorbehaltskäufer nach Lieferung unter Eigentumsvorbehalt zum Besitz der Ware berechtigt, fraglich ist nur, ob dies noch ein schuldrechtliches oder schon ein dingliches Besitzrecht sei. Da die Lieferung unter Eigentumsvorbehalt nach §§ 929, 158 I aufschiebend bedingtes Eigentum überträgt und ein dingliches Anwartschaftsrecht begründet, weil der Verkäufer den Eigentumsübergang einseitig nicht mehr verhindern kann, spricht viel für ein dingliches Besitzrecht (OLG Karlsruhe JZ 66, 272; a.A. BGH 10, 69; offen gelassen von BGH 54, 214). Dieser Streit ist freilich ein akademischer. Wichtiger ist die Frage, wann das Besitzrecht des Vorbehaltskäufers, der den Kaufpreis nicht bezahlt, endet. Da es sich auf den kaufrechtlichen Übergabe- und Übereignungsanspruch aus § 433 I stützt, endet es erst, wenn dieser Anspruch erlischt, also nicht schon mit dem Zahlungsverzug des Käufers, sondern nach § 449 II erst mit dem Rücktritt des Verkäufers vom Kaufvertrag. Gibt der Kaufvertrag dem Vorbehaltsverkäufer das Recht, die Kaufsache unter bestimmten Voraussetzungen, etwa bei Zahlungsverzug des Käufers, einseitig zurückzunehmen, erlischt das Besitzrecht des Käufers schon mit Eintritt der vereinbarten Rücknahmevoraussetzungen (BGH 96, 182). Verweigert der Vorbehaltskäufer die Kaufpreiszahlung zu Recht wegen Verjährung, darf er die Ware nicht etwa unentgeltlich behalten, sondern muss sie nach § 985 mit §§ 216 II 2, 449 II an den Verkäufer und Eigentümer herausgeben, wenn dieser vom Kaufvertrag zurücktritt.

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- Dagegen wird das Besitzrecht des Grundstückskäufers trotz Verjährung des Übereignungsanspruchs unangreifbar, denn mit der Übergabe des Grundstücks hat der Verkäufer den Kaufvertrag teilweise erfüllt und diese Teilerfüllung lässt sich nicht mehr rückgängig machen, sondern verwandelt den Anspruch auf Übergabe aus § 433 I in ein unverjährbares Recht zum Besitz, mag der Übereignungsanspruch auch an der Verjährung scheitern (BGH 90, 269; RG 138, 296).
- Kein Recht zum Besitz erwirbt der Käufer einer Eigentumswohnung aus einem formnichtigen Kaufvertrag, es sei denn nach § 242 (BGH NJW 2002, 1050).

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- Errichtet der Mieter mit Erlaubnis des Vermieters auf dem Mietgrundstück ein Gebäude, das entgegen §§ 93, 94 nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird, sondern als Scheinbestandteil nach § 95 ins Eigentum des Mieters fällt, und gibt der Mieter nach Mietende das bebaute Grundstück zurück, verwandelt sich sein Wegnahmerecht aus § 539 II in einen dinglichen Anspruch gegen den Vermieter auf Duldung der Wegnahme. Solange der Mieter diesen Anspruch nicht geltendmacht, sind der Vermieter und sein neuer Mieter zum Besitz auch des Gebäudes berechtigt, und dieses Besitzrecht wird unangreifbar, wenn der Mieter seinen Duldungsanspruch nach § 548 II verjähren lässt (BGH 81, 146). Das Recht zum Besitz aber schließt folgerichtig ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 987 ff. aus, sodass der Mieter vom Vermieter auch keinen Nutzungsersatz nach §§ 987, 990 verlangen darf (BGH 81, 146).
- Das Besitzrecht des Grundstücksmieters erlischt durch Anordnung der Zwangsverwaltung nach § 148 ZVG (BGH NJW 2013, 1881).
- Kein vertragliches Recht zum Mitbesitz und zur Mitnutzung der gemeinsamen Wohnung im Hause des anderen hat im Zweifel der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, denn sein Besitzrecht gründet nur auf der tatsächlichen Gestattung des Eigentümers und erlischt, wenn der Eigentümer die Gestattung widerruft und die Herausgabe des Mitbesitzes verlangt (BGH NJW 2008, 2333: Leihe nur unter besonderen Umständen).

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- Aus der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353) erwächst dem Ehegatten, der mit im Haus des anderen wohnt oder dessen Hausrat mitbenutzt, wie selbstverständlich ein Recht zum unmittelbaren (Mit-)Besitz, das erst mit Rechtskraft der Scheidung erlischt, wenn nicht das Familiengericht die Benutzung von Ehewohnung oder Hausrat für die Zeit vor oder nach der Scheidung anders regelt (BGH 71, 217). Dies gilt auch gegenüber dem Vermieter der Ehewohnung, denn der Ehegatte, der nicht gemietet hat, ist kein Dritter nach §§ 540, 553, sondern hat für die Dauer der Ehe ein Recht zum Mitbesitz der Ehewohnung (BGH NJW 2013, 2507; 2017, 260).
- Nach §§ 2038 II 1, 743 II ist der Mieterbe zum Besitz des ganzen Nachlassgrundstücks berechtigt, solange er das Recht der anderen Miterben auf Mitgebrauch nicht beeinträchtigt (BGH NJW 87, 3001).

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- Die Rechtsprechung anerkennt auch die Einrede des ausgeübten Zurückbehaltungsrechts aus §§ 273, 320; § 369 HGB als ein Recht zum Besitz nach § 986 I, denn wer die Herausgabe einer Sache solange verweigern dürfe, bis der andere seine Leistung erbringe, dürfe die fremde Sache nun einmal vorübergehend besitzen (BGH 64, 122; NJW 55, 340; 95, 2628; 98, 2045; 99, 3487; 2004, 3484: aber unzulässige Rechtsausübung, wenn das Zurückbehaltungsrecht erst nach der unberechtigten Verweigerung der Herausgabe entstanden ist). Dieses Argument ist nicht zu schlagen. Freilich wird die Herausgabeklage wegen dieser Einrede nicht abgewiesen, der Besitzer vielmehr nach § 274 dazu verurteilt, die Sache herauszugeben Zug um Zug gegen die genau bestimmte Leistung des Eigentümers (BGH 64, 122). Das Zurückhaltungsrecht aus § 1000 bedarf der Krücke des § 986 I allerdings nicht; sie wäre auch systemwidrig, denn § 1000 handelt vom Verwendungsersatzanspruch des unberechtigten Besitzers, der gerade kein Recht zum Besitz aus § 986 hat und die Herausgabe nur wegen seiner Verwendungen verweigern darf. Die Rechtsfolge dieser Verweigerung entnimmt man dem § 274, der zumindest entsprechend anwendbar ist (RN 202).
5. Sonstige Einwendungen und Einreden des Besitzers

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      Nach § 986 II darf der unmittelbare Besitzer einer Sache, die der jetzige vom früheren Eigentümer nach § 931 durch


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