Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer

Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer


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Rechtsirrtum beruft[39].

      Die Kenntnis ist eine innere Tatsache, die im Streitfall nur mit logisch brauchbaren Indizien bewiesen werden kann (RN 1006).

      Beim Besitzerwerb durch Besitzdiener (§ 855) schadet der böse Glaube des Besitzherrn stets und der böse Glaube des Besitzdieners jedenfalls dann, wenn der Besitzherr ihm freie Hand lässt[40].

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      Schärfer als nach § 990 I haftet der Besitzer nach § 990 II mit §§ 280 I, II, 286, wenn er nicht nur verklagt oder bösgläubig ist, sondern mit der Herausgabe der Sache auch noch in Verzug gerät[41].

      § 991 I dagegen beschränkt die Haftung des unmittelbaren Besitzers (Mieters), der sein Besitzrecht von einem mittelbaren Besitzer (Vermieter) herleitet, denn er haftet nur, wenn die Voraussetzungen des § 990 (böser Glaube) oder des § 987 (Rechtshängigkeit der Herausgabeklage) auch in der Person des mittelbaren Besitzers erfüllt sind; andernfalls könnte der bösgläubige unmittelbare Besitzer den gutgläubigen mittelbaren Besitzer in Regress nehmen.

5. Der unentgeltliche Besitzerwerb

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      § 988 verschärft die Haftung des unberechtigten Besitzers, der den Besitz unentgeltlich erlangt hat, denn er soll dem Eigentümer auch diejenigen Nutzungen herausgeben, die er vor Rechtshängigkeit der Herausgabeklage gezogen hat[42], wenn auch nur „nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung“ (RN 166). Diese Haftungsverschärfung nach unentgeltlichem Erwerb ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der schon den §§ 816 I 2, 822 zu Grunde liegt.

      Auch § 988 gilt nur für den unberechtigten Besitzer, der die fremde Sache zu Unrecht genutzt hat[43], sei es als Eigenbesitzer, sei es als Fremdbesitzer kraft eines vermeintlich dinglichen oder schuldrechtlichen Nutzungsrechts[44].

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      „Unentgeltlich“ bedeutet nach dem Sprachgebrauch des BGB soviel wie schenkungshalber (§ 516) oder „ohne ausgleichende Gegenleistung“[45]. Die Rechtsprechung freilich wendet den § 988 auch auf den rechtsgrundlosen Besitzerwerb an, weil § 988 insoweit lückenhaft sei[46]. Das ist auch hier, nicht anders als im Bereicherungsrecht nach §§ 816 I 2, 822[47], durchaus problematisch, denn „unentgeltlich“ und rechtsgrundlos sind zwei grundverschiedene Kategorien. Unentgeltlich ist die Zuwendung ohne Gegenleistung, also schenkungshalber, rechtsgrundlos ist die Zuwendung ohne Rechtsgrund. Das Reichsgericht hat so argumentiert: Wenn der Verkäufer nach nichtigem Kaufvertrag, aber wirksamer Übereignung vom Käufer nach § 818 II auch Ersatz für die gezogenen Nutzungen verlangen könne, dürfe der Eigentümer nach nichtigem Kaufvertrag und nichtiger oder fehlender Übereignung nicht schlechter stehen[48]. Diese Schlussfolgerung überzeugt nicht, denn sie nimmt dem Besitzer alle Einwendungen aus seiner Rechtsbeziehung zum Vorbesitzer.

      Von einem unentgeltlichen Besitzerwerb kann schon gar nicht mehr die Rede sein, wenn der Besitzer den berechtigten Besitz entgeltlich erlangt hat und nach Ablauf der Besitzzeit unberechtigt, aber gutgläubig fortsetzt[49].

      Wer die entsprechende Anwendung des § 988 auf den rechtsgrundlosen Besitzerwerb ablehnt, jedoch mit der Rechtsprechung eine Gesetzeslücke sieht, füllt sie vielleicht mit der Leistungskondiktion nach § 812 I 1 aus.

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      Jedenfalls soll der Besitzer nur seine Bereicherung herausgeben. Nach § 818 III wird er frei, wenn er nicht mehr bereichert ist und noch nicht verschärft nach §§ 818 IV, 819 haftet. Entreichert ist er auch durch Aufwendungen, die er auf die Sache macht, solange er den Mangel seines Besitzrechts nicht kennt, auch wenn es keine Verwendungen nach §§ 994 ff. sind[50]. Die Beweislast für die Entreicherung trägt der Besitzer, die Beweislast für eine Verschärfung der Haftung trägt der Eigentümer.

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      Der unverklagte, gutgläubige Besitzer hat nach § 993 I nur die Übermaßfrüchte an den Eigentümer herauszugeben. Es sind dies Sachfrüchte (§ 99 I, III), die nach den Regeln einer ordentlichen Wirtschaft nicht mehr als Ertrag anzusehen sind. Den normalen Ertrag darf er behalten.

4. Kapitel Der Anspruch des Eigentümers auf Schadensersatz

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      Schadensersatz kann der Eigentümer vom unberechtigten Besitzer nur nach §§ 989, 990, 991 II, 992 verlangen. Es haften:

- Der auf Herausgabe verklagte Besitzer (§ 989),
- der bösgläubige Besitzer (§ 990),
- der Besitzer, der den Besitz durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung erlangt hat (§§ 992, 823),
- der Besitzer, der mit der Herausgabe der Sache in Verzug ist (§§ 990 II, 280, 286-288),
- der gutgläubige, unverklagte Besitzer, soweit er dem mittelbaren Besitzer verantwortlich ist (§ 991 II).

      Den Schaden durch einen Exzess des unberechtigten Fremdbesitzers hat dieser unmittelbar nach §§ 823 ff. zu ersetzen (RN 157, 176).

      Rechtsfolge der §§ 989, 990, 991 II, 992 ist ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verschlechterung, Untergangs oder sonstiger Unmöglichkeit der Herausgabe. Art und Umfang des Schadensersatzes richten sich nach §§ 249 ff. Zu ersetzen ist nicht nur der Wert der herauszugebenden Sache sondern der gesamte Schaden, den der Besitzer dadurch verursacht, dass er die Sache nicht unversehrt herausgibt[51]. Schadensursache muss aber die Verschlechterung, der Untergang oder die sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe sein. Es genügt nicht, dass der Besitzer die Sache dem Eigentümer vorenthält oder sonstwie seine Herausgabepflicht verletzt (dazu RN 173)[52].

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      Der Schadensersatzanspruch aus § 989 setzt voraus: Der unberechtigte Besitzer verschuldet nach Rechtshängigkeit der Herausgabeklage eine Verschlechterung der Sache, ihren Untergang oder aus anderem Grund die Unmöglichkeit der Herausgabe.

      Beispiel

      Der „Bucheigentümer“, der zu Unrecht im Grundbuch steht, belastet das fremde Grundstück wirksam (§ 892) mit Grundpfandrechten und verschlechtert es dadurch. Ist er zugleich Grundstücksbesitzer, gilt § 989 unmittelbar, andernfalls, nach Rechtshängigkeit der Grundbuchberichtigungsklage,


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