Handbuch Arzthaftungsrecht. Alexander Raleigh Walter

Handbuch Arzthaftungsrecht - Alexander Raleigh Walter


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dass der Haftpflichtversicherer bei den Regulierungsverhandlungen auch für den bei ihm mitversicherten Arzt tätig geworden ist.[117]

      120

      Soweit mit einem Krankenhausträger direkt verhandelt wird und keinerlei Klarstellung dahingehend erfolgt, dass von diesem die Verhandlungen auch für den verantwortlichen Arzt geführt werden, tritt nach Ansicht des OLG Oldenburg eine Verjährungshemmung im Verhältnis zum Arzt nicht ein.[118] Das OLG Oldenburg regt in der zitierten Entscheidung an: „Um Zweifeln hinsichtlich einer Verjährungshemmung vorzubeugen, sollten deshalb Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer stets ausdrücklich im Hinblick auf einen mitversicherten Arzt geführt werden.“ Dieser Rat sollte vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Jena allgemein beherzigt und es sollte auf Klarstellung gedrungen werden.

      121

      Die Verjährung ist gehemmt, bis eine Partei die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert oder die Verhandlungen in anderer Weise abbrechen lässt.

      122

      Für die Beendigung der Verhandlungen reicht es nicht, dass der Ersatzpflichtige seine Einstandspflicht verneint. Vielmehr muss er zugleich klar und eindeutig den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck bringen. Dies schließt der BGH aus der Bedeutung des Abbruchs von Verhandlungen für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche. Hier muss durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht mehr weiterverhandelt wird.[119]

      123

      Das OLG Oldenburg hatte diese Grundsätze in einer Arzthaftungssache mit Urteil vom 23.8.2006 wie folgt angewandt: „Zwar hat die Beklagte zu 1. in dem Schreiben einleitend mitgeteilt, ‚dass die geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht anerkannt werden können‚ und ihre Auffassung anschließend eingehend begründet. Das allein reicht zur Beendigung der Hemmung jedoch nicht aus. Beendet werden Verhandlungen (nur) durch ein doppeltes Nein des Schuldners zum Anspruch überhaupt und zu weiteren Gesprächen über diesen (. . .). Erforderlich ist insoweit eine Verweigerung der Fortsetzung von Verhandlungen, die durch ein klares und eindeutiges Verhalten einer Partei zum Ausdruck kommen muss.“[120]

      124

      Kontrastierend dazu sei die Entscheidung des OLG Köln vom 1.7.2013[121] erwähnt, nach welcher nach einer klaren Darlegung, dass Behandlungsfehler nicht vorlägen, die abschließende Floskel, man wünsche der Patientin alles Gute, als eindeutiger Abbruch der Verhandlungen gewertet wurde.

      125

      Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 8.11.2016[122] ein Ablehnungsschreiben des Haftpflichtversicherers ausreichen lassen, in welchem mit ausführlicher Begründung unter anderem mitgeteilt wurde, dass nach Auswertung und Überprüfung der Unterlagen ein die Haftung begründendes Fehlverhalten der Ärzte der Versicherungsnehmerin nicht festzustellen sei, dass sich vielmehr aus den Unterlagen ergebe, dass mit aller Sorgfalt vorgegangen worden sei und dass demnach eine Haftung bereits dem Grunde nach abzulehnen sei. Man bedauere, keine günstigere Mitteilung machen zu können, hoffe jedoch auf das Verständnis der Mandantschaft. Im Übrigen werde davon ausgegangen, dass etwaige Ansprüche bereits verjährt seien. Damit sei – so der BGH – mit der erforderlichen Deutlichkeit der Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck gekommen.

      126

      Es fällt schwer, aus der zitierten Entscheidung des OLG Köln den qualitativen Sprung von einer abschließenden Höflichkeitsfloskel zum Abbruch der Verhandlungen nachzuvollziehen. Aber auch aus der Entscheidung des BGH vom 8.11.2016 wird für den Praktiker nicht deutlich, woraus neben der zweifellos ersichtlichen Verneinung des Anspruchsgrunds auch auf den Abbruch der Verhandlungen geschlossen werden sollte.

      127

      Es empfiehlt sich, bei ablehnenden Schreiben eines Haftpflichtversicherers kritisch zu prüfen und im Zweifel ausdrücklich durch Nachfrage zu klären, ob damit bereits die Verhandlungen abgebrochen sein sollten.

      128

      Noch unschärfer als der ausdrückliche oder deutlich zum Ausdruck gebrachte Abbruch von Verhandlungen stellt sich in der Rechtsprechung die Annahme eines Abbruchs der Verhandlungen durch Einschlafen dar.

      129

      Der VI. Zivilsenat des BGH hatte einen Abbruch der Verhandlungen durch Einschlafenlassen in der Vergangenheit dann angenommen, wenn der Berechtigte den Zeitpunkt versäumt hatte, zu dem eine Antwort auf die letzte Anfrage des Ersatzpflichtigen spätestens zu erwarten gewesen wäre, falls die Regulierungsverhandlungen mit verjährungshemmender Wirkung hätten fortgesetzt werden sollen.[123] Er hat ein solches Einschlafenlassen der Verhandlungen z.B. in einem Fall angenommen, in welchem der Haftpflichtversicherer am 7.12.1983 eine detaillierte Stellungnahme zur Anspruchshöhe abgegeben und um Beantwortung von Fragen zur Höhe der geltend gemachten Pflegekosten gebeten hatte. In diesem Fall hielt der BGH die Reaktion der Klägerin erst am 17.3.1984 für verspätet, sodass die Hemmungswirkung noch vor diesem Zeitpunkt entfallen sollte.

      130

      Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung war diskutiert worden, für das Einschlafen von Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB eine ähnliche Regelung wie in § 204 Abs. 2 für den Stillstand des Verfahrens einzuführen mit einer Nachhemmung von 6 Monaten nach der letzten Erklärung einer der Parteien. Auch war überlegt worden, ob die Schriftform für verhandlungsbeendende Erklärungen eingeführt werden sollte. Der Gesetzgeber hat sich jedoch gegen eine solche, sicher einfacher zu berechnende Regelung entschieden. Man entschied sich für die Fortführung der bisher durch die Rechtsprechung gefundenen flexiblen Lösung zu § 852 Abs. 2 BGB a.F. Das praktische Problem, dass Gläubiger und Schuldner im Zweifel unterschiedliche Zeitpunkte angeben werden, zu welchen der nächste Schritt hätte erwartet werden dürfen, bleibt damit bestehen.[124]

      131

      Da der Sinn der Verjährung dahingeht, den Schuldner davor zu bewahren, nach längerer Zeit mit von ihm nicht mehr erwarteten Ansprüchen konfrontiert zu werden, lässt sich die Annahme eines Einschlafens der Verhandlungen eher rechtfertigen, wenn der Berechtigte den Zeitpunkt versäumt, zu welchem er auf ein Schreiben des Verpflichteten hätte reagieren müssen. Bleibt dagegen bei laufenden Verhandlungen eine Reaktion des Schuldners aus, fällt es schwer, die Geduld des Berechtigten diesem als Einschlafenlassen der Verhandlungen zum Nachteil gereichen zu lassen.

      132

      Einzelne Bemerkungen in Entscheidungen des VII. Zivilsenats des BGH[125] und des X. Zivilsenats[126] aus dem Bereich des Bauvertragsrechts waren jedoch so zu verstehen, dass ein Einschlafen der Verhandlungen auch durch unterbleibende Reaktionen des Verpflichteten eintreten kann. Das hat das OLG Koblenz in seiner Entscheidung vom 23.9.2015[127] bewogen, die Revision zuzulassen, nachdem es ein Einschlafen aufgrund ausbleibender bzw. später Reaktion des Haftpflichtversicherers des Verpflichteten nicht annehmen wollte. Das OLG Koblenz sah sich auf der Linie des VI. Zivilsenats, einen Abbruch der Verhandlung durch Einschlafenlassen nur dann zu unterstellen, wenn der Berechtigte den Zeitpunkt versäumt, zu welchem der Verpflichtete spätestens mit seiner Reaktion rechnen konnte und durfte.

      133

      Der VI. Zivilsenat des BGH hat dem OLG Koblenz jedoch widersprochen und in seiner Revisionsentscheidung vom 8.11.2016[128] durch die in früheren Entscheidungen gewählte Formulierung, in denen es jeweils um eine nicht zeitnahe Reaktion des Gläubigers ging, sollte ein Einschlafenlassen durch den Schuldner nicht ausgeschlossen werden. Der BGH habe in keinem Fall ein Einschlafenlassen der Verhandlungen mit dem Argument abgelehnt, dass dies durch eine fehlende Reaktion des Schuldners nicht möglich sei.

      134

      Wenig ergiebig ist diese Entscheidung,


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