Fälle zum Medizin- und Gesundheitsrecht, eBook. Silvia Deuring

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      1. Vertreterklausel innerhalb der Wahlleistungsvereinbarung

      Die in der Wahlleistungsvereinbarung enthaltene Vertreterklausel müsste wirksam sein. Diese könnte als AGB den Voraussetzungen der §§ 305 ff. BGB unterliegen.

      a) Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff. BGB

      Der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist nicht gemäß § 310 Abs. 4 BGB eingeschränkt.

      b) Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen

      Die Klausel müsste eine allgemeine Geschäftsbedingung darstellen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind all die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB.

      Das Formular, welches die Vertretungsregelung beinhaltet, wird im Krankenhaus K standardmäßig verwendet und wurde der P einseitig von K vorgelegt. Ohnehin gelten bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher AGB unwiderleglich vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB.

      Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen damit vor.

      c) Einbeziehungskontrolle

      aa) Einbeziehung im Einzelfall

      Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss die andere Partei ausdrücklich oder durch sichtbaren Aushang auf sie hinweist, § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB, der anderen Partei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB, und diese mit ihrer Geltung einverstanden ist, § 305 Abs. 2 a. E. BGB. Mit Aushändigung des Formulars, welches die Klausel enthält, wurde P durch K konkludent darauf hingewiesen und P konnte von dem Inhalt Kenntnis nehmen. Ferner unterzeichnete P das Formular mit der Vertreterklausel und zeigte sich, bei Auslegung dieser Handlung aus Sicht des objektivierten Empfängerhorizonts, §§ 133, 157 BGB, damit einverstanden. Die Klausel wurde folglich auch in den Vertrag einbezogen.

      bb) Keine überraschende Klausel, § 305c Abs. 1 BGB

      Schließlich dürfte die Klausel nicht so ungewöhnlich sein, dass die P mit ihr nicht zu rechnen brauchte, § 305c Abs. 1 BGB. Nach dem Grundsatz der verwenderfeindlichen Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB ist die Klausel kundenfeindlich auszulegen, um so die Klausel nach Möglichkeit als überraschend einordnen zu können.

      Ohne Vertreterklausel muss sich der Patient, etwa zu Nachtzeiten oder im Urlaub des Wahlarztes, mit dem Arzt zufriedengeben, der gerade Dienst hat. Dies ist aus Sicht des Patienten die schlechteste Option.[44] Damit ist eine Vertreterklausel nicht per se überraschend. Wenn die Vertreterklausel aber so weit gefasst ist, wie hier, sodass auch sie letztlich jeden Arzt erfasst und nicht lediglich Ärzte mit einer einem Chefarzt angenäherten Qualifikation, wie dessen ständiger Vertreter, von dem ausgegangen wird, dass er jederzeit voll in die Behandlungsgestaltung des Wahlarztes eingebunden ist, ist sie überraschend.[45] Mit der Behandlung durch irgendeinen Arzt muss der Patient nicht rechnen, wenn er gezielt eine Chefarztbehandlung vereinbart, da er die erhöhten Kosten ja gerade wegen dessen besonderer Qualifikation in Kauf nimmt. Daher ist die Klausel hier überraschend und folglich schon nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden.

      d) Inhaltskontrolle

      Zusätzlich könnte die Klausel auch an der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB scheitern.

      aa) Eröffnung der Inhaltskontrolle

      Die Inhaltskontrolle gem. §§ 309, 308, 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB gilt nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Die Vertreterklausel weicht vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung gem. §§ 630b, 613 S. 1 BGB ab, sodass die Inhaltskontrolle eröffnet ist.

      bb) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB

      Es könnte das Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit des § 309 Nr. 10 BGB einschlägig sein. Danach ist eine Bestimmung, wonach bei Kauf-, Darlehens-, Dienst- oder Werkverträgen ein Dritter anstelle des Verwenders in die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte oder Pflichten eintritt oder eintreten kann grundsätzlich unwirksam. Die Bestimmung ist auf den Behandlungsvertrag als besonders normierte Form des Dienstvertrages zwar anwendbar, jedoch enthält die Vertreterklausel hier keinen Wechsel des Vertragspartners. Modifiziert werden soll ausschließlich das Recht des Vertragspartners, die Leistung auch durch einen anderen erbringen zu lassen. In jedem Fall bleibt aber C Vertragspartner der P.

      cc) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB

      Weiterhin könnte die Klausel gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sein. Dies ist der Fall, wenn durch die Klausel das Recht des Verwenders vereinbart wird, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.

      (1) Generelle Unzulässigkeit einer Vertretung im wahlärztlichen Bereich

      Vor diesem Hintergrund könnte die Vereinbarung einer Vertretungsmöglichkeit im wahlärztlichen Bereich generell als unzulässig angesehen werden. Denn Vertragsgegenstand ist gerade die Leistungserbringung durch einen bestimmten vom Patienten ausgewählten Arzt. § 613 S. 1 BGB, der ausweislich § 630b BGB auf den Behandlungsvertrag Anwendung findet, legt weiterhin fest, dass der Verpflichtete im Zweifel in Person zu leisten hat. Dies ist auch und gerade bei der Vereinbarung einer Chefarztbehandlung der Fall.[46] Denn der Patient schließt einen solchen Vertrag gerade im Vertrauen auf die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes. Er hat folglich ein aus Sorge um seine Gesundheit gesteigertes Interesse an der Erbringung der ärztlichen Leistungen durch den Wahlarzt.[47]

      Dieser Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung durch den Wahlarzt findet sich auch in der gebührenrechtlichen Vorschrift des § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ wieder, wonach der Arzt Gebühren nur für selbständig erbrachte Leistungen verlangen darf. Auch in § 2 Abs. 3 S. 2 GOÄ ist dieser Grundsatz festgelegt, da die Festlegung einer abweichenden Gebührenhöhe nach § 2 Abs. 1 S. 1 GOÄ bei wahlärztlichen Leistungen nur dann möglich ist, soweit die Leistungen vom Wahlarzt höchstpersönlich erbracht werden. Demzufolge darf der Wahlarzt nachgeordnete und sonstige medizinischen Leistungen delegieren; die prägenden Kernleistungen, insbesondere die geschuldete OP, muss der Wahlarzt allerdings persönlich und eigenhändig erbringen.[48]

      Allerdings darf auch der Wahlarzt im Falle einer Verhinderung Kernleistungen auf einen Stellvertreter übertragen. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 2 Abs. 3 S. 2, § 4 Abs. 2 S. 3, § 5 Abs. 5 GOÄ, wonach der Wahlarzt auch Honorar für Leistungen verlangen kann, die ein anderer erbracht hat. Dabei wollte der Verordnungsgeber mit § 4 Abs. 2 S. 3 GOÄ die Vertretungsmöglichkeiten im Übrigen nur für die dort genannten einzelnen Leistungen auf den ständigen ärztlichen Vertreter des Wahlarztes beschränken. In allen anderen Fällen sollte „eine weitergehende Vertretung durch jeden beliebigen Arzt in den Grenzen des Vertragsrechts zulässig sein.“[49]

      Eine Vertretungsregelung ist im wahlärztlichen Bereich nicht schon per se unzulässig.

      (2) Unzumutbarkeit der durch die konkrete Vertreterklausel bewirkten Änderung der versprochenen Leistung

      Schließlich könnte aber die Vereinbarung im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil


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