Fälle zum Medizin- und Gesundheitsrecht, eBook. Silvia Deuring

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also auch gegenwärtig.

      A ist beschwerdebefugt.

      V. Rechtswegerschöpfung

      Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden, § 90 Abs. 2 BVerfGG. Der Rechtsweg ist erschöpft, wenn der Beschwerdeführer von allen statthaften, nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfen erfolglos Gebrauch gemacht hat.[6] A legte die gem. Art. 90 Abs. 1 BayHKaG statthafte Berufung gegen die Entscheidung des Berufsgerichts für Heilberufe ein. Eine Revisionsinstanz sieht das BayHKaG nicht vor. Der Rechtsweg ist erschöpft.

      VI. Subsidiarität

      Über das in Art. 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG normierte Rechtswegerschöpfungsgebot hinaus entwickelte das Bundesverfassungsgericht das Subsidiaritätskriterium, wonach nicht nur ordnungsgemäß, sondern auch erfolglos von allen gesetzlich geregelten Möglichkeiten des fachgerichtlichen Rechtsschutzes Gebrauch gemacht werden muss.[7] Es ist nicht ersichtlich, wie A sein Anliegen neben der Berufung weiterverfolgen hätte können. Das Kriterium der Subsidiarität ist erfüllt.

      VII. Form und Frist

      Die Verfassungsbeschwerde müsste schriftlich, § 23 Abs. 1 S. 1 BVerfGG und begründet, § 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG binnen eines Monats nach Zustellung der Entscheidung, § 93 Abs. 1 BVerfGG, eingereicht worden sein. Beide Erfordernisse sind hier erfüllt.

      VIII. Zwischenergebnis

      Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

      B. Begründetheit

      Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn der Beschwerdeführer durch das letztinstanzliche Urteil in einem seiner Grundrechte verletzt ist. In Betracht kommt ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit, Art. 12 GG.

      Bei Urteilsverfassungsbeschwerden besteht jedoch ein eingeschränkter Prüfungsumfang.[8] Denn durch die Bindung von Richtern an Recht und Gesetz, Art. 20 Abs. 3 GG, liegt in jedem rechtswidrigen Urteil mit dem Gesetzes- auch ein Verfassungsverstoß vor. Wäre bereits dadurch eine Verfassungsbeschwerde begründet, würde das Bundesverfassungsgericht zur Superrevisionsinstanz. In ständiger Rechtsprechung nimmt das Bundesverfassungsgericht seinen Prüfungsumfang auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts zurück.[9] Spezifisches Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist: Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung der Gesetze und ihre Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte.[10] Der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen.[11] Das BVerfG prüft insbesondere, ob der Richter bei Auslegung und Anwendung der Normen die Grundrechte ausreichend beachtet hat,[12] d.h. ob entweder den Einfluss von Grundrechten gar nicht erkannt wurde[13] oder ob die Auslegung oder Anwendung des Rechts auf einer „grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs“ beruht.[14]

      Hier könnte möglicherweise Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG nicht oder nicht ausreichend gewürdigt worden sein.

      I. Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG

      Zunächst müsste somit sowohl der persönliche als auch der sachliche Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG eröffnet sein.

      1. Persönlicher Schutzbereich

      Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG begrenzt den persönlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit auf Deutsche. Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist u.a., wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, Art. 116 Abs. 1 GG. A ist als Deutscher vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG erfasst.

      2. Sachlicher Schutzbereich

      Als Beruf i.S.v. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG ist jede auf Dauer angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung anzusehen, die nicht schlechthin gemeinschädlich ist.[15] Der Betrieb einer Privatklinik ist auf gewisse Dauer angelegt und dient der Erhaltung der Lebensgrundlage des A. Gemeinschädlich sind Tätigkeiten, die „schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können“[16]. Der Betrieb einer Privatklinik fällt nicht darunter.

      Der einheitliche Schutzbereich der Berufsfreiheit erfasst die Gewährleistungsdimensionen Berufsausbildung, Berufs- und Arbeitsplatzwahl sowie Berufsausübung;[17] so stellt die Berufswahl den Beginn der beruflichen Tätigkeit und die Berufsausübung die (fortlaufende) Bestätigung der Berufswahl dar. Die Freiheit der Berufsausübung schließt im Weiteren jede Tätigkeit ein, die mit ihr zusammenhängt, soweit sie auf die Förderung des beruflichen Erfolges gerichtet ist.[18] Die vorliegenden Werbeanzeigen und das Interview sollten als Werbemaßnahmen den Betrieb der Privatklinik fördern. Die hierin liegende berufliche Außendarstellung unterfällt somit als berufsbezogene Tätigkeit dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG.

      II. Eingriff

      In den Schutzbereich des A müsste eingegriffen worden sein. Unter einem Eingriff wird nach dem modernen Eingriffsbegriff jedes staatliche Verhalten gefasst, das es dem Einzelnen unmöglich macht oder jedenfalls nicht unerheblich erschwert, ein grundrechtlich geschütztes Verhalten auszuüben. Die Entscheidung des Berufungsgerichts macht es dem A unmöglich, sich in gewünschter Weise nach außen darzustellen. Damit liegt nach dem modernen Eingriffsbegriff ein Eingriff in den Schutzbereich vor.

      III. Rechtfertigung

      Der Eingriff könnte jedoch gerechtfertigt sein. Dies ist der Fall, wenn sich der Eingriff auf eine verfassungsmäßige Grundlage stützen kann, die auch im Einzelfall in verfassungsmäßiger Weise angewendet wurde.

      1. Schranke

      Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG sieht eine Einschränkungsmöglichkeit der Berufsfreiheit „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ vor und stellt einen einfachen Gesetzesvorbehalt für das gesamte Grundrecht dar.[19] Eingriffe müssen jedenfalls auf ein (verfassungskonformes) formelles Gesetz rückführbar sein.

      Vorliegend könnte das Verbot berufswidriger Werbung in § 27 Abs. 3 BO eine taugliche Schrankenregelung darstellen. Die Landesberufsordnungen der Ärzte werden auf Grundlage des Heilberufe-Kammergesetzes von den Landesärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung in funktionaler Selbstverwaltung erlassen.[20] Damit § 27 Abs. 3 BO als Eingriffsgrundlage in Betracht kommt, müsste aber dessen Grundlage, Art. 19 Nr. 7 BayHKaG, selbst verfassungskonform sein und insbesondere in zulässiger Weise den Ärztekammern einen entsprechenden Normierungsauftrag erteilen. Das Bundesverfassungsgericht leitet aus dem Rechtsstaatsgebot und dem Demokratieprinzip ab, dass der Gesetzgeber jedenfalls die wesentlichen Entscheidungen zur Berufsausübung durch förmliches Gesetz selbst treffen muss.[21] Im Ergebnis regelt Art. 19 Nr. 7 BayHKaG[22] auf dieser Grundlage das Werbeverbot für Ärzte, indem der Landesgesetzgeber die weitere Ausgestaltung der Ärztekammer überlässt, in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise:[23] Im Einzelnen hängt die Frage, ob Berufsausübungsregelungen in Gestalt von Satzungen autonomer Berufsverbände durch Ermächtigung durch den Gesetzgeber zulässig sind, von der Intensität des damit verbundenen Grundrechtseingriffs ab. Der Gesetzgeber muss dabei „das zulässige Maß des Eingriffs in seiner Ermächtigung umso deutlicher selbst bestimmen, je empfindlicher [unter sinngemäßer Anwendung der zu Art. 12 GG entwickelten Stufentheorie] der Berufsangehörige in seiner freien beruflichen Tätigkeit beeinträchtigt wird und je stärker das Interesse der Allgemeinheit an der Art und Weise der Tätigkeit berührt wird.“[24] Das allgemeine Werbeverbot für Ärzte betrifft dabei lediglich die Art und Weise der Berufsausübung und ist damit bloße


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