Beschäftigte im Öffentlichen Dienst I. Alexander Block
In der Praxis des öffentlichen Dienstes spielen diese Mängel nur eine sehr untergeordnete Rolle. Vor dem Hintergrund, dass sich die öffentlichen Arbeitgeber schon aufgrund ihrer besonderen Rolle an die tariflichen Regelungen des TVöD und der Begleittarifverträge und insbesondere an die ausgehandelten Tariflöhne halten, spielen Fragen wie Lohnwucher (deutliche Unterbezahlung), aber auch Sittenwidrigkeit keine große Rolle.
171
Entsprechende Mängel führen zur Nichtigkeit des Vertrages. Soweit nur bestimmte Inhalte des Vertrages aufgrund etwa von Sittenwidrigkeit abtrennbar sind, ist aus Arbeitnehmerschutzgründen die Teilnichtigkeit des Vertrages im Hinblick auf die problematischen Teile anzunehmen (§ 139 BGB).
172
Arbeitsverträge können, wie andere Rechtsgeschäfte ebenfalls, angefochten werden soweit ein Anfechtungsgrund (§§ 119, 120, 123 BGB) besteht.
173
Anfechtungsgründe können sein:
Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1 1. Alt. BGB),
Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 2. Alt. BGB),
Übermittlungsirrtum (§ 120 BGB),
Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB),
arglistige Täuschung (§ 123 Abs. 1 1. Alt. BGB) und Drohung (§ 123 Abs. 1 2. Alt. BGB).
174
Im Kontext des Arbeitsvertrages kann die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung von besonderer Bedeutung sein. In Betracht kommen hier die Fälle, in denen der Bewerber um einen Arbeitsplatz über seine Qualifikationen täuscht. Eine Rolle kann diesbezüglich auch die wahrheitswidrige Beantwortung von Fragen des Arbeitgebers im Bewerbungsgespräch spielen.
175
Zu beachten ist dabei allerdings, dass es sich um zulässige Fragen handeln muss. Eine Täuschung berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Anfechtung, wenn eine unzulässige Frage wahrheitswidrig beantwortet wurde.
Beispiele
Sind sie schwanger?
Beabsichtigen Sie in nächster Zeit zu heiraten und eine Familie zu gründen?
176
Eine Anfechtung wird hingegen möglich sein, wenn die Frage zulässig ist und auch in den Fällen, in denen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Offenbarungspflicht des Bewerbers bestand:
Beispiele
Bei der Bewerbung eines Kraftfahrers muss nicht ausdrücklich gefragt werden, ob er einen Führerschein hat. Ist ihm etwa der Führerschein während der Fahrt zum Bewerbungsgespräch entzogen worden, so muss er dies offenbaren. Tut er dies nicht, begeht er eine arglistige Täuschung durch Unterlassen.
Ein sich für eine Tätigkeit im Operationssaal eines Krankenhauses bewerbender Mediziner verschweigt seine HIV-Erkrankung.
177
Erklärt nach § 143 BGB der Anfechtungsberechtigte die Anfechtung unverzüglich gem. § 121 BGB in den Fällen der §§ 119 und 120 BGB, ist das Rechtsgeschäft als Rechtsfolge als von Anfang an nichtig anzusehen.
178
Liegt eine arglistige Täuschung bzw. eine widerrechtliche Drohung nach § 123 BGB vor, muss gem. § 124 Abs. 1 BGB die Anfechtung binnen Jahresfrist erklärt werden, damit die Nichtigkeit eintritt (§ 142 Abs. 1 BGB).
179
Der Grundsatz der Nichtigkeit von Anfang an ist im Arbeitsrecht aber insoweit eingeschränkt, als dass er in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt wurde, nicht greift. Die bereits erbrachte Arbeitsleistung kann nicht rückabgewickelt werden. In solchen Fällen wird das Arbeitsverhältnis mit Wirkung für die Zukunft (nicht für die Vergangenheit) aufgelöst.
Achtung
Mit der wirksamen Anfechtung wird das Arbeitsverhältnis beendet, ohne dass es auf Fragen des Kündigungsschutzes ankommt. Die Anfechtung ist der Kündigung nicht gleich zu setzen. Dabei ist es jedoch möglich, im Kontext desselben Sachverhaltes eine Anfechtung auszusprechen und vorsorglich zu kündigen.
c)Inhaltskontrolle bei Standardarbeitsverträgen: Allgemeine Geschäftsbedingungen
180
Die im öffentlichen Dienst verwendeten Standardmusterarbeitsverträge unterliegen der Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 305 BGB). Daher sind nach § 305c BGB überraschende und mehrdeutige Klauseln nicht Vertragsbestandteil. Aufgrund der geltungserhaltenden Reduktion bleiben die übrigen Vertragsbestandteile jedoch grds. wirksam.
Beispiel: Überraschende Klausel
In einem Arbeitsvertrag sind unter Punkt 5 mit der Überschrift „Erholungsurlaub“ Haftungsklauseln enthalten.
181
Nach § 307 BGB findet darüber hinaus eine Inhaltskontrolle dahingehend statt, dass die einzelnen Vertragsbedingungen nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung führen dürfen. Einzelfälle schließen sich mit und ohne Wertungsmöglichkeit in §§ 308 und 309 BGB an.
182
Haben die Vertragspartner allerdings eine von dem Mustervertrag abweichende Individualabrede i.S.v. § 305b BGB getroffen, so hat diese Vorrang.
Beispiel
Die Parteien vereinbaren eine von § 6 TVöD abweichende Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich.
d)Förmliche Verpflichtung
183
In Verbindung mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages wird der Beschäftigte nach dem Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen – Verpflichtungsgesetz – zu bestimmten Verhaltensweisen verpflichtet. Die Folgewirkung der Verpflichtung besteht in der strafrechtlichen Gleichstellung der Arbeitnehmer mit beamteten Personen und betrifft die sogenannten Amtsdelikte des Strafgesetzbuches (StGB).
Beispiele
§ 201 Abs. 3 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes,
§ 203 Abs. 2, 4, 5 StGB Verletzung von Privatgeheimnissen,
§ 331 StGB Vorteilsnahme, § 332 StGB Bestechlichkeit,
§ 353 b StGB Verletzung des Dienstgeheimnisses und seiner besonderen Geheimhaltungspflicht
e)Mehrere Arbeitsverhältnisse mit demselben Arbeitgeber
184
Nach § 2 Abs. 2 TVöD/TV-L dürfen mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber nur begründet werden, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Anderenfalls gelten sie als ein Arbeitsverhältnis.
185
Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, Arbeitsverträge mit geringfügig Beschäftigten i.S.d. § 8 SGB IV, die vom Anwendungsbereich des TVöD/TV-L ausgenommen sind, zu beschränken.
186
Werden demnach formal mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber begründet, gelten sie als ein Arbeitsverhältnis, wenn sie