Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook. Christian Wittmann
an die Rechtsprechung des BSG, wonach gemäß § 40 GKV die Verhältnisse desjenigen Jahres zugrunde zu legen sind, in dem der jeweilige Rechtszug eingeleitet worden ist,[503] ist auf die Umsätze und Kosten des Kalenderjahres abzustellen, in dem der Widerspruch eingelegt wurde. Soweit die Werte dieses Kalenderjahres noch nicht ermittelt wurden oder jedenfalls noch nicht bekannt sind, ist auf die zeitnächsten verfügbaren Daten zurückzugreifen.[504] Ist eine Arztgruppe betroffen, für die keine Daten vorliegen, kommt in Betracht, den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu schätzen oder auf den Durchschnitt der Umsätze aller Arztgruppen abzustellen und entweder die durchschnittliche Kostenquote aller Arztgruppen oder einen pauschal gegriffenen Kostensatz von z.B. 50 v.H. anzusetzen.[505] Bei der Herzchirurgie, die sich spezialisierend aus dem Fachgebiet der Chirurgie entwickelt hat, liegt es nahe, nicht auf den Umsatz aller Arztgruppen abzustellen, sondern den der Fachärzte für Chirurgie zugrunde zu legen. Der Gesichtspunkt einer neu gegründeten Praxis, die in ihrer Anlaufphase möglicherweise noch nicht solche Umsätze erreichen wird,[506] rechtfertigt keine Abweichung von den dargestellten Grundsätzen. Ebenso kommt das mit einer Sonderbedarfszulassung verbundene engere Tätigkeitsspektrum nicht als Reduzierungsgrund in Betracht.[507]
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Von den erzielbaren Einkünften sind die durchschnittlichen Praxiskosten in Abzug zu bringen.[508] Sofern entsprechende Daten nicht verfügbar sind, kann auf die durchschnittlichen Kosten der Arztgruppe bzw. die durchschnittliche Kostenquote aller Arztgruppen bzw. auf eine „gegriffene“ Kostenquote von 50 v.H. zurückgegriffen werden.[509]
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Im Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 3a, 4 SGB V ist es angesichts des offenen Ausgangs jeder Auswahlentscheidung angemessen, den Gegenstandswert mit einem Drittel des Wertes anzusetzen, der nach der Rechtsprechung des BSG für das volle Zulassungsinteresse eines Arztes in einem Streit um eine Zulassung angesetzt wird. Denn der im Auswahlverfahren unterlegene Bewerber kann über einen offensiven Konkurrentenwiderspruch zunächst nur den Weg frei machen für eine neue Auswahlentscheidung durch den Berufungsausschuss, und dieses Interesse, den Weg für eine neue Auswahlentscheidung frei zu machen, ist wertmäßig geringer zu gewichten, als das volle Zulassungsinteresse eines Arztes, der einen Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit geltend macht.[510]
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Wird eine Sonderbedarfszulassung von Dritten angefochten, kommt eine Streitwertminderung hingegen nicht in Betracht.[511]
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Im Verfahren auf Zulassung im Wege des sogenannten Job-Sharings gemäß § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB V ist der Ansatz des Auffangstreitwerts gemäß § 52 Abs. 2 GKG je Quartal für insgesamt drei Jahre zutreffend.[512]
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Bei Ermächtigungen ist auf die im Ermächtigungszeitraum zu erwartenden GKV-Honorareinnahmen abzüglich der Kosten abzustellen.[513]
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Bei einem Antrag auf gleichzeitige Teilnahme an der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V ist der dreifache Jahresbetrag der zusätzlich abrechenbaren Leistungen anzusetzen.[514]
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Wird die Entscheidung des Zulassungsausschusses im Vorprüfungsverfahren gemäß § 103 Abs. 3a S. 3 ff. SGB V angefochten, ist der Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 € anzusetzen.[515]
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Bei der Genehmigung der Anstellung eines Arztes ist – entsprechend der üblichen Vorgehensweise in Zulassungssachen – der zusätzliche Umsatz der (erweiterten) Tätigkeit des anzustellenden Arztes abzüglich des Praxiskostenanteils unter Zugrundelegung eines Zeitraums von drei Jahren anzusetzen; das für den anzustellenden Arzt zu zahlende Gehalt ist nach aktueller Rechtsprechung des BSG hiervon nicht abzuziehen.[516]
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Bei der Genehmigung einer Berufsausübungsgemeinschaft ist auf den Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKV pro Quartal für einen Zeitraum von drei Jahren abzustellen.[517]
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Bei der Verlegung des Vertragsarztsitzes ist der dreifache Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen.[518]
b) Gebühren
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Aus dem Gegenstandwert steht dem Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG sowie – gegebenenfalls – eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1200 VV RVG zu.[519] Dabei ist die anzusetzende Geschäftsgebühr (Rahmengebühr zwischen 0,5 und 2,5 der vollen Gebühr) nach § 14 Abs. 1 S. 1, 2 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung der Gebühr berücksichtigt werden. Bei der Bemessung der Gebühr ist das Vertragsarztrecht wegen der dafür erforderlichen speziellen Kenntnisse als überdurchschnittlich schwierig einzuordnen; Spezialkenntnisse des Rechtsanwalts ändern hieran nichts und können dem Bemessungskriterium „erhöhte Schwierigkeit“ nicht entgegengehalten werden.[520] Allerdings ist der Höchstsatz solchen Mandaten offenzuhalten, die eine extreme Schwierigkeit, einen extremen Umfang und/oder eine ganz überragende Bedeutung aufweisen.[521]
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Eine Geschäftsgebühr für das vorausgegangene Verfahren beim Zulassungsausschuss gemäß Nr. 2301, 2300 VV RVG ist nicht erstattungsfähig; der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs. 1 SGB X ist nur für das Widerspruchsverfahren vor dem Berufungsausschuss gegeben.[522]
300
Die Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1002 VV RVG ist nur dann entstanden, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch eine anwaltliche Mitwirkung erledigt, wobei das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes erledigt. Voraussetzung für das Entstehen der Erledigungsgebühr ist u.a. ein besonderes Bemühen um die außergerichtliche Erledigung. Nach ganz herrschender Auffassung ist eine Tätigkeit des Anwalts nicht ausreichend, die nur allgemein auf Verfahrensförderung gerichtet ist; eine solche Tätigkeit ist durch die entsprechenden Tätigkeitsgebühren – etwa die Nr. 2300 VV RVG – bereits abgegolten. Ebenso wenig reicht die bloße Rücknahme des eingelegten Rechtsbehelfs aus.[523] Es muss vielmehr eine darüber hinausgehende Mitwirkung vorliegen.[524]
301
Höhere Gebühren, bspw. aus einer Honorarvereinbarung nach § 4 RVG, sind grds. nicht erstattungsfähig.[525]
302
Wird neben der Entscheidung über den Widerspruch die Anordnung der Vollziehung der Entscheidung des Berufungsausschusses gemäß § 97 Abs. 4 SGB V beantragt, entsteht keine zusätzliche Gebühr; die Anordnung gemäß § 97 Abs. 4 SGB V stellt keine von der Hauptsache verschiedene Angelegenheit gemäß § 17 Nr. 1a RVG dar.[526]
4. Rechtsschutz
303
Gegen den Kostenfestsetzungsbescheid des Berufungsausschusses kann unmittelbar Klage erhoben werden, eines Vorverfahrens bedarf es nicht.[527] Klagebefugt sind der Antragsteller, aber auch die beteiligte Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen.[528]
a) Der Begriff der Wirksamkeit und der Bekanntgabe
304
Die Beschlüsse der Zulassungsgremien sind Verwaltungsakte.