Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook. Christian Wittmann
des gesetzlichen Status bedarf einer Subsumption, die im Einzelfall schwierig sein kann. Der Regelungswille der Zulassungsgremien geht dahin, die Rechtsfolge „Zulassungsende“ für jeden Fall, d.h. für den Fall der zutreffenden wie für den Fall der unzutreffenden Subsumption, als maßgebliche Grundlage der weiteren Beziehungen zum betroffenen Arzt gelten zu lassen und so das Rechtsverhältnis für die Zukunft zu stabilisieren. Hierin liegt das Regelungselement feststellender Beschlüsse.[565] Gegen diesen Stabilisierungseffekt richtet sich der Suspensiveffekt.[566] Der gegen einen Beschluss nach § 28 Abs. 1 S. 3 Ärzte-ZV eingelegte Widerspruch hat somit – bei dieser Sichtweise – ex tunc aufschiebende Wirkung und führt dazu, dass der Widerspruchsführer grundsätzlich so zu behandeln ist, als bestünde sein Status fort.
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Diese Sichtweise hat gegenüber der h. M. praktische und wertungsmäßige Vorteile. In den i.d.R. einfachen Fällen des Ablaufs des Befristungszeitraums kann dem Widerspruch die aufschiebende Wirkung regelmäßig bereits versagt werden, weil das Zulassungsende evident und der Rechtsbehelf damit offensichtlich aussichtslos und unzulässig ist.[567] Lässt sich dies nicht bejahen, dürfte bei entsprechender Sach- und Rechtslage oft die Anordnung der sofortigen Vollziehung[568] möglich sein. Das Risiko einer unklaren Rechtslage tragen so die Zulassungsgremien. In den potentiell „schwierigen“ Fällen, bei denen eine eingehende Subsumption erforderlich ist, bspw. bei der Frage des Endes einer Belegarztzulassung (§ 103 Abs. 7 SGB V),[569] hat die Annahme eines regulären Suspensiveffekts existenzsichernde Bedeutung. Solange unklar und im Widerspruchs- und Klageverfahren umstritten ist, ob die Zulassung von Gesetzes wegen geendet hat, kann der Arzt die aus seinem Status folgenden Rechte weiter wahrnehmen, muss also bspw. nicht aus einer Berufsausübungsgemeinschaft prophylaktisch ausscheiden (was die zwangsläufige Konsequenz der h.M. wäre).
b) Beginn der aufschiebenden Wirkung
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Für den Beginn der aufschiebenden Wirkung ist zu differenzieren zwischen der Anfechtung von begünstigenden Entscheidungen in mehrpoligen Rechtsbeziehungen (typischerweise Konkurrenzsituationen) und der Anfechtung von belastenden Entscheidungen gegen einen Vertragsarzt (Statusentziehungen, typischerweise Zulassungsentziehung oder vergleichbare Aufhebung der Teilnahmeberechtigung).[570]
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Wird gegen eine Entziehung des Status ein Rechtsbehelf eingelegt, beginnt die aufschiebende Wirkung ex tunc mit der Einlegung des Rechtsbehelfs, d.h. sie wirkt auf den Zeitpunkt der Entscheidung zurück.[571] Da die Rechtsmittelfrist zugleich auch eine Überlegungsfrist ist,[572] muss ein Betroffener die Möglichkeit haben, sie ohne irreparable Nachteile auszuschöpfen.[573] Die Rückwirkung der aufschiebenden Wirkung ist in solchen Fällen zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und zur Wahrung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) erforderlich.[574]
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Bei der Anfechtung begünstigender Statusentscheidungen durch Konkurrenten (Drittanfechtung) gelten andere Grundsätze.[575] Die Ordnungsfunktion statusbegründender Verwaltungsakte im Vertragsarztrecht steht dem rückwirkenden Eintritt der aufschiebenden Wirkung entgegen.[576] Die aufschiebende Wirkung tritt ex nunc ein, d.h. ab dem Zeitpunkt, in dem der Begünstigte von dem Rechtsbehelf Kenntnis erlangt.[577] Bereits zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung muss feststehen, ob sie innerhalb oder außerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung erbracht wird. Eine Rückwirkung der aufschiebenden Wirkung wäre schwerlich zumutbar. Gerade bei mehrpoligen Rechtsbeziehungen (Konkurrenzsituationen) gibt es eine Vielzahl möglicher Anfechtungsberechtigter, die auch dann grundsätzlich noch anfechtungsberechtigt sind, wenn sie erst nach Wirksamwerden der Teilnahmeberechtigung von dem drittbegünstigenden Verwaltungsakt Kenntnis erlangen. Müsste der Begünstigte diese Anfechtungsmöglichkeiten in Rechnung stellen, könnte sich der Zeitraum des Abwartens unzumutbar ausdehnen.[578]
c) Rechtsfolge der aufschiebenden Wirkung
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Die Rechtsfolge der aufschiebenden Wirkung ist umstritten.[579] Das BSG vertritt die Ansicht, dass die aufschiebende Wirkung der Wirksamkeit des Verwaltungsakts entgegensteht (Lehre von der Wirksamkeitshemmung).[580] Das BVerwG geht demgegenüber mit der h.M. davon aus, dass die aufschiebende Wirkung lediglich die Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts hemmt (Lehre von der Vollziehbarkeitshemmung).[581]
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In der Regel führen diese Meinungsdifferenzen nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die aufschiebende Wirkung bedeutet nach allen Ansichten, dass keine Folgerungen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt gezogen werden dürfen,[582] der Begünstigte also keinen Gebrauch von der Begünstigung machen darf.[583] Es dürfen keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden.[584] Das gilt bei der Anfechtung eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung auch für den begünstigten Dritten.[585]
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Bezogen auf das Vertragsarztrecht folgt bereits aus der Eigenart statusbegründender Verwaltungsakte, dass ein Leistungserbringer bis zur rechtskräftigen Abweisung der Rechtsbehelfe Drittbetroffener von seiner Teilnahmeberechtigung keinen Gebrauch machen darf, soweit nicht die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet ist. Der Begünstigte darf während des schwebenden Verfahrens keine Leistungen erbringen und kann für dennoch erbrachte Leistungen keine Vergütung beanspruchen.[586] Ficht der Vertragsarzt die Entziehung seiner Zulassung an, ist er, solange die aufschiebende Wirkung andauert, berechtigt, weiterhin Leistungen zu erbringen und abzurechnen.[587]
d) Ende der aufschiebenden Wirkung
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Die aufschiebende Wirkung endet mit der Unanfechtbarkeit des Beschlusses des Zulassungs- bzw. Berufungsausschusses.[588] Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung ex nunc oder ex tunc wegfällt, wird man nach der Rechtsprechung des BSG für belastende und begünstigende Verwaltungsakte – soweit es sich um Statusentscheidungen handelt – nur noch einheitlich beantworten können: die aufschiebende Wirkung entfällt ex nunc. Die Ordnungsfunktion der Statusentscheidungen macht es erforderlich, weder dem Eintritt noch dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs Rückwirkung zu geben. Nur so ist sichergestellt, dass zu jedem Zeitpunkt objektiv feststellbar ist, ob ein Teilnahmestatus besteht. Und nur so kann verhindert werden, dass es (nachträglich) zu unerwünschten rechtswidrigen Leistungen und Verordnungen (und anderen Leistungsveranlassungen, vgl. § 73 Abs. 2 SGB V) kommt.[589] Endet die aufschiebende Wirkung ex nunc, ist es konsequent, die Pflicht, empfangene Leistungen zurückzuzahlen, abzulehnen.[590] In Fällen ohne Statuscharakter entfällt die aufschiebende Wirkung in der Regel ex tunc.[591]
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Die aufschiebende Wirkung entfällt darüber hinaus, wenn die sofortige Vollziehung des angegriffenen Beschlusses angeordnet wird (§ 86a Abs. 2 SGG).[592] Umstritten ist, ob diese Anordnung mit Rückwirkung erfolgen kann.[593] Nach der Rechtsprechung des BSG wird man dies in Statussachen ablehnen müssen.[594]
a) Grundlagen
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Grundlage der Vollzugsanordnung sind die §§ 86a Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 S. 1 SGG, 97 Abs. 4 SGB V.[595] Die Anordnung der sofortigen Vollziehung selbst stellt zwar einen selbstständigen Grundrechtseingriff dar,[596] ist aber kein Verwaltungsakt, sondern ein unselbstständiger Annex.[597] Sie erwächst nicht in Bestandskraft und kann nicht mit einem Widerspruch oder einer Anfechtungsklage angegriffen werden.[598]
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Nach der gesetzlichen Wertung bildet die aufschiebende Wirkung die Regel und die Vollzugsanordnung die Ausnahme.[599] Die Funktion der Anordnung der sofortigen Vollziehung liegt in der Beseitigung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§§ 96 Abs. 4 S.