Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht. André-M. Szesny

Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht - André-M. Szesny


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der Datenbestände auf der Festplatte eines Computers kann in der Regel durch einen geeigneten externen Datenträger erfolgen, ohne den Computer beschlagnahmen zu müssen. Es ist grundsätzlich unzulässig, den gesamten E-Mail-Bestand im Postfach eines Providers zu beschlagnahmen,[150] weil dadurch überschießende und vertrauliche, für das Verfahren bedeutungslose Informationen gewonnen werden könnten. Hier bietet sich die Durchsicht des sichergestellten Datenmaterials gem. § 110 StPO vor der Beschlagnahme an.[151]

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      Die Beschlagnahmeverbote gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 97 StPO sind zu beachten. Auch die gem. § 30 OWiG zu bebußende Gesellschaft kann sich auf den Beschlagnahmeschutz des § 97 StPO berufen.[152] Die Postbeschlagnahme ist im Bußgeldverfahren gem. § 46 Abs. 3 OWiG unzulässig.

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      Vertiefung (Ermittlungsmaßnahmen gegenüber drittbetroffenen Banken)

      Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute (z.B. Deutsche Bundesbank, Landesbanken und öffentlich-rechtlich organisierte Sparkassen) können als „Behörde“ über das Auskunftsverlangen gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 161 Abs. 1 StPO verpflichtet werden, Auskünfte (z.B. Kontoverdichtung) zu erteilen. Das sog. Bankgeheimnis, das auf einer zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen den Banken und deren Kunden beruht,[153] steht dem nicht entgegen.[154] Im Übrigen benötigen Mitarbeiter von öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten keine Aussagegenehmigung, sollten sie als Zeuge im Bußgeldverfahren vernommen werden müssen. Sie sind keine anderen Personen des öffentlichen Dienstes gem. § 54 Abs. 1 Var. 3 StPO.[155]

      Hingegen können privat-rechtliche Kreditinstitute nicht über § 161 Abs. 1 StPO zur Auskunftserteilung gezwungen werden. Sie sind keine „Behörden“ i.S.d § 161 Abs. 1 StPO. Zur Abwendung der Zeugenvernehmung von Bankmitarbeitern, Beschlagnahme und ggf. Durchsuchung (§ 103 StPO) können diese Banken jedoch die Auskünfte ohne Verstoß gegen zivilrechtliche Geheimhaltungspflichten gegenüber der Verfolgungsbehörde freiwillig erteilen.[156] Sollen bei einer Privatbank konkret bezeichnete Beweismittel sichergestellt werden und verlangt die Bank zuvor die Vorlage eines Beschlagnahmebeschlusses, empfiehlt sich ein Vorgehen gem. § 95 Abs. 1 StPO (Herausgabeverlangen). Danach ist die Bank auch ohne Beschlagnahmebeschluss verpflichtet, die genau bezeichneten Beweismittel herauszugeben. Vorsorglich sollten die Hinweise erteilt werden, dass der Herausgabe das „Bankgeheimnis“ nicht entgegensteht und im Fall der unberechtigten Verweigerung (d.h. es besteht kein Zeugnisverweigerungsrecht) der Herausgabe die Verhängung eines Ordnungsgeldes oder die richterliche Anordnung der Erzwingungshaft droht.[157] Nicht opportun ist das Herausgabeverlangen, wenn die Gefahr besteht, dass Beweismittel beiseitegeschafft werden könnten.

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      Die Durchsuchung zum Zweck der Auffindung von Beweismitteln richtet sich nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 102 ff. StPO, sofern sich die Maßnahme gegen den Betroffenen richtet.[158] Adressat einer Durchsuchungsmaßnahme kann der Verdächtige (§ 102 StPO) oder – unter engeren Voraussetzungen – der Nichtverdächtige (§ 103 StPO) sein.

- Der Begriff des Verdächtigen ist nicht gleichbedeutend mit dem des Betroffenen; indes ist jeder Betroffener immer auch Verdächtiger.[159]
- Verdächtige i.S.d. § 102 StPO kann auch die juristische Person als Nebenbeteiligte sein. Soll gegen die juristische Person im einheitlichen oder selbstständigen Verfahren eine Unternehmensgeldbuße gem. § 30 OWiG erlassen werden, ist sie ihrerseits Trägerin des Tatverdachts.[160] Sie ist nach der Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH „wie ein Täter“ zu betrachten.[161] Daher sind geschäftsführende Organe des Unternehmens keine nichtverdächtigen Dritten i.S.d. § 103 StPO.[162]

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      Die Anordnung der Durchsuchung verlangt zureichende tatsächliche Anhaltspunkt dafür, dass der Adressat der Durchsuchung eine bestimmte Ordnungswidrigkeit begangen hat. Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen nicht hinausreichen, genügen nicht.[163]

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      Zusätzlich muss der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werden. Da sich der Verdacht auf eine lediglich mit Geldbuße sanktionierte Tat richtet, ist die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung einzelfallgerecht zu begründen.[164] Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt indes nicht dazu, dass bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten stets von Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen abzusehen ist.[165]

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      Die einzelfallbezogenen Erwägungen im Durchsuchungsantrag sollten sich zu den nachfolgenden Gesichtspunkten verhalten:

- Die Durchsuchung muss mit Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein; es muss eine Auffindewahrscheinlichkeit der vermuteten Beweismittel gegeben sein.[166] Soll in privaten Wohnräumen (Art. 13 Abs. 1 GG) durchsucht werden, muss sich aus den Erwägungen ergeben, warum vor dem Hintergrund des vermuteten kapitalmarktrechtlichen Verstoßes gerade dort bestimmte verfahrensrelevante Beweismittel zu vermuten sind.[167]
- Die Durchsuchung muss zur Ermittlung und Verfolgung der Ordnungswidrigkeit erforderlich sein. Dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen.[168]
- Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Die Anforderungen an die Stärke des Tatverdachts sind umso höher, je weniger schwer die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat – wie im Fall einer Ordnungswidrigkeit[169] – wiegt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist zudem zu bedenken, dass im Bußgeldverfahren das öffentliche Interesse an der Ahndung auf Grund der Nichtgeltung des Legalitätsprinzips niedriger ist als im Strafverfahren, weshalb von Eingriffsbefugnissen nach den Wertungen des Gesetzgebers in der Regel zurückhaltender Gebrauch zu machen ist.[170] Aus Sicht der BaFin dürfte hingegen argumentiert werden, dass kapitalmarktrechtliche Ordnungswidrigkeiten gemeinhin das Potential hoher Gemeinschädlichkeit aufweisen, sodass auch erhebliche Eingriffsmaßnahmen wie Durchsuchungen zu deren Aufklärung verhältnismäßig sein können.[171]

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      Liegen die Voraussetzungen vor, können Wohnungen und andere Räume sowie die Person und die ihr gehörenden Sachen durchsucht werden. Soll das Büro oder andere von dem Betroffenen genutzte Räume in einem Firmengebäude (sog. Firmendurchsuchung) durchsucht werden, richtet sich die Maßnahme i.d.R. nach § 102 StPO. Denn es ist ausreichend, dass der Verdächtige die Räumlichkeiten tatsächlich innehat. Gleichgültig ist demgegenüber, ob er sie befugt oder unbefugt oder als Allein- oder Mitinhaber nutzt.[172]

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      Die Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien steht gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 110 Abs. 1 und Abs. 3 StPO grundsätzlich nur der BaFin zu. Auf deren Anordnung können die bei der Durchsuchung in der Regel mitwirkenden Polizeibeamten als Ermittlungspersonen nach § 152 GVG zur Durchsicht befugt werden.[173]


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