Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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und vielfältige technische Innovationen ausgelöst worden ist. In einer hochgradig vernetzten Weltgesellschaft mutet es anachronistisch an, auf globale Herausforderungen allein nationalstaatliche Antworten geben zu wollen. Die Gubernative hat hierauf mit einer Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit reagiert.[80] Das Spektrum der Kooperationsformen ist unüberschaubar. Es reicht von informellen Absichtserklärungen bis hin zur dauerhaften Übertragung der Hoheitsgewalt auf supranationale Einrichtungen (Art. 24 GG), wie dies für die Europäische Union prägend ist (Art. 23 GG). Neben die aus dem Nationalstaat vertrauten Rechtskreise ist damit eine Vielzahl weiterer Rechtsebenen und Rechtsquellen getreten, die für das Verwaltungsrecht von Bedeutung sind. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die nichtstaatliche Rechtssetzung zu richten. Wenn sich der Staat aus der Regulierung des Technikrechts oder auch der Cybersecurity zurückgezogen hat, können damit privater Sachverstand aktiviert sowie Blockaden vergleichsweise unflexibler staatlicher, zwischenstaatlicher und supranationaler Normsetzungsverfahren überwunden werden.[81]

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      Ausweitung und Verdichtung des Völkerrechts

      Aus gutem Grund wird dem Völkerrecht in jüngeren Darstellungen der verwaltungsrechtlichen Rechtsquellenlehre mehr Raum gegeben.[82] In Politikbereichen, in denen die Staaten bislang ohne Rücksicht auf internationale Verpflichtungen agieren konnten, sind nunmehr völkerrechtliche Bindungen zu beachten (u. a. Menschenrechtsschutz, Umweltvölkerrecht, Welthandelsrecht, Investitionsschutzrecht, Flüchtlingsrecht, Bekämpfung von Terrorismus und Geldwäsche[83]). Neu ist auch, dass die frühere Mediatisierung des Individuums durch die Staaten relativiert worden ist. Dies gilt insbesondere für die EMRK, deren menschenrechtliche Gewährleistungen zwar deutungsoffen formuliert, aber durch den EGMR richterrechtlich ausbuchstabiert worden sind.[84] Zu den Gewinnern dieser Entwicklung gehört die Gubernative. Die Außenpolitik und damit auch das Aushandeln völkerrechtlicher Verträge bleibt ein Reservat der Bundesregierung.[85] Die parlamentarische Einflussnahme auf die Aushandlung völkerrechtlicher Verträge steht dahinter zurück.[86] Art. 59 Abs. 2 GG stellt den Bundestag und den Bundesrat letztlich vor die Wahl, das von der Bundesregierung ausgehandelte Gesamtpaket anzunehmen oder insgesamt zu verwerfen (§ 82 Abs. 2 GOBT).[87] Ein neuer Normtyp sind gemischte Abkommen, die die EU nur unter Mitwirkung der Parlamente abschließen kann.[88]

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      Unionsrecht als Rechtsquelle des Verwaltungsrechts

      Kaum einer Erwähnung bedarf der Bedeutungsgewinn des Unionsrechts.[89] Dieses hat sich in vielen Bereichen zur bestimmenden Rechtsquelle des Verwaltungsrechts entwickelt. Seine ursprünglich völkerrechtlichen Wurzeln hat es schon frühzeitig abgelegt[90] und bindet nicht allein die Mitgliedstaaten der Union, sondern entfaltet unmittelbare Rechtswirkungen in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen.[91] Im Zuge des Europäischen Integrationsprozesses sind die unional geprägten Politikbereiche beständig ausgeweitet worden. Im Vertrag von Maastricht ist neben die wirtschaftliche Integration die zweite (GASP) und dritte Säule (PJZS) getreten. Deren völkerrechtsähnliche Struktur hat der Vertrag von Lissabon weitgehend überwunden.[92] Die in Art. 23 GG n. F. vorgesehenen Maßnahmen, wonach die Bundesregierung in ihren Verhandlungen die nationalen Gesetzgebungsorgane einzubinden und deren Stellungnahmen zu berücksichtigen hat, sind nur von begrenzter Effektivität.[93] Ähnlich wie der Bedeutungsgewinn des Völkerrechts ist die Europäisierung damit zu Lasten der parlamentarisch-gubernativen Rechtssetzung gegangen.

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      Überwindung einer lediglich wirtschaftlichen Integration

      Auch in den Politikbereichen, in denen die Union über keine eigenen Gesetzgebungskompetenzen verfügt, ist Unionsrecht zu beachten. Schlüsselnormen der sog. negativen Integration sind die Grundfreiheiten und das Beihilfeverbot.[94] Beide Normkomplexe sind – aus rechtstheoretischer Sicht – nicht unmittelbar subsumtionsfähig, sondern tragen Prinzipiencharakter und sind auf eine Konkretisierung angelegt.[95] Dies hat es dem EuGH ermöglicht, in erheblichem Umfang in die Verwaltungsrechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu intervenieren, was zur Konstitutionalisierung der europäischen Verwaltungsrechtsordnung überleitet.

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      Einfaches Gesetzesrecht

      Ein weiterer Megatrend der Rechtsordnung ist die Konstitutionalisierung.[96] Im innerstaatlichen Kontext beschreibt sie die Überformung des einfachen Gesetzesrechts durch das Verfassungsrecht. Dies hat den Vorrang der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 1 Abs. 3 GG), die starke Stellung des BVerfG (Art. 93, 100 GG) sowie die Aufladung der Grundrechte durch immer weiter ausgreifende materielle Gehalte zur Voraussetzung. Seit der Lüth-Entscheidung versteht das BVerfG die Grundrechte nicht allein als gegen den Staat gerichtete Abwehrrechte, sondern als Ausprägung einer objektiven Werteordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Teilbereiche der Rechtsordnung gelten soll.[97] Die weiteren neben die klassische Abwehrfunktion getretenen Grundrechtsdimensionen[98] ermöglichen es, eine Vielzahl von ehemals allein politisch zu verantwortenden Entscheidungen als Verfassungsfragen zu reformulieren.[99] In der Rechtsprechung des BVerfG hat die Gegenbewegung, die politische Gestaltungsspielräume gegenüber sich verdichtenden Vorgaben der Karlsruher Judikatur zu verteidigen sucht,[100] bislang kaum Widerhall gefunden. Die Verlustliste der verfassungsrechtlichen Überformung des einfachen Gesetzesrechts ist lang. Auf ihr sind der Gestaltungsspielraum der parlamentarischen Rechtssetzungsorgane,[101] ebenso aber auch der Eigenstand der Fachgerichtsbarkeit,[102] der Föderalismus sowie insgesamt die Lern- und Anpassungsfähigkeit des Rechtssystems[103] zu verzeichnen.

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      Unionsrecht

      Vergleichsweise weniger geläufig ist der Begriff der Konstitutionalisierung im Kontext des Unionsrechts,[104] vertrauter dagegen der Streit, ob die Verträge der Europäischen Union adäquat als Verfassungsrecht der EU bezeichnet werden können.[105] Gerade die jüngeren Entwicklungen in der Rechtsprechung des EuGH zur Grundrechtecharta geben Anlass, den Verfassungsbegriff auf das primäre Unionsrecht auszudehnen.[106] Die Vorrangigkeit des Unionsrechts[107] ebenso wie die Rolle des EuGH als sein Garant[108] sind schon lange selbstverständlich geworden. Neu ist aber die Aufladung des Primärrechts mit materiellen Gehalten, die nicht mehr allein der Integration dienen, sondern dieser sogar im Wege stehen können.[109] Diese Entscheidungen entziehen sich dem Deutungsmuster des EuGH als „Motor der Integration“,[110] das aus seiner früheren Rechtsprechung etabliert ist. Wenn das Primärrecht gegen den Unionsgesetzgeber selbst in Stellung gebracht wird, versteht sich der EuGH als Grundrechtsgericht, das den Wert und den Eigenstand der Grundrechte betont und die hiervon betroffenen Politikbereiche dem politischen Diskurs entzieht.[111] Damit stellen sich im Verhältnis des EuGH zu den rechtssetzenden Organen der Union Fragen, die aus der nationalen Konstitutionalisierungsdebatte vertraut sind. Die stärkere Akzentuierung der Grundrechtecharta hat das Potenzial, die ohnehin prekäre Stellung des Europäischen Parlaments nachhaltig zu schwächen. Dass das BVerfG in seiner jüngeren Rechtsprechung die Grundrechtecharta im Rahmen der Verfassungsbeschwerde als Prüfungsmaßstab heranzieht,[112] macht die Dinge nicht einfacher.[113]

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      Völkerrecht

      Kontrovers beurteilt wird, inwieweit sich das Paradigma der Konstitutionalisierung auch als Beschreibungs- und Deutungsmuster für die jüngere Völkerrechtsentwicklung anbietet.[114] Die Frage kann nur bejaht werden, wenn der Begriff der Bedeutungselemente entkleidet wird, die im europäischen und innerstaatlichen Kontext seinen besonderen Erklärungswert ausmachen. So fehlt es gegenwärtig ungeachtet der Existenz von ius cogens und erga omnes Normen an einer klaren Hierarchie der völkerrechtlichen Rechtsquellen,[115] ebenso wie an einem umfassenden gerichtsförmigen Modus der Streitbeilegung und institutionalisierten Durchsetzungsmechanismen.[116] Unverkennbar ist gleichwohl,


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