Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов
Willkür entlassen“.[17] Montgelas setzte, nun als Minister, seine Ideen in der bayerischen „Hauptlandespragmatik“ vom 1. Januar 1805 durch. Als erstes deutsches Beamtengesetz ging sie von amtsangemessener und lebenslänglicher Besoldung aus und regelte auch Pension und Witwen- und Waisenversorgung. Das Gehalt setzte sich zusammen aus einem lebenslänglichen „Standesgehalt“, das immer, auch im Ruhestand, gezahlt wurde, und einem „Dienstgehalt“, das für die Dauer aktiver Tätigkeit hinzukam. Vor allem aber wurden die bayerischen Beamten nun wirklich unabsetzbar, außer durch Gerichtsurteil. Das Gesetz stellte ein Grundgesetz Bayerns dar, das „ausdrücklich mit dem permanenten Karakter einer konstitutionellen Haupt-Landes-Pragmatik“ (Abschnitt XXVI) noch vor einer Verfassung erlassen und 1818 in sie integriert wurde. Dieses Gesetz mit dem sperrigen Namen stellt den ältesten nach seinem Inhalt kontinuierlich gültigen Verfassungsbestandteil in Deutschland dar.[18] In Baden gab es eine an die bayerische angenäherte Dienstpragmatik für wenige Monate im Jahre 1809. Dann billigte erst 1819 wieder Großherzog Ludwig ein „Staatsdieneredikt“, worin er das ihm wichtige Monarchenrecht aufrechterhielt, seine Beamten entlassen zu können. Das war allerdings durch ein Verfahren mit vorangehenden Verwarnungen und gerichtsähnlichen Schritte erschwert und sah ein Ruhegehalt vor, das auskömmliche Lebensführung ermöglichen sollte.[19]
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Erstmals „klassische“ Fachministerien
Als Montgelas 1799 leitender Minister wurde, organisierte er die bayerische Regierung sofort in Ministerien um, die nach Sachaufgaben rational abgegrenzt waren. Die in Frankreich bereits 1790 geschaffenen sechs „klassischen Ministerien“ wandelte er dabei in die dann in Deutschland üblichen fünf um (unter Wegfall der Marine- und Kolonialsachen): Äußeres, Finanzen, Justiz, Inneres und Krieg. Darunter standen Mittelbehörden („Kreise“), darunter waren dann Verwaltungs- und Gerichtsbezirke vereint als „Landgerichte“ (dazu 1862 dann „Bezirksämter“ der Verwaltung) und schließlich gab es die Gemeinden.
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Verstaatlichung der Gemeinden
Montgelas wollte im modernen Bayern nach französischem Vorbild auch eigenständige intermediäre Gewalten vermeiden. Er nahm dem Adel, den Klöstern und den Städten ihre schmalen politischen Mitwirkungsrechte in den alten Landständen und integrierte alle Gemeinden in den Staat zu dessen Regeln. Dazu schuf er 1808 zwei streng reglementierende Gemeindeedikte für Stadt- und für Landgemeinden. Selbst traditionsreiche, bis 1806 fast-souveräne alte Reichsstädte wie Augsburg und Nürnberg mussten sich jetzt damit abfinden, dass sie „in Ausübung ihrer Rechte wie die Minderjährigen begrenzt“ sein sollten, aber auch deren Vorrechte, nämlich sorgende Vormundschaft des Staates „genießen“ sollten. Jede noch so kleine Verfügung aus den Gemeindevermögen (die zusammen jedoch mehr als das Staatsvermögen ausmachten) musste genehmigt werden, was sich in der Praxis als undurchführbar erwies und eine Welle von Beschwerden hervorrief. Erst nach dem Sturz von Montgelas wurde 1818 ein neues, jetzt einheitliches Gemeindeedikt verkündet. Es gab städtischen Magistraten wieder mehr Spielraum, behielt aber die starke Staatsaufsicht bei.[20]
IV. Staatskatastrophe und Reformen in Preußen
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Besiegtes Land mit Reformkonzepten
Durch seine Entscheidung von 1795 für die Neutralität stand Preußen 1806 ohne Verbündete da. Nach der verlorenen Schlacht von Jena und Auerstedt verdankte es seine Weiterexistenz, jedoch unter Verluste aller Gebiete westlich der Elbe, im Frieden von Tilsit 1807 mehr dem Zaren Alexander I. als Kaiser Napoleon. König und Regierung waren nach Memel in den äußersten Nordosten geflüchtet, und von hier aus setzte eine breite Reformbewegung ein. Freiherr Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein entwarf mit seiner „Nassauer Denkschrift“ im Juni 1807 eine Staatsreform. An die Stelle verschiedener Provinzialministerien mit gleichartigen Aufgaben sollten neue Fachministerien treten, die für bestimmte Felder der Verwaltung allein zuständig werden sollten. Finanzpolitisch plante er eine einzige Staatskasse mit im Voraus festgelegten Etats für die Ministerien. Im Geiste der Ideen von Adam Smith setzte er auf die Freisetzung der Individuen, auf die „Belebung des Gemeingeistes und des Bürgersinns [und] Benutzung der schlafenden und falsch geleiteten Kräfte und zerstreut liegenden Kenntnisse“ vor allem der städtischen Bürger. Wenig später, am 12. September, legte Karl August Graf (seit 1814 Fürst) Hardenberg aus seinem nahen russischen Exil die ‚Rigaer Denkschrift‘ vor, in der er für eine „Revolution im guten Sinn“ sprach. Ihr Ziel hieß für ihn: „Demokratische Grundsätze in einer monarchischen Regierung: dieses scheint mir die angemessene Form für den gegenwärtigen Zeitgeist. Die reine Demokratie müssen wir noch dem Jahre 2440 überlassen, wenn sie anders je für den Menschen gemacht ist.“[21]
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Ländliche Eigentümergesellschaft: Oktoberedikt 1807
Das Oktoberedikt vom 9. Oktober 1807 leitete die Umgestaltung der ländlichen Wirtschaft und Gesellschaft durch die Bauernbefreiung ein, indem es die persönliche Untertänigkeit aufhob. Sie war ein Rest alter Leibeigenschaft, die zur Genehmigung von Heiraten und Erbfällen geschrumpft und vor allem wegen der Einnahmen daraus wichtig war. „Zum Martinitag 1810“ sollte es „nur noch freie Leute“ geben. Diese Freiheit gab aber gerade den unterbäuerlichen Gruppen, „wie sich von selbst versteht“ (§ 12), noch kein Eigentum an dem von ihnen bis dahin bewirtschafteten Land. Viele wurden Landarbeiter in prekären Tagelohnverhältnissen oder sanken in das Gesinde des Gutsherrn ab, für das am 8. November 1810, drei Tage vor dem Stichtag, eine strikte Gesindeordnung mit Züchtigungsrechten erging, die bis nach 1918 bestehen blieb. Die schwierigere und langwierigere Trennung der sich überlagernden Eigentumsrechte vollzog erst das Regulierungsedikt vom 14. September 1811, das durch Wirtschaftsbelebung auch den Staatskredit heben und die Tilgung der im Krieg weiter auflaufenden Schulden erleichtern sollte. Die Bauern sollten volles Eigentum an Land erhalten und dem grundbesitzenden Adel seine Landverluste teils durch Geldzahlungen über Jahrzehnte ablösen, teils – bei großen Stellen – ihn sofort ohne Schulden durch Verkleinerung dieser Stellen um ein Drittel entschädigen. Die Regulierung brachte dem zumeist noch adeligen Großgrundbesitz beträchtliche Landzuwächse und zog sich in Preußen wie in vielen anderen deutschen Ländern bis nach der Revolution von 1848 hin.[22]
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Gewaltmonopol: Gendarmerieedikt 1812
Das Gendarmerieedikt vom 30. Juli 1812[23] schuf erstmals eine kleine Polizeitruppe, vornehmlich aus ausgeschiedenen Offizieren und Soldaten, für den Einsatz auf dem Lande. Verwaltungstechnisch wollte das Edikt dem grundbesitzenden Adel seinen angestammten Anspruch auf das Amt des Landrats nehmen und an seine Stelle einen Staatsbeamten setzen, doch musste das nach erheblichen Protesten schon 1816 zurückgenommen werden. Bis nach der Reichsgründung endeten die Befugnisse dieser Gendarmerie allerdings vor den vielen gemeindefreien Gutsbezirken, in denen der Gutsherr alleine die Polizeigewalt ausübte. Im ostelbischen Preußen verfestigte sich so die intensive Herrschaft der Gutsherren, die Arbeitgeber der Landlosen waren und zugleich Verwaltungs- und Richteraufgaben ausübten.
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Selbstverwaltung: Städteordnung 1808
Die Städteordnung vom 19. November 1808 wird besonders mit dem Geist des Freiherrn vom Stein verbunden; es fehlte ihr allerdings ein Gegenstück für Landgemeinden. Stein wollte die Bürger aktiv zur Gestaltung der lokalen Verhältnisse heranziehen. Bürger einer Stadt war, wer Haus- und Grundeigentum besaß oder ein höheres Einkommen hatte. Untereinander gleichgestellt, wählten sie Stadtverordnete, von denen zwei Drittel ebenfalls Haus- und Grundeigentümer sein mussten, und diese wählten einen ausführenden Magistrat, und der den Bürgermeister. Sie alle sollten für das Gemeinwohl tätig werden und dies, bis auf die Bürgermeister, ehrenamtlich tun. Die Städte erhielten ein Steuerbewilligungs- und ein Budgetrecht bei staatlicher Missbrauchsaufsicht und wurden, zumindest subsidiär, für alles zuständig, was auf ihrem Boden geschah. Diese Allzuständigkeit konnten sie zu einem Frühwarnsystem für neue Herausforderungen machen. Städte in Preußen hatten seitdem viel mehr Gestaltungsraum als anderswo, wo sie völlig integriert waren