Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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      Verwaltung im Ehrenamt

      Überall wirkten Bürger durch Deputationen an der senatorischen Verwaltung mit; den Vorsitz hatte jedoch immer ein Senator, und der Senat konnte eine Sache immer an sich ziehen. In Hamburg hatte er sich das weite Feld der Polizeisachen alleine vorbehalten, in Lübeck noch mehr. Meistens mussten die Hälfte der Senatoren Juristen sein, die anderen Kaufleute. Im Grunde wurde mit diesem kleinen Stamm mehr rechts- als verwaltungskundiger Männer der ganze Staat geleitet, in Hamburg auch in den Katastrophen des Stadtbrands von 1842 und der Choleraepidemie von 1892. Es gab keine ministeriale Organisation und keine Beamten mit eigenen Rechten, sondern nur kündbare öffentliche Angestellte ohne Laufbahnen und Beförderungen und ohne Altersversorgung.

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      Später Übergang zum Berufsbeamtentum

      Den ersten Schritt zum Berufsbeamtentum vollzog Hamburg 1870 außerhalb der Verwaltung bei den Lehrern. Es verlangte von ihnen erstmals eine berufsbezogene Qualifikation, gewährte ihnen aber auch das Pensionsrecht. Der „Polizeiherr“ als Chef der senatorischen Polizei trat noch 1875 deshalb zurück, weil nicht ein anderer Senator, sondern ein Oberbeamter aus der Polizei sein Vertreter werden sollte. Laufbahnen des höheren juristischen und technischen Dienstes, die eine akademische Qualifikation voraussetzten, wurden in Hamburg erst 1896 eingerichtet. Diese Stellen erwiesen sich aber für höhere Beamte als unattraktiv, und selbstkritisch erkannte man 1906 einen Grund auch in der Art, wie die „Herren“ mit ihnen umgingen. Offenbar sahen die Senatoren die Beamten des Staates noch immer wie „ihre“ Bedienten in ihrem Haus und Kontor an – wie das über hundert Jahre zuvor noch gängige Praxis in allen Monarchien gewesen war.[30]

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      Restauration in Frankfurt

      1814 wurde Frankfurt eine neutrale Freie Stadt. Die verbündeten Mächte lösten sie aus dem kurzlebigen Großherzogtum Frankfurt und setzten die noch lebenden Mitglieder des Rats von 1806 wieder ein, um den Stadtstaat 1815 zum Sitz der Bundesversammlung des Deutschen Bundes zu machen. Die Verfassung ging von einer „vollkommenen Gleichheit“ in bürgerlichen und politischen Rechten aus, die aber nicht den Bürgern als Individuen zukam, sondern abstrakt den christlichen Bekenntnissen. Das beseitigte die 1811 erst eingeführte Gleichberechtigung der Frankfurter Juden; sie wurden wieder Staatsuntertanen ohne Bürgerrecht. Das Bürgerrecht war wie in den Hansestädten an Grundbesitz oder ein hohes Vermögen gebunden, und es gab auch eine Gewaltenverquickung wie dort. Dem „Gesetzgebenden Körper“ gehörten Mitglieder des Rats (später: Senatoren) und der Deputationen an und jährlich gewählte Vertreter der Bürger.[31] War eine Stelle im Rat zu besetzen, dann wählte ein kleiner Ausschuss mehrere Kandidaten, von denen wie früher im Alten Reich anschließend durch die „alt herkömmliche Kugelung“, also durch Los, einer zum Amtsinhaber bestimmt wurde (Art. 20); genauso wurde jährlich der erste oder Ältere Bürgermeister als Staatsoberhaupt und der zweite oder Jüngere gelost. Die beiden Verfahren von Wahl und Los gehörten zur europäischen republikanischen Tradition seit ihrer Mischung in dem viel bewunderten, 1268 festgelegten Verfahren zur Bestimmung des Dogen in Venedig. Das Los entspricht dabei der Gleichheit aller beim Entscheiden über Zukunftspräferenzen und soll ihre Gleichberechtigung symbolisch sichern.[32]

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      Bürgerbeteiligung und -abstimmung

      Im Zuge der Entscheidung über die neue innere Ordnung sammelten frühliberale Juristen im Januar 1816 über 2.000 Unterschriften für eine breitere Teilhabe an der Verfassungsgebung. Im Juli stimmten alle Bürger über den vom Senat gedruckten und verteilten Text der Frankfurter „Konstitutions-Ergänzungsakte“ ab. Die Bürger erklärten dabei vor den Quartier-Vorständen ihr „Ja“ oder „Nein“ in Anwesenheit eines Notars mündlich zu Protokoll. Die so ergänzte alte Verfassung wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen, die Wahlbeteiligung lag etwas unter 60 Prozent. Diese Abstimmung aller Bürger war ein damals einzigartiger Ausdruck eines breit verankerten und gelebten republikanischen Mitgestaltungsrechts; und am 18. Oktober 1816 leisteten Senat und Bürgerschaft sich gegenseitig vor dem Römer ihren traditionellen Verfassungseid.

II. Monarchie und Restauration im Deutschen Bund von 1815

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      Innere Staatsbildung

      Die meisten größeren Staaten standen in der Zeit der Revolution und der napoleonischen Herrschaft über Europa vor der Aufgabe, sich außen- wie innenpolitisch zu behaupten. Wichtige Instrumente dafür waren ihre Heere und ihre Staatseinnahmen, und beides mussten sie so weit wie möglich steigern. Wie Bayern und Preußen zeigten, erfolgte das Zusammenschmelzen unterschiedlicher Territorien mit ihren jeweils eigenen Vorgeschichten, Institutionen und Verwaltungstraditionen nicht durch einfache Integration in den „Altstaat“ mit seiner „Altverwaltung“, sondern dabei wurden in ausgreifenden Reformen auch viele Institutionen des aufnehmenden Kernlandes modernisiert.

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      Wiener Kongress 1814/15

      1814/15 ging es im Wiener Kongress darum, die europäische Staatenwelt neu zu ordnen und dabei die innerdeutschen Verhältnisse auszutarieren. Die monarchischen Großmächte mit dem erneuerten Königreich Frankreich folgten der Leitlinie von der Legitimität angestammter, meist monarchischer, Herrschaft und damit einer gewissen, nicht völligen Restauration früherer Verhältnisse. In Deutschland ließen sich nämlich realistisch weder das Alte Reich noch seine kirchlichen Staaten noch die bunte Vielfalt von Reichsstädten, Reichsrittern und Reichsdörfern zu Lasten ihrer Rechtsnachfolger wiederherstellen, die ihre territorial erheblich vergrößerten Staaten inzwischen durch innere Reformen vereinheitlicht und gestärkt hatten.[33]

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      Landständische Verfassung 1815

      Die Bundesakte des entstehenden Deutschen Bundes setzte den Mitgliedern Schranken ihrer Souveränität in Verfassungsfragen, vor allem durch den dunklen Satz des Art. 13 der Bundesakte: „In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden.“ Offen war nicht nur, wann das geschehen sollte, sondern vor allem, was „landständisch“ bedeutete. War dabei an eine ständische Vertretung alter Art gedacht, in der die Privilegierten der Vergangenheit (Klerus, Adel, Städte, Universitäten) dank ihrer als alte Teilhabe an der monarchischen Herrschaft verstandenen eigenen Herrschaftsrechte wieder mitentscheiden sollten? Oder sollte es eine von Gleichheitsideen getragene Vertretung der Nation, des Volkes, geben, die durch womöglich breite Wahl legitimiert war und daraus ganz neuartige Ansprüche ableiten konnte? Oder sollte ein Mittelweg „neuständischer“ Art begangen werden, in dem sich die Freisetzung des bürgerlichen Wirtschaftsindividualismus durch die nach französischem Vorbild weit verbreitete Gewerbefreiheit spiegeln würde? Entscheidend wäre dabei nicht mehr die adelige Geburt des Eigentümers, sondern die auf Betriebsgröße und Teilhabe am Markt beruhende Bedeutung großer Betriebe als Wirtschaftsfaktor und Steuerzahler. Zwar kam nach 1815 eine erste Welle der Verfassungsgebung in Gang, doch traten damit nur wenig wirklich aktive Landstände oder Landtage ins Leben. Nur im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach folgte 1816 auf die Verfassung gleich der erste Landtag, ebenso in Schaumburg-Lippe (allerdings mit auf Lebenszeit gewählten Mitgliedern) und in Waldeck-Pyrmont (wo allerdings der Landtag danach nur noch zweimal bis 1848 zusammentrat). Dagegen kam in Nassau der Landtag erst vier Jahre nach der Verfassung von 1814 zusammen[34] und in Schwarzburg-Rudolstadt erst fünf Jahre nach der Verfassung von 1816. Das Königreich Bayern wurde 1818 der erste große deutsche Staat, in dem Verfassung und Landtag in enger Aufeinanderfolge ins Leben traten.

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      Monarchisches Prinzip 1820

      Grundlage des Deutschen Bundes war das 1820 in Art. 57 der Wiener Schlussakte


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