Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer

Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band - Hugo Friedländer


Скачать книгу
Grünewald: Die Artikel seien nicht geschrieben worden, um von Sternberg Geld zu erpressen. Er habe allerdings von Sternberg 10000 M. bekommen. Dies sei jedoch geschehen, weil Sternberg gegen ihn ein Pamphlet habe drucken lassen und er die deshalb gegen Sternberg angestrengte Beleidigungsklage zurücknehmen sollte. Von den 10000 M. habe er je 500 M. an Moser und Sponholz für rückständiges Gehalt gegeben. Sternberg habe ihm zunächst 3000 Mark und alsdann monatlich 500 M. gegeben, im ganzen 10000 M.

      Moser und Sponhalz gaben zu, einige Artikel gegen Sternberg geschrieben zu haben.

      Direktor August Sternberg bekundete darauf als Zeuge: Die Vereinsbank wurde fast unaufhörlich im »Unabhängigen« angegriffen; die Angriffe haben uns allerdings geschadet. Ob wir den »Unabhängigen« unter Kreuzband zugeschickt erhielten, weiß ich nicht mehr, jedenfalls wurden wir aufgefordert, auf das Blatt zu abonnieren; wir lehnten das aber ab. Da wir sahen, daß es bloß auf eine Erpressung abgesehen war, wandten wir uns an die Staatsanwaltschaft. Wir erhielten jedoch einen ablehnenden Bescheid. Die alsdann von uns gegen Grünewald angestrengten Beleidigungsklagen machten nur geringe Fortschritte, deshalb war uns ein Ausgleich erwünscht. Eines Tages kam Moser zu uns ins Bureau; soweit ich mich erinnere, handelte es sich um eine Hypothekenangelegenheit. Hierbei kam das Gespräch auch auf den »Unabhängigen«. Ob Moser oder ich das Gespräch begonnen, weiß ich nicht mehr. Moser sagte mir: es wäre doch am besten, wenn ich auf einen Vergleich einginge. Ich zahlte darauf im ganzen etwa 5000 M. Ich bat aber Moser, da die Vereinsbank fast ein Jahr lang in jeder Nummer des »Unabhängigen« angegriffen wurde, die Angriffe nicht sofort einzustellen, sondern sie noch in einigen Nummern in maßvoller Weise fortzusetzen. Ich ersuchte Moser, diese Artikel mir vorher zu zeigen. Das geschah auch. Wir fürchteten, daß, wenn die Artikel, die stets mit den Worten schlossen: »Fortsetzung folgt«, plötzlich aufhörten, das Publikum vermuten könnte, daß wir uns abgefunden haben. Wir mußten uns zu dieser Demütigung entschließen, da wir doch nicht imstande waren, jedem einzelnen Leser des »Unabhängigen« die gegen uns gerichteten Angriffe zu widerlegen. Das Pamphlet war nicht auf unsere Veranlassung geschrieben; es wurde uns von dem Redakteur Wasinski vorgelegt. Wir haben lediglich zu den Druckkosten des Pamphlets beigetragen. Die 10000 Mark wurden als Schweigegelder gegeben; die Privatklagen Grünewalds hatten wir nicht zu scheuen.

      Auf Antrag des Staatsanwalts wurde folgende Briefkastennotiz verlesen: »X.X. Sie fragen an, warum wir uns mit Sternberg sowenig beschäftigen? Wir erklären Ihnen, daß wir fünfzehn Privatklagen von August Sternberg in der Schwebe haben. Wir könnten daher nicht objektiv genug schreiben und ziehen es vor, eine abwartende Haltung einzunehmen. Wenn Sie uns aber die Kosten der Privatklagen bezahlen wollen, so stehen wir ganz zur Verfügung.«

      Angekl. Grünewald gab auf Befragen des Vorsitzenden zu, daß er zusammen mit Sponholz den »Briefkasten« redigiert habe.

      Redakteur Wasinski bekundete als Zeuge, daß er die zwei ersten Artikel gegen Sternberg im »Unabhängigen« geschrieben habe.

      Es folgte der Anklagepunkt bezüglich Mochmann, Fischer und Seelig.

      Die Angeklagten bestritten, in diesem Falle eine strafbare Handlung begangen zu haben.

      Der alsdann als Zeuge vernommene Kaufmann Mochmann bekundete: Ich bin mit Grünewald in Dresden bekannt geworden. Grünewald ersuchte mich, auf den »Unabhängigen« zu abonnieren. Ich tat dies auch. Eines Tages kam ein Bote mit der Meldung: Herr Grünewald wünsche mich in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen. Ich begab mich sogleich zu Grünewald. Dieser sagte mir: Herr Mochmann, es ist eine Anzahl arger Beschuldigungen gegen Sie eingelaufen. Ich bedauere, daß dies Sie gerade betrifft, es läßt sich aber daran nichts ändern. Ich sagte zu Grünewald, das ist ja alles Schwindel, bester Herr Grünewald. Das ist vorläufig gleichgültig, erwiderte Grünewald. Ich werde Ihnen sofort authentische Widerlegungen bringen, versetzte ich. Das kann mir alles nichts nützen, erwiderte Grünewald. Die Sachen kosten mich Geld, viel Geld und ohne weiteres kann ich sie nicht fallen lassen. Seelig und Fischer sind ja ebenfalls arg beschuldigt; vielleicht veranlassen Sie Seelig, mir das Material abzukaufen. Bis fünf Uhr nachmittags kostet es sechstausend Mark, am folgenden Tage 10000 Mark, dann 15000 Mark, dann 20000 Mark. Eventuell werde ich die bereits geschriebenen Artikel nur unterdrücken, wenn mir die ganze Zeitung abgekauft wird. Ich ging zu Seelig. Dieser sagte jedoch: Ich gebe nicht einen Heller, und wenn die Leute schreiben, ich habe silberne Löffel gestohlen. Ich dachte auch so, sagte aber zu Grünewald: Seelig wolle das Blatt kaufen; ich wollte damit die Sache hinhalten. Da wir aber nicht bezahlten, erschienen zahlreiche Schmähartikel gegen Seelig, Fischer und mich.

      Kaufmann Jaroczynski: Dr. Vogelsang sagte mir eines Tages, ich sei im »Unabhängigen« angegriffen, ich solle die Exemplare aufkaufen. Ich kaufte eine sehr große Anzahl, am nächsten Dienstag erschien aber eine neue Auflage. Am folgenden Tage kam mein Sohn, der damals Sekundaner des Askanischen Gymnasiums war, aus der Schule und sagte: »Papa, ich muß von diesem Gymnasium weg; meine Mitschüler verhöhnen mich, da du im ›Unabhängigen‹ gestanden hast.« Ich suchte den Knaben zu beruhigen; dieser wiederholte aber am folgenden Tage seine Klagen, denen ich schließlich Gehör gab. Ich meldete meinen Sohn an einem anderen Gymnasium an. Da die Angriffe nicht aufhörten, wurde mir geraten, mich an Moser zu wenden. Dieser sagte, ich solle zu Grünewald gehen, aber Bitten sei bei Grünewald vollständig nutzlos. Grünewald kennt weder Mitleid noch Erbarmen, sondern nur Geld. Ich erwiderte: Ich habe sehr viel Geld an der Börse verloren, ich bin augenblicklich außerstande, etwas zu geben. Moser versetzte: Veranlassen Sie doch Seelig, der in dem Artikel auch angegriffen ist, etwas zu bezahlen. Ich begab mich zu Seelig. Es gelang mir schließlich, Seelig zu bewegen, mit Grünewald eine Zusammenkunft anzubahnen. Die Zusammenkunft fand in der Wohnung des Moser statt.

      Bankier Seelig bestätigte diese Bekundungen und äußerte: Als ich zu Moser kam, war Grünewald bereits anwesend. Grünewald begann die Unterhaltung, indem er erzählte: Er habe Beziehungen zum königlichen Hofe und zur Staatsanwaltschaft. Letzterer müsse er alle Artikel vor dem Erscheinen vorlegen. Ich habe von alledem selbstverständlich kein Wort geglaubt. Ich habe mich aber zur Zahlung von 1000 Mark verstanden, als der »Unabhängige« durch erlogene verleumderische Artikel Angriffe gegen mein Privatleben brachte und diese Artikel meiner Frau zuschickte. Ich wunderte mich, daß die Redaktion des »Unabhängigen« alle innersten Geschäftsgeheimnisse von mir kannte. Ich hörte, daß ein Herr Hennig, der bei mir einmal im Geschäft gewesen sein soll, Redaktionsmitglied sei. Dieser Herr Hennig war der Angeklagte Sponholz. Dieser wurde mir eines Tages von dem Kommissionsrat Limann mit dem Bemerken zugeführt: »Hier ist ein junger, unverschuldet ins Unglück geratener Kaufmann, ein Familienvater, den ich einige Zeit mit Abschreiben beschäftigt habe. Vielleicht haben Sie für diesen ordentlichen Menschen eine passende Beschäftigung.« Ich engagierte Sponholz. Einige Zeit darauf kam jedoch Kommissionsrat Limann wieder zu mir mit dem Bemerken: »Ich habe Ihnen einen ganz unwürdigen Menschen empfohlen. Sponholz, dem ich mein volles Vertrauen geschenkt, hat mich schmählich hintergangen, indem er sich eine Abschrift von meinen Kunden machte und diese zu deren Schaden mißbrauchte.« Ich zahlte dem Sponholz sofort sein volles Quartalsgehalt und entließ ihn.

      Sponholz bezeichnete die Angaben des Kommissionsrats Limann als unwahr. Auf Befragen des Vorsitzenden, weshalb er sich Hennig genannt habe, erwiderte Sponholz: Grünewald habe ihm lediglich dem Wasinski gegenüber als Hennig vorgestellt, da dieser mit aller Gewalt die Namen des Bureaupersonals vom »Unabhängigen« wissen wollte.

      Kriminalkommissar Höft: Nachdem ich im Auftrage des Chefs der Kriminalpolizei, Regierungsrats Grafen Pückler, Grünewald, Moser und Sponholz verhaftet hatte, hielt ich im Redaktionsbureau des »Unabhängigen« Haussuchung und fand einen von Damenhand geschriebenen Brief, welcher lautete: »Ich bitte Sie dringend, lassen Sie genug sein des grausamen Spiels, und machen Sie mich, meinen Mann und meine Kinder nicht noch unglücklicher, als Sie es durch Ihre Schreibereien schon getan haben.« Das Schreiben trug keine Unterschrift. In dem sogenannten geheimen Fach fand ich ein von dritter Hand geschriebenes, von Grünewald unterschriebenes Schriftstück, in welchem G. an Eidesstatt versicherte, daß er für die Unterdrückung der gegen einen hiesigen Bankier jüdischen Glaubens von dem Redakteur der Ostend-Zeitung, Ruppel, ins Werk gesetzten Artikel durch Zahlung von noch weiteren tausend Mark an Ruppel Sorge tragen werde. Als die Verhaftung der


Скачать книгу