Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band. Hugo Friedländer

Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band - Hugo Friedländer


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      Es wurde in nichtöffentlicher Sitzung Frau v. Bennigsen als Zeugin vernommen. Sie war in tiefe Trauer gekleidet und augenscheinlich sehr niedergeschlagen. Die Vernehmung, von der nichts in die Öffentlichkeit drang, dauerte etwa dreiviertel Stunden. Nach Beendigung dieser Vernehmung wurde die Öffentlichkeit wieder hergestellt und Oberförster Zimmer als Zeuge aufgerufen. Dieser bekundete: Er war Sekundant des Herrn v. Bennigsen. Die Pistolen wurden von Herrn v. Bennigsen geliefert. Die Schüsse seien stets gleichzeitig von beiden Seiten abgegeben worden. Der Unparteiische, Freiherr v. Langwerth-Simmern, zählte 1, 2, 3, halt. Zwischen 2 und 3 fielen die Schüsse. Er hatte die Auffassung, daß der Angeklagte, der die Pistole direkt auf seinen Gegner gerichtet hielt, diesen töten wollte.

      Erster Staatsanwalt: Verstand denn der Angeklagte, mit der Pistole umzugehen?

      Zeuge: Sehr gut.

      Der zweite Zeuge, Referendar Freiherr v. Langwerth-Simmern, der, wie bereits erwähnt, Unparteiischer beim Zweikampfe war, bekundete: Er sei mit Herrn v. Bennigsen befreundet gewesen; dieser habe ihn ersucht, als Unparteiischer zu fungieren. Nachdem er von der Sachlage Kenntnis erhalten, habe er die Anrufung eines Schiedsgerichtes für zwecklos gehalten und die Bedingungen festgestellt. Die Beteiligten wurden sämtlich auf Handschlag verpflichtet, den Zweikampf so lange geheim zu halten, bis ein Beteiligter eine amtliche Vorladung erhalten habe oder die Sache durch die Presse bekannt geworden sei. Der Zweikampf verlief ganz kommentmäßig. Nur beim zweiten Gange, als er »Spannen« kommandierte, habe er beobachtet, daß Falkenhagen die Pistole nicht in der vorgeschriebenen Weise senkte. Er habe auch den Angeklagten sofort darauf aufmerksam gemacht.

      Referendar Wunnenberg: Er kenne den Angeklagten von Northeim her und habe auf dessen Ersuchen sich bereit erklärt, sein Sekundant zu sein. Er sei bemüht gewesen, die Bedingungen zu mildern, habe aber damit keinen Erfolg gehabt, da dies von beiden Seiten abgelehnt wurde.

      Vors.: Der Angeklagte soll den Vorschlag gemacht haben, die Distanz auf 10 Schritt herabzusetzen?

      Zeuge: Das ist mir nicht erinnerlich; ich habe allerdings dem Angeklagten gesagt, ich finde die Distanz von 15 Schritt etwas weit.

      Vert.: Hat der Angeklagte nicht gesagt, er befürchte, einen dreimaligen Kugelwechsel nicht aushalten zu können, deshalb wäre es ihm angenehm, wenn 10 Schritt Distanz gewählt würden.

      Zeuge: Das ist mir nicht erinnerlich.

      Der folgende Zeuge war der praktische Arzt Dr. Seebohm. Dieser hatte auf Ersuchen des Herrn v. Bennigsen dem Zweikampf als Arzt beigewohnt. Er habe wahrgenommen, daß der Angeklagte die Pistole auf die Brust seines Gegners gerichtet habe. Er könne sich nicht denken, daß der Angeklagte vorbeischießen wollte. Sowohl v. Bennigsen, als auch der Angeklagte waren sehr aufgeregt.

      Dr. med. Herrmann, der von dem Angeklagten zum Zweikampf hinzugezogen war, bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Es sei ihm nicht erinnerlich, in welcher Weise der Angeklagte gezielt habe.

      Gerichtsassessor Jahn (Hameln): Er sei mit der Schwester des Angeklagten verlobt. Der Angeklagte habe ihn ersucht, im Zweikampf sein Sekundant zu sein. Er habe dies abgelehnt, ganz besonders, weil ihm die Bedingungen zu schwer schienen. Der Angeklagte habe gesagt: Die schweren Bedingungen müssen nicht den Tod eines der Kämpfenden zur Folge haben. Er werde, wenn möglich vorbeischießen, oder den Gegner durch Schießen in die unteren Extremitäten kampfunfähig machen. Der Angeklagte habe die Absicht geäußert, sein Testament zu machen, er (Zeuge) habe ihm dies auch geraten. Der Angeklagte sei bei dem Zweikampf, dem er beigewohnt habe, sehr aufgeregt gewesen. In welcher Weise der Angeklagte gezielt habe, sei ihm nicht erinnerlich. Nach beendigtem Zweikampf sei der Angeklagte zunächst planlos in den Wald gelaufen, alsdann mit ihm nach Hameln gefahren. Der Angeklagte habe alsdann den Wunsch geäußert, nach Leipzig zu fahren und den Ausgang des Zweikampfes der Frau v. Bennigsen mitzuteilen. Er habe darauf dem Angeklagten gesagt, er dürfe auf keinen Fall länger in Leipzig verweilen, als unbedingt erforderlich sei. Ob der Angeklagte dies getan habe, wisse er nicht.

      Bürgermeister a.D. Schmidt (Berlin): Ich bin ein langjähriger Freund des Vaters des Angeklagten. Am Vormittag des 18. Januar kam der Angeklagte zu mir und machte mir von dem Vorgefallenen Mitteilung. Ich sagte ihm, daß ich bereits durch die Zeitungen Kenntnis davon habe, und daß ich auch gehört habe, Herr v. Bennigsen sei inzwischen gestorben. Der Angeklagte brach bei dieser Mitteilung vollständig zusammen. Nach einiger Zeit bat er mich, ihm Papier, Tinte und Feder zu geben, damit er sein Testament machen könne, außerdem fragte der Angeklagte, was er machen solle. Ich riet ihm, sich sofort der Staatsanwaltschaft zu Hannover zu stellen, er solle aber vorerst noch den Rat des Herrn Justizrats Krause in Berlin (Vizepräsident des Abgeordnetenhauses und ebenfalls langjähriger Freund des alten Falkenhagen) einholen. Ich lud den Angeklagten ein, bei mir Mittag zu essen. Nachmittags gingen wir zu Herrn Justizrat Krause. Dieser riet dem Angeklagten ebenfalls, sich sofort der Staatsanwaltschaft in Hannover zu stellen. Der Angeklagte sandte darauf einen eingeschriebenen Brief an die Staatsanwaltschaft zu Hannover. Ich ging alsdann mit dem Angeklagten in das Lokal von Siechen und von dort in die Weinhandlung von Kempinski. Der Angeklagte war ungemein niedergeschlagen. Da mir bekannt ist, daß die Zustände in der Friedrichstraße in Berlin geradezu toll sind (Heiterkeit), so begleitete ich den Angeklagten in sein Hotel. Wir wurden, es war in später Nacht, von einer ganzen Anzahl Dirnen angerempelt, der Angeklagte hat aber alle diese Zudringlichkeiten sehr energisch zurückgewiesen. Am folgenden Tage hörte ich, daß der Angeklagte verhaftet sei.

      Gerichtsarzt Dr. Schwabe begutachtete: Die Kugel habe den Darm durchschlagen und so tief gesessen, daß er sie nur mit Mühe mit dem Meißel herausstemmen konnte. Der Tod sei durch Verblutung in der Bauchhöhle eingetreten.

      Der Vorsitzende verlas darauf die den Geschworenen vorzulegenden Schuldfragen: 1. Ist der Angeklagte schuldig, einen Zweikampf mit dem Landrat v. Bennigsen bestanden und 2. in diesem seinen Gegner getötet zu haben?

      Es nahm alsdann das Wort Erster Staatsanwalt Dr. Kitz: Es haben in der letzten Zeit mehrfach Zweikämpfe mit tödlichem Ausgange stattgefunden. Aus diesem Anlaß hat sich die Presse eingehend mit der Frage wegen der Berechtigung des Zweikampfes beschäftigt. Von der einen Seite wird der Zweikampf als ein notwendiges Übel, von der anderen Seite als Unsitte bezeichnet, die allen göttlichen und menschlichen Gesetzen und aller Logik widerspricht. Es ist von dieser Stelle nicht meine Aufgabe, über die Berechtigung des Zweikampfes ein Urteil abzugeben. Ich bin aber der Meinung, eine seit Jahrhunderten im deutschen Volke eingebürgerte Sitte ist nicht so ohne weiteres aus der Welt zu schaffen. Es ist von gewissen Zeitungen verlangt worden, die Tötung im Zweikampfe als Mord zu bestrafen. Das ist selbstverständlich ein vollständiges Verkennen der Sachlage. Eine hiesige Zeitung schrieb: Herr Landrat v. Bennigsen hat in leichtfertiger Weise sein Leben aufs Spiel gesetzt und dabei den Kürzeren gezogen. Das entspricht selbstverständlich in keiner Weise dem Ernst der Sachlage. Herr v. Bennigsen, der sein ganzes Lebensglück und das seiner Kinder zerstört sah, konnte nicht anders als in dieser Weise als Rächer seiner Ehre auftreten. Selbstverständlich soll auch den Duellanten eine möglichst hohe Strafe treffen. Das Gesetz hat gegen Duellanten eine Strafe bis 15 Jahre Festung vorgesehen. Ich habe die Überzeugung, der Gerichtshof wird bei der Strafzuerkennung die gesamten Umstände in Betracht ziehen und auf eine hohe Strafe erkennen Wenn ein Mann im Alter des Angeklagten auf eine Reihe von Jahren seiner Freiheit beraubt wird dann ist das immer eine erhebliche Strafe. Eine entehrende Strafe ist in dem gegenwärtigen Falle nicht möglich. Es muß aber auf eine möglichst hohe Strafe erkannt werden, schon um dadurch eine Verminderung der Duelle herbeizuführen. Es steht fest, daß der Angeklagte seinen Gegner im Zweikampfe töten wollte und auch, daß er der frivole Beleidiger ist. Er hat sich als Freund in das Haus des Herrn v. Bennigsen eingeführt und ist pflichtvergessen genug gewesen, diese ihm gewährte Gastfreundschaft in schmählichster Weise zu mißbrauchen. Er hat dadurch nicht bloß das Familienglück des Herrn v. Bennigsen zerstört, sondern auch durch sein Verhalten im Zweikampfe die fünf Kinder ihres Vaters beraubt. Es ist das um so schlimmer, da die Kinder von der Mutter für immer getrennt sein dürften. Strafmildernd kann hier höchstens in Betracht kommen, daß Frau v. Bennigsen um mehrere Jahre älter als der Angeklagte ist, und daß mithin die Schuld mehr auf seiten der Frau v. Bennigsen liegt. Ich


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