Zwangsvollstreckungsrecht, eBook. Alexander Bruns

Zwangsvollstreckungsrecht, eBook - Alexander Bruns


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oder Schuldenregulierungsverfahren den nichtgerichtlichen Vollstreckungsorganen nicht oder nur im Zusammenwirken mit dem Gläubiger übertragen sind (z.B. keine selbstständige Tilgungsregulierung des Gerichtsvollziehers, keine Verlängerung der Räumungsfrist etc.). Die Eingriffsbefugnisse des Vollstreckungsgerichts bleiben auf Vollstreckungshärten in engerem Sinne beschränkt und umfassen nicht die Titelkorrektur. Ein Schuldner, der sie erstrebt, muss ein Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung unter Schuldenregulierung beantragen, das eine adäquate Verfahrensbeteiligung aller Gläubiger und des Schuldners garantiert. Das Zugeständnis der Kontrolle des Eigentumsvorbehaltes bei der Pfändung unpfändbarer eigener Sachen durch den Gläubiger ist tragbar, solange diese Kontrolle im Streitfalle urkundlich erfolgt und kompliziertere Rechtsfragen ausgeschaltet bleiben (§ 811 Abs. 2). Der Vereinfachungseffekt der Formalisierung wäre in fragwürdiger Weise umgesetzt, wenn an die nichteheliche oder nicht eingetragene Lebenspartnerschaft als Vermutungsgrund für Schuldnergewahrsam angeknüpft würde (§ 739): während sich die Eheschließung und die eingetragene Lebenspartnerschaft mit ihrer Formalisierung als Vermutungskriterium eines formalisierten Verfahrens eignen, ist dies bei der vielgestaltigen und konturenschwachen nicht ehelichen bzw. nicht eingetragenen Lebensgemeinschaft gerade nicht der Fall. Der Streit im Rahmen des § 766 wird sich dann eben statt um den Besitz um die nichteheliche Gemeinschaft drehen. Vielleicht ist es letztlich verfehlt, in einer Zeit des Formenzerfalls im menschlichen Zusammenleben Kategorien dieses Zusammenlebens zu Kriterien eines formalisierten Verfahrens zu erheben. Die ehrlichere Lösung wäre der Mitgewahrsam des Schuldners an beweglichen Sachen in einer gemeinsamen Wohnung als ausreichende Pfändungsvoraussetzung, der Streit wäre dann um das veräußerungshindernde Recht im gewöhnlichen Erkenntnisverfahren auszutragen.

      4.31

      

      Anzumahnen ist eine formalisierte Regelung der persönlichen Reichweite eines Räumungstitels (§ 885). Denkbar wäre die Wirkung des Titels gegenüber allen Insassen des Raumes ohne Urkunde über ein Recht zum Besitz, das sich aus einem Rechtsverhältnis zum Gläubiger oder Schuldner herleiten kann; gegen Untervermietungen nach Rechtshängigkeit helfen u.U. §§ 727, 325 (s.a. Rn. 17.12). Man könnte zusätzlich an eine Befugnis des Gerichtsvollziehers zur Identitätsfeststellung des Untermieters mit Urkunde denken.

      4.32

      

      Erfreulich im Sinne notwendiger Formalisierung ist die Klarstellung der Voraussetzungen, des Verfahrens und der Reichweite einer richterlichen Durchsuchungsanordnung, wie sie die Rechtsprechung des BVerfG (Rn. 7.13, 7.43, 8.12 ff.) verlangt. Ob es allerdings ratsam ist, den zeitlichen und örtlichen Geltungsbereich (Wohnungswechsel etc.), die richterlichen Versagungsgründe, das Gehör des Schuldners und die Rechtslage bei Pfändung für mehrere Gläubiger, die nicht alle eine richterliche Anordnung erwirkt haben, offen zu lassen, erscheint recht zweifelhaft. Wo das Verfassungsrecht so tief ins Detail eingreift – bei der Durchsuchung für mehrere Gläubiger m.E. bis zur Skurrilität (Rn. 7.43, 8.17) –, sollte sich der Gesetzgeber um die klare einfachrechtliche Ausformung nicht drücken. Ob die Herausnahme der Räumungsvollstreckung den Maßstäben des BVerfG standhält, muss zweifelhaft bleiben (Rn. 8.21, 8.22).

      4.33

      

      e) Der Vollstreckungsbeschleunigung dienen in sinnvoller Weise die erweiterten Möglichkeiten der Sachaufklärung in Gestalt der Vermögensauskunft, die Befugnis des Gläubigers zur Pfändung eigener pfändungsfreier Gegenstände, die Befugnis zur anderweitigen Verwertung von Pfandgut auf Grund der Entscheidung des Gerichtsvollziehers, nahezu alle Maßnahmen zur Verbesserung der Forderungspfändung (Abgabepflicht, Formularzwang, Offenbarungsversicherung über gepfändete Forderung), die Regelung über die Verwertung des Räumungsgutes und die Abschaffung der Zwangsmittelandrohung bei Vollstreckung unvertretbarer Handlungen. Zu Recht wird es vermieden, zur Beschleunigung in die Rechtsstellung Dritter allzu unbekümmert einzugreifen, weshalb etwa die Fortwirkung der Lohnpfändung nach Arbeitsplatzwechsel zutreffend nicht vorgesehen ist.

      4.34

      f) Beim Schuldnerschutz sind titeleingreifende Befugnisse, z.B. Tilgungsregelungen oder Vertragshilfe unabhängig vom Gläubigerwillen, wie schon erwähnt (Rn. 4.20), zu Recht nicht geplant. Hier wäre m.E. auch irgendwann die Grenze erreicht, welche die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgewährleistung setzt. Ausgewogene Verbesserungen sind der einvernehmliche Tilgungsplan durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers und Datenschutzregelungen beim Schuldnerverzeichnis.

      4.35

      g) Wer das grundsätzliche Festhalten am Prioritätsgrundsatz – auch im Verhältnis Pfändung und Forderungsabtretung – begrüßt, wird gleichzeitig bedauern, dass Vorschläge zur Pfändung durch den Gerichtsvollzieher nach der Antragsreihenfolge bisher kaum Resonanz gefunden haben. Die Verwässerung der Priorität durch die Zufälligkeiten verwaltungsmäßigen Ablaufs lässt sich kaum rechtfertigen, falls man sich zu ihr als Größe pragmatischer Gerechtigkeit bekennt.

      4.36

      

      h) Der Grundsatz effektiver Verwertung ist mit der durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle eingeführten freieren Verwertungsbefugnis des Gerichtsvollziehers wesentlich gefördert. Für richtig ist zu erachten, dass schematische Verhältnismäßigkeitserwägungen – z.B. keine Verwertung, falls der Schaden für den Schuldner den Nutzen des Gläubigers deutlich überwiegt etc. – bisher keine reformerische Attraktivität entwickeln konnten. Man kann von der Vollstreckungsliquidation nie mehr erwarten als von der schuldnerischen Selbstliquidation an vergleichbarem Ort und in vergleichbarer Zeit.

      4.37

      

      Insgesamt ist den neueren Reformen und Reformbemühungen Augenmaß zu bescheinigen, sie sind ganz überwiegend positiv zu beurteilen.

      Schrifttum:

      Wassermann FamRZ 1991, 507; Arnold DGVZ 1991, 161; 1992, 20; Winterstein DGVZ 1993, 21; Arnold DGVZ 1993, 33 (Schuldbefreiung und Einzelvollstreckung); Gleußner DGVZ 1994, 145 (Vollstreckungsverzögerung).

      4.38

      Das Vollstreckungsrecht der früheren DDR war in §§ 85 ff. ZPO-DDR und entsprechenden Durchführungsbestimmungen zur ZPO-DDR geregelt. Die Erfüllung von vollstreckbaren Ansprüchen war im totalitären System eine Frage „sozialistischer Moral“, über deren Befolgung der Betrieb des Schuldners im Zusammenwirken mit „Kollektiven der Werktätigen“ (Konfliktkommissionen, Schöffen) zu wachen hatte (§ 85 ZPO-DDR). Neben diesem gesellschaftlichen Zwangsmechanismus stand eine verfahrensmäßige Zwangsvollstreckung, die sich an folgenden Grundsätzen orientierte: Gläubigerdisposition in Gestalt eines Vollstreckungsantrags (§ 86 Abs. 1 ZPO-DDR); zentrale Zuständigkeit des Sekretärs des örtlichen Kreisgerichts für alle wesentlichen Vollstreckungsmaßnahmen (§§ 94 ff. ZPO-DDR); Amtsermittlung mit weitgehenden Ermittlungsrechten des Kreisgerichts auch bei Dritten und Unterrichtungspflichten des Schuldners über seine Vermögensverhältnisse und ihre Veränderungen (§§ 86 Abs. 2, 95 ZPO-DDR); Amtsbetrieb (§ 94 Abs. 1 ZPO-DDR); grundsätzlicher Vorrang der Pfändung von Arbeitseinkünften gegenüber anderen Vollstreckungsarten (§ 86 Abs. 4 ZPO-DDR);


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