Scepter und Hammer. Karl May

Scepter und Hammer - Karl May


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wem denn und wofür denn? Oder ist das etwa ein Geheimniß?«

      Der Grenadier nickte bedächtig.

      »Das ist am den!«

      Dann erhob er sich und schob sich langsam von dannen. Es lag nicht in seiner Absicht, sich ausfragen zu lassen. Thomas und Heinrich aber neckten sich fort, bis der Meister nach ihnen rief. Der König hatte in Begleitung des Doktors die Schmiede verlassen; nun konnten die Gehilfen wieder an ihre gewohnte Arbeit gehen.

      Erst nach Verlauf von über einer Stunde kehrte Max zurück. Rasse.

      »Bekommen?« frug der Vater, vor die Thür tretend.

      »Ja, sogar auch vom Minister.«

      »Du bringst sie natürlich zu uns!«

      »Versteht sich!«

      Er nahm den Rappen in die Zügel und sprengte im kurzen Galoppe davon. Der Schmied sah ihm nach, so lange er es vermochte; es konnte Niemand stolzer sein als er auf seinen Sohn.

      Max verfolgte dieselbe Straße, auf welcher er heute Morgen nach der Ruine gelangt war. Von da führte sie immer längs des Flusses stromaufwärts in das Gebirge, wo in etwa drei Meilen Entfernung von der Residenz ein steiler Höhenzug bis hart an das Ufer trat und dort eine natürliche Felsenbastion bildete, auf welcher sich das alte Schloß erhob, dessen aus den verschiedensten Jahrhunderten stammende Baulichkeiten jetzt die Landesirrenanstalt bildeten. Der Direktor derselben war ein ehemaliger hoher Militärarzt, welcher durch die Protektion des Herzogs von Raumburg diese höchst einträgliche Stellung erhalten hatte.

      Er hatte sich vor wenigen Minuten erhoben und saß mit seiner Familie bei dem sehr reichlich ausgewählten Frühstücke. Der Mann erfreute sich eines bedeutenden Leibesumfanges, und seine feisten, glänzenden Wangen gehörten ganz entschieden zu der Kategorie der Hängebacken.

      »Nichts Neues, meine Liebe? Bitte, schenke mir nochmals ein!«

      »Es kam diese Nacht ein Kurier vom Herzog. Er wollte unbedingt Dich selber sehen; ich sagte ihm jedoch, daß Du verreist seist. Hier hast Du Kaffee! Ist er süß genug?«

      »Recht so, mein Herz! Der Schlaf ist das bedeutendste Bedürfniß der menschlichen Konstitution; wer ihn kürzt, kürzt sich das Leben. Die Depesche kommt auf alle Fälle noch rechtzeitig zum Lesen. Bitte, thu mir noch ein Stück Zucker in die Tasse!«

      »Sie liegt hier auf dem Teller. Willst Du sie öffnen? Hier ist Zucker!«

      »Laß sie liegen! Jede Lektüre bei Tische strengt mittelbar diejenigen Theile unseres Körpers an, welche der Verdauung, also der Erhaltung unseres Lebens dienen. Gieb mir noch ein Brödchen; aber etwas mehr Butter darauf!«

      »Hier hast Du, mein Lieber! Was wünschest Du zum zweiten Frühstücke? Wirst Du zum Morgenrapporte heut nicht etwas zu spät kommen?«

      »Nein, liebe Frau; der Vorgesetzte kommt niemals zu spät; das mußt Du Dir merken. Eine kleine, noble Verzögerung, wie Du sie ja auch stets beim Besuche der Soiréen und Kränzchen in Anwendung zu bringen pflegst, gehört mit zu den Vorzügen und Rechten der Distinktion. Dein Schinken war gestern gut; ich möchte von ihm haben, doch gieb mir statt des Bordeaux einmal einen Trébisond. Er ist zwar etwas schwer, aber meine angegriffenen Nerven bedürfen einer solchen Stärkung. Ich glaube, ich werde einige Wochen in das Seebad gehen müssen. Ein Stück Torte hast Du wohl übrig. Magst Du mir die Tasse nochmals füllen?«

      »Hier, mein Guter! Es ist wahr, Du strengst Dich wirklich zu sehr an, was um so mehr zu bedeuten hat, als diese Anstrengung eine rein geistige ist, ganz abgesehen davon, daß die tägliche Revision der Zellen auch bedeutend echauffirt. Ich werde den Konditor abdanken. Er macht mir seit einigen Tagen zu viel Mandeln in das Gebäck, welches dadurch einen bittern Geschmack erhält, der mir den ganzen Tag nicht von der Zunge kommt.«

      »Ich empfehle Dir allerdings, zu einem andern zu gehen. Die bittre Mandel hat einen ganz bedeutenden Gehalt an Blausäure, bekanntlich eines der stärksten Gifte, und ich habe natürlich nicht im mindesten die Intention, mich von dem ersten besten Zuckerbäcker umbringen zu lassen. – Was Du da von der geistigen Anstrengung sagst, hat seine vollständige Richtigkeit, ganz besonders aber bei dem Irrenarzte. Durch das stete Beisammensein mit geistig gestörten Subjekten schwebt man stets in höchster Gefahr, selbst verrückt zu werden, wie es ja Fälle gegeben haben soll, daß irrthümlich Internirte, welche vollständig gesund waren, dadurch wirklich monoman geworden sind. Ich halte mich in Folge dessen von jeder näheren Beziehung zu meinen Wahnsinnigen und jeder Beobachtung ihres Zustandes grundsätzlich fern. So, das hat geschmeckt, und nun gib die Depesche her, meine Liebe!«

      Sie reichte ihm das sorgfältig versiegelte Schreiben; er erbrach dasselbe, um es zu lesen.

      »Hm, ein neuer Zuwachs!« meinte er sodann, das Papier zusammenfaltend.

      »Männlich?«

      Zigeunerin.«

      »Ah! Jedenfalls eine Landstreicherin. Woher wird sie eingeliefert?«

      »Sie kommt selbst.«

      »Selbst? Freiwillig? Wie ist das möglich?«

      »Sie kommt, um ihren Sohn zu besuchen, und wird dabei festgehalten.«

      »Wer ist ihr Sohn?«

      »Nummer Elf der Tobsüchtigen.«

      Die ältere Tochter legte den Kaffeelöffel klirrend in die Tasse zurück.

      »Der hübsche Offizier, welcher immer behauptete, er sei gesund und werde nur aus schlimmen Gründen für krank erklärt?«

      »Derselbe, mein Kind.«

      »Papa, ich halte ihn für nicht wahnsinnig, und die beiden Unterärzte sind ganz derselben Meinung.«

      »Woher weißt Du das Letztere?« frug er frappirt.

      »Ich hörte diese Bemerkung, welche sie aussprachen, ohne meine Gegenwart zu wissen.«

      »Die beiden Assistenten sind noch jung im Berufe und haben also kein Urtheil. Der Oberarzt hat ebenso wie ich die Krankheit konstatirt, und überdies liegt über dieselbe ein Urtheil unserer allmächtigen Durchlaucht vor, welches Du wohl als untrüglich gelten lassen mußt. Nummer Elf wird die Anstalt nicht verlassen. Seine Störung tritt täglich mehr und mehr hervor; er gehört bereits zu den Tobsüchtigen, und da ich ihn nicht anders als durch Kostentziehung zu diszipliniren vermag, so ist er körperlich bereits so abgeschwächt, daß er sich binnen kurzer Zeit todtrasen wird. Er kommt ohnehin aus der Zwangsjacke niemals heraus.«

      »Es muß hier ein höchst interessantes Geheimniß vorliegen, Papa. Er war Hauptmann trotz seines jugendlichen Alters und ist der Sohn einer Zigeunerin. Der Herzog lieferte ihn ein und gibt Dir jetzt auch den Befehl, seine Mutter festzuhalten. – Hast Du den »Irren von St. James« von Philipp Galen gelesen, Papa?«

      »Mein Kind, ich habe nach der Überzeugung zu handeln, daß sich der Herzog und die Wissenschaft niemals irren können. Die Familienbeziehungen der Eingelieferten gehen mich nichts an, und daß mir für die Lektüre von Romanen nicht die mindeste Zeit übrig bleibt, weißt Du ja. Ich glaube sehr, daß an Deinem »Irren von St. James« nicht ein Tüpfelchen Wahrheit ist!«

      Er erhob sich, um sich zum Rapporte zu begeben.

      Die Ärzte standen bereits, von dem Diener eingeführt, in seinem Arbeitskabinete. Sie hatten schon über eine halbe Stunde auf ihn gewartet.

      »Guten Morgen, meine Herren,« grüßte er herablassend. »Setzen Sie sich! Ehe ich Ihnen den täglichen Bericht abnehme, muß ich Sie auf einen Umstand aufmerksam machen. Es wird nämlich im Laufe des Vormittags eine Zigeunerin erscheinen, um ihren Sohn zu sehen. Diese Person ist wahnsinnig und wird sofort, das will ich gestatten, da die mir gewordene Instruktion es nicht verbietet, auf fünf Minuten zu ihrem Sohn gebracht, dann aber ohne jede weitere Manipulation in einer der Zellen für tobsüchtige Weiber installirt.«

      »Wer ist ihr Sohn?« frug der Oberarzt.

      »Der Hauptmann Nummer Elf.«

      Die beiden Assistenten warfen sich einen bedeutungsvollen Blick zu, und auch über das Gesicht des Oberarztes zuckte ein nur halb unterdrückter Zug der Überraschung.

      »Seine


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