Scepter und Hammer. Karl May

Scepter und Hammer - Karl May


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Kommissär, ich habe die Ehre – —«

      »Bitte, Herr Direktor, wo haben Sie den Herrn Oberarzt gelassen?«

      »Er mußte schleunigst zu einem Kranken, welcher – —«

      »Bitte, rufen Sie ihn ebenso schleunigst zurück! Sie könnten sonst in den Verdacht kommen, daß er beauftragt sei, die Anstalt auf meine Inspektion vorzubereiten.« ein.

      »Brechen wir auf, meine Herren!« gebot Max. »Ich wünsche zunächst die Kollektivräume, wie den Andachtssaal, die Küche, Spazierorte und so weiter zu sehen, und dann gehen wir die Einzelzellen durch.«

      Es war das erste Mal, daß ein königlicher Kommissär vollständig unangemeldet die Anstalt überraschte, und das scharfe Auge des Doktors erblickte Manches, über welches er zwar einen lauten Tadel zurückhielt, doch bemerkten seine Begleiter an den zahlreichen Notizen, welche er eintrug, daß sie es nichtsdestoweniger mit einem strengen Besuche zu thun hatten.

      Der Rundgang durch dieses Haus der Irren ließ Max einen tiefen Blick in die Leiden thun, denen der menschliche Geist ausgesetzt ist. Es gab da Gemüthskranke, welche irgendein eingebildetes Ereigniß betrauerten, Idioten, die leise und unablässig vor sich hinwimmerten, Tiefgestörte, welche nie einen Laut von sich gaben, und Redselige, die keinen Augenblick zu schweigen vermochten. Es gab da Künstler und Dichter, die, berühmt durch ihre Werke, hier an kindischer Einbildung laborirten oder unter dem Eindrucke eines finstern Phantomes wie seelenlose Kreaturen dahinvegetirten. Einer hielt sich für einen Tiger. Man hatte seine Zelle in einen Menageriekäfig verwandeln müssen; er aß nur rohes, blutiges Fleisch, welches er mit den Zähnen und seinen langen Nägeln zerriß, und brüllte wie ein wildes Thier. Ein Anderer drehte sich unablässig um sich selbst; er bildete sich ein, die Erdachse zu sein. Ein Fernerer beobachtete den Himmel durch eine wie ein Fernrohr gebrauchte Papierrolle; er hielt sich für Galilei und entdeckte alle Tage neue Sterne. Ein Weiterer glaubte Bonaparte zu sein; er stand laut kommandirend in seiner Zelle und dirigirte die Schlacht bei Wagram.

      In der Zelle Nummer Elf saß ein junger Mensch, in der Weise in die Zwangsjacke eingepreßt, daß die furchtbare Kongestion nach dem Kopfe ihm den Verstand rauben mußte. Dicker Schaum triefte ihm aus dem Munde, und die blutunterlaufenen Augen quollen aus ihren Höhlen. Er vermochte nicht zu sprechen, sondern ließ bei dem Eintritte der drei Männer nur ein wildes, unartikulirtes Ächzen vernehmen, in welchem sich die entsetzlichste Todesangst ausdrückte.

      Max.

      »Er hat sich an seinem Wärter vergriffen und ihn beinahe getödtet. Er ist der Schlimmste der Tobsüchtigen und nur auf diese Weise zu zähmen.«

      Im Weiberhause wiederholten sich mit den durch das Geschlecht bedingten Abänderungen ganz dieselben Szenen und Verhältnisse. Aus einer der Zellen erscholl ein so entsetzliches Geschrei, daß Max es nicht anzuhören vermochte.

      »Um Gotteswillen, Herr Direktor, gibt es kein Mittel, diese Leute zum Schweigen zu bringen?«

      »Sie werden von selbst aufhören. Man hat diese Art Gebrüll stets zu hören, wenn ein Zuwachs zum ersten Male in die Jacke kommt.«

      »Diese Person befindet sich also erst seit Kurzem hier?«

      »Seit heute.«

      »Wer ist sie?«

      »Eine Zigeunerin.«

      »Ah! Welcher Art ist ihr Wahnsinn?«

      »Das hatten wir noch nicht Gelegenheit zu beobachten, Herr Doktor.«

      »Aber durch die Einlieferungsakten muß Ihnen eine Bemerkung darüber doch unbedingt zugegangen sein?«

      »Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, sie zu lesen.«

      »Bitte, lassen Sie öffnen!«

      Die begleitende Wärterin schob die Riegel zurück. Inmitten der Zelle lag Zarba auf der Diele; ihre Füße staken in eisernen Klammern und ihr Oberkörper war ganz in derselben Weise wie bei dem Irren Nummer Elf eingeschraubt. Max hatte Mühe, seine Ruhe zu bewahren.

      »Ist diese Behandlung durchaus nöthig, Herr Direktor?«

      »Durchaus.«

      »Aus welchem Grunde?«

      »Nun?« frug der Direktor die Wärterin.

      »Sie schlug an die Thür und begehrte, herausgelassen zu werden.«

      »Dieser Begehr ist ein sehr natürlicher und, wie mir scheint, hier auch gerechtfertigt. Ich ersuche Sie, Herr Direktor, die Gequälte aus ihrer Lage zu befreien!«

      »Ich darf diesem Wunsche unmöglich Gehör schenken, Herr Doktor. Es ist eine Heilung vollständig unmöglich, wenn man verzeihen!«

      Der Beamte wußte gar wohl, warum er diese Antwort gab. Entfesselte er die Zigeunerin, so stand gewiß eine Enthüllung der Angelegenheit bevor, über welche der Kommissär am wenigsten Etwas erfahren durfte.

      »Es ist Ihnen also unmöglich, meine Bitte zu erfüllen?«

      »Leider!«

      »So befehle ich es!«

      Der Direktor blickte ihm halb verwundert und halb besorgt in das Gesicht. Es gab nur einen Ausweg:

      »Ich darf auch diesen Befehl nicht berücksichtigen, Herr Doktor. Überhaupt habe ich Befehle zu erhalten nur von Vorgesetzten, welche Eigenschaft Sie allerdings nicht besitzen. Die Excellenz hat mir befohlen, Ihnen alle Auskunft zu ertheilen, nicht aber, Befehle von Ihnen entgegen zu nehmen!«

      »Schön! Bitte, lesen Sie auch Dieses!«

      Er zog ein zweites Schreiben hervor und überreichte es. Der Direktor erbleichte, als er seinen Inhalt überflog.

      »Sie sehen, Herr Direktor, daß es mir allerdings hier zusteht, jede mir beliebige Verfügung zu treffen; diese eigenhändige Instruktion Seiner Majestät muß Sie davon überzeugen. Lassen Sie diese Frau nicht sofort entfesseln, so entsetze ich Sie auf der Stelle Ihres Amtes!«

      Diese Drohung hatte einen augenblicklichen Erfolg. Der Direktor war der Wärterin sogar selbst behilflich, die Jacke aufzuschnallen und die Klammern zu lösen. Kaum vermochte die Gemarterte, wieder frei zu athmen, so verstummte ihr Geschrei; aber eine Aufklärung ihrerseits hatte der Beamte nicht zu befürchten; sie sank besinnungslos zu Boden. Er sollte aber die Überzeugung erhalten, daß der Kommissär besser unterrichtet sei als er selbst.

      »Sie sprachen vorhin von den Einlieferungsakten dieser Kranken, die Sie noch nicht studirt haben?«

      »Allerdings.«

      »Sie haben dieselben aber bereits in Ihrer Hand gehabt?«

      »Ja.«

      »Sie lügen!«

      »Herr Doktor – —!«

      »Ich wiederhole es, Sie lügen. Bitte, schicken Sie sofort, sie herbeiholen zu lassen!«

      »Ich glaube – ich hoffe, Herr Doktor, daß – ich wollte sagen —«

      »Nun, was wollten Sie sagen?«

      »Daß diese Akten allerdings nicht ganz die gewöhnliche Form besitzen – »

      »Sondern nur in einem Befehle des Herzogs von Raumburg bestehen?«

      Der Direktor erschrak auf das Heftigste. Wer war dieser junge Mann, dieser einfache »Doktor Max Brandauer«, der doch ein so außerordentliches Vertrauen des Königs besaß, daß er mit augenblicklicher Entlassung drohen konnte? Und wie kam er dazu, von dem Befehle des Herzogs zu wissen?

      »So – so – ist es!« stotterte er.

      »Sie werden mir diesen Befehl ausliefern!«

      »Herr Doktor, ich kann nicht sagen, ob er sich noch vorfinden wird.«

      »Sie werden ihn finden, um eine amtliche Durchsuchung Ihrer Papiere zu vermeiden. Diese Frau betrat die Anstalt, um ihren Sohn zu besuchen?«

      »So ist es.«

      »Wo befindet sich derselbe?«

      »In Nummer Elf der Tobsüchtigen.«

      »Ah! Jener so furchtbar Gefesselte


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