Scepter und Hammer. Karl May

Scepter und Hammer - Karl May


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scharfes, offenes Auge mit den derben, gutmüthigen Zügen sehr glücklich harmonirte. Dieser Kopf war bedeckt von einem Hute, der so alt war, daß man den Stoff, aus dem er gefertigt war, und die ursprüngliche Farbe nur nach einer eingehenden chemischen Untersuchung hätte bestimmen können. Er war in unzählige Knillen und Falten gedrückt, und weil sein Besitzer jedenfalls eine freie Stirn liebte, so hatte er denjenigen Theil der breiten Krempe, welcher bestimmt ist, das Gesicht zu beschatten, einfach mit dem Messer abgeschnitten. Der Oberleib stak in einem kurzen, weiten, seegrünen Rocke, dessen Ärmel so kurz waren, daß man den vorderen Theil der sauber gewaschenen Hemdärmel hat.

      Der Andere war eine kleine, schmächtige Figur. Er trug eine rothe phrygische Mütze, unter welcher ein rabenschwarzes Haar in langen Locken hervorquoll. Sein hageres Gesicht war außerordentlich scharf geschnitten und zeigte jenen orientalischen Typus, welchen man besonders an den Zigeunern zu bemerken pflegt. Sein schwarzes, unruhiges Auge wanderte rastlos von einem Gegenstande zum andern, und jeder Zollbreit des ganzen Mannes zeigte jene Unruhe und Beweglichkeit, die dem wandernden Volke der Zigeuner zu eigen ist. Seine Kleidung war einfach, bequem und nicht so auffallend wie diejenige seines gigantischen Reisegefährten, doch trug sein schwankender Gang ganz dieselben Spuren einer zurückgelegten längeren Seereise.

      An Alter waren Beide einander ziemlich gleich, und auch nach ihrem Innern schienen sie verwandt zu sein, wie die kameradschaftliche Weise ihrer Unterhaltung zeigte.

      »Ein verdammter Weg, nicht wahr, Bruderherz?« meinte der Riese. »Hätte ich gewußt, daß man in diesem Fahrwasser bei jedem Schritte an eine Klippe segelt, so hätte ich einen andern Kurs vorgezogen, wenn wir auch einige Tage später in der Residenz die Anker geworfen hätten.«

      »Ich muß herauf in das Gebirge,« antwortete der Kleine. »Hättest Du die Bahn benützt, so wärest Du in einem halben Tage an Ort und Stelle gewesen.«

      »Die Eisenbahn? Hat Dich der Klabautermann gebissen, he? Soll ich etwa meinen Leichnam in eine Koje stecken, in der man weder stehen, noch sitzen, noch liegen kann und wo noch zehn Andere hocken, so daß ich meine armen Beine geradezu zum Fenster hinausrecken müßte? Und meinst Du wirklich, daß ich so einen braven Maate, wie Du bist, allein in diese Wildniß dampfen lasse, in der er jeden Augenblick Schiffbruch leiden und zum elenden Wrack werden kann? Hast Du mir nicht selbst erzählt, daß es hier eine Menge Ungeziefer gibt, dem nicht zu trauen ist, Schmuggler, Wilddiebe und wie die Piraten und Flibustier alle heißen mögen, denen es möglichen Falles auch nicht darauf ankommt, mit einer Kugel ein ehrliches Menschenkind in den Hafen zu bugsiren, von welchem aus Keiner wieder in See gegangen ist? Nein, wo Du bist, da bin ich auch, ich, der Steuermann Balduin Schubert auf seiner Majestät Kriegsschiff Neptun.«

      »Gut, Steuermann; wir sind Freunde und werden auf gleicher Länge und Breite bleiben, bis Du wieder an Bord irgend eines Fahrzeuges gehst.«

      »Ich?« frug Schubert erstaunt. »Nur ich? Ich denke, das thun wir Beide mit einander! Oder hast Du etwa gar Lust, unter das armselige Volk der Landratten zu gehen, die kein Floß von einem Dreimaster unterscheiden können und vor Angst in Ohnmacht fallen, wenn sie einen Tropfen Seewasser sehen?«

      »Du weißt es, Steuermann, daß ich die See liebe, obgleich ich auf dem Wasser die schlimmsten Tage meines Lebens verbracht habe. Es ist mein Wunsch, einst auf dem Meere sterben zu können, aber ich weiß heute nicht, ob nicht die Verhältnisse mich am Lande festhalten werden.«

      »Verhältnisse? Heiliges Mars- und Brahmenwetter! Was kann es denn für Verhältnisse geben, die Dich, den Bootsmann Karavey, verhindern könnten, wieder in See zu gehen?«

      »Dieselben Verhältnisse, welche mich jetzt an das Land und herauf in das Gebirge treiben.«

      »Ich weiß kein Wort von ihnen. Du nennst mich Deinen besten Freund und hast mir noch kein Wort davon gesagt. Ist das recht, he? Wenn Du nicht augenblicklich den richtigen Faden abwickelst, so verdienst Du, gekielholt oder an den Brahmstängenstag gebunden zu werden!«

      »Räsonnire nicht, Alter! Es war bisher niemals die richtige Zeit, von diesen Dingen zu sprechen; jetzt aber sollst Du Alles hören.«

      Lande!«

      »Soll geschehen! Du kennst meine Abstammung und weißt, daß ich ein Gitano bin, der – »

      »Papperlapapp! Gitano, Zingaritto, oder Zigeuner, mir Alles gleich. Du bist ein braver Junge, und da frage ich nicht, ob Deine Mutter eine Gräfin oder eine Vagab- wollte sagen, eine Zigeunerin war.«

      »Das bist Du. Aber außer Dir hat es genug Leute gegeben, welche doch darnach fragen. Mein Vater war Vajda und meine Mutter Vajdzina unseres Stammes. Ich und – »

      »Stopp, Alter! Was bedeuten diese fremden Worte, he?«

      »Sie heißen zu Deutsch Führer und Führerin. Ich und meine Schwester Zarba waren die einzigen Kinder, hatte.«

      »Wieder ein solches Wort, bei dem man in die Zunge einen Knoten machen muß, wenn man es richtig aussprechen will!«

      »Bhowannie ist die Göttin unseres Volkes. Zarba war der Liebling des Stammes, die Schönste aller Mädchen, die herrlichste unter den Blumen und Rosen der Erde. Wir waren stolz auf sie und hüteten sie vor den verlangenden Blicken der jungen Männer aller Länder, durch welche wir zogen. Sie war der Born unserer Freuden und der Quell unseres Glückes, denn sie verstand es besser als alle Andern, in die Zukunft zu blicken und die Schicksale der Sterblichen voherzuverkünden.«

      »Papperlapapp, Alter, das glaube ich nicht! Mensch.«

      »Um das zu können, Steuermann, braucht man nicht allwissend zu sein. Die Eigenschaften eines Menschen sind ihm an die Stirn geschrieben; man liest sie aus jedem Blicke seines Auges, und man vernimmt sie aus jedem Worte seiner Rede. Verstehst Du das, und weißt Du, wen Du vor Dir hast, so wird es Dir nicht schwer, ihm ein Schicksal zu verkünden, welches sicher eintreffen muß. Zarba war unsere beste Wahrsagerin; sie verdiente für uns Gold und Silber von den Reichen und Speise, Trank und Kleidung von den Andern. Gar viele Jünglinge des Stammes hatten ihre Augen auf sie geworfen, doch sie erhörte keinen, weil ihr Herz nicht sprechen wollte. Da kamen wir in die Residenz, und sie erblickte einen jungen, blanken Offizier, der ihr Herz zur Rede zwang.«

      »Wer war es?«

      »Ein hoher Herr, aber ein Schurke: der Herzog von Raumburg.«

      »Heiliges Mars- und Brahmenwetter! Eine Zigeunerin und ein Herzog! Sie muß ganz verteufelt hübsch gewesen sein.«

      »Das war sie, Steuermann, und das war ihr Unglück.«

      »Da hat sie wohl gar geglaubt, Herzogin zu werden?«

      »Was er ihr vorgeschwatzt und versprochen hat, weiß ich nicht. Sie aber ließ sich bethören, entfloh von uns und ging zu ihm.«

      »Habt Ihr sie nicht zurückgefordert?«

      »Wir thaten es wiederholt, jedoch vergeblich.«

      »Da schlage der Blitz in die Kombüse! Wäre ich ihr Vater oder ihr Bruder gewesen, so hätte ich mich Bord an Bord mit dem Herzoge gelegt, ihn geentert, das Mädchen fest ins Schlepptau genommen und wäre dann mit ihr davongesegelt, daß es ihm nicht gelungen wäre, mich wieder einzuholen.«

      »Stopp, alter Heißsporn! Wollte ein Zigeuner einen Herzog ansegeln, so wäre dies ganz derselbe Wahnsinn, als wenn ein einruderiges Fischerboot eine eisernen Panzermonitor über den Haufen rennen wollte. Wir mußten sie verloren geben und wurden aus dem Lande gewiesen mit der Deutung, daß man kurzen Prozeß mit uns machen werde, falls wir es uns wieder beikommen ließen, die Grenze zu überschreiten. Vater und Mutter starben vor Gram; ich sollte Vajda des Stammes werden, verzichtete jedoch darauf und ließ die Meinigen allein ziehen. Ich blieb zurück, da ich von den sterbenden Eltern die Verpflichtung überkommen hatte, über Zarba zu wachen und sie zu rächen, falls ihr Böses geschehe. Daher kehrte ich trotz aller Gefahr in das Land zurück, ward aber ergriffen und für lange Zeit in das Gefängniß gesteckt. Als ich es verließ, erhielt ich doch meine Freiheit nicht wieder, denn ich wurde auf ein Schulschiff transportirt, welches ich lange Jahre nicht verlassen durfte. Ich wurde zu den niedrigsten Diensten kommandirt, und als man mich endlich auf ein Kriegsschiff versetzte, auf welchem ich als Leichtmatrose angestellt wurde, geschah es unter der strengen Weisung, daß ich


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