Scepter und Hammer. Karl May

Scepter und Hammer - Karl May


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ganz dasselbe Schicksal zu bereiten, welches ihren Sohn in die Nacht des Wahnsinns oder des Todes stürzen sollte.«

      Der Herzog mußte sich sammeln. Er stützte sich mit der Hand auf den Schreibtisch und frug dann mit belegter Stimme:

      »Die Mutter des Hauptmanns? Er ist mir bei meinen Besuchen in der Anstalt vollständig entgangen. Hat er eine Mutter?«

      »Allerdings, und natürlich wohl auch einen Vater.«

      »Wie heißt sie?«

      »Es ist eine Zigeunerin Namens Zarba, und der Vater, welcher auch noch lebt, ist ein —«

      »Pah, wir haben es hier wohl nur mit der Mutter zu thun!«

      »Ganz, wie Excellenz wünschen! Also das Gerücht fand bei mir seinen Ausgang und wurde —«

      »Ich begreife nicht, wie Sie auf eine solche Absurdität fallen konnten!«

      »Ich pflege weder absurd zu denken, noch abgeschmackt zu handeln, Excellenz. Also das Gerücht wurde von mir dem Könige mitgetheilt, welcher mich mit dem Auftrage beehrte, als Regierungskommissär die Anstalt zu besuchen. Ich fand die Bestätigung meiner Vermuthungen, befreite sofort den Hauptmann sammt seiner Mutter und erstattete meinem hohen Auftraggeber Bericht über den Sachverhalt. Die Folge davon ist eine gegen den Leiter des Irrenhauses und den Oberarzt einzuleitende Untersuchung. Sie können dem Schicksale, in Haft genommen zu werden, wohl nicht entgehen.«

      Die Züge des Herzogs wurden noch bleicher als vorher, doch seine Augen blitzten zornig, als er frug:

      »Und dies Alles geschah ohne meine Genehmigung?«

      »Ich habe noch nie gehört, daß ein unumschränkter Herrscher zu irgend einer Handlung der Genehmigung eines seiner Diener, und wenn es der erste und oberste derselben ist, bedarf. Auch blieb wohl keine Zeit übrig, Excellenz zu benachrichtigen. Leider scheint sich herauszustellen, daß eine sehr hochgestellte Person bei der bevorstehenden Untersuchung leicht kompromittirt werden könnte; Majestät haben die gnädige Absicht, dies zu vermeiden, und wünschen daher, eine Andeutung an die betreffende Adresse gelangen zu lassen. Außer dem Könige, den beiden aus der Anstalt Befreiten und mir ist bisher Niemand in die Angelegenheit eingeweiht, und ich erkenne es als eine Huld des Herrschers, daß er keine andere Persönlichkeit als mich beauftragte, diese Andeutung zu überbringen.«

      »Und welchen Zweck hat diese Andeutung?«

      Der Doktor zuckte mit den Achseln.

      »Keinen andern, als den bereits erwähnten. Es scheint mir nicht unmöglich, daß sich der Hauptmann nebst seiner Mutter dahin bringen lassen, von einer Untersuchung abzustehen. Ein Äquivalent für die ausgestandenen Leiden müßte allerdings geleistet werden.«

      »In wessen Händen befinden sich die aus der Anstalt mitgenommenen Schriftstücke?«

      »In denen des Königs.«

      »Sie bedurften einer Legitimation von Seiten des Ministers?«

      »Allerdings, doch wurde diesem Herrn nicht die mindeste Mittheilung über den Zweck meiner Visitation gemacht.«

      Der Herzog wandte sich dem Fenster zu und blickte einige Minuten lang hinaus in die Nacht. Dann fuhr er plötzlich scharf auf dem Absatze herum.

      »Sie sind nicht im Besitze einer amtlichen Stellung, Herr Doktor?«

      »Nein.«

      »Aber ein Mann von Ihrem Wissen sollte sich doch unbedingt nützlich zu machen suchen. Ich würde bereit sein, Ihnen eine Bahn zu eröffnen, falls Sie gesonnen wären, irgend eine Art des staatlichen Dienstes zu betreten.«

      Max verbeugte sich so tief wie möglich.

      »Ich danke, Excellenz! Noch habe ich diese Absicht nicht; sollte sie sich aber einst einstellen, was ich keineswegs bezweifele, so bin ich bereits an die Adresse meines Pathen gewiesen, der es übel vermerken würde, einen Mangel an unterthänigem Vertrauen bei mir zu entdecken. Darf ich erwarten, daß unsere gegenwärtige Konferenz beendet ist?«

      »Gehen Sie!«

      Die Thür schloß sich hinter dem Doktor; der Herzog blieb allein zurück. nimmermehr!«

      Er schritt erregt in dem Zimmer auf und ab, dann faßte er nach dem Glockenzuge.

      »So wird es gehen. Sie müssen verschwinden; sie müssen stumm gemacht werden!«

      Auf sein Zeichen kam ein Diener herbei.

      »Eile in Civil nach dem Seidenmüllerschen Gasthofe. Dort wohnt ein Herr Aloys Penentrier, den Du schleunigst zu mir entbietest. Dann schickst Du mir den – den – ja, den Polizeikommissär Hartmann, und endlich gehst Du nach dem königlichen Schlosse und suchst ohne Aufsehen den Kammerlakaien Grunert zu finden. Ihn bringst Du nach meinem Garten, wo er auf der Terrasse auf mich zu warten hat!«

      Excellenz!«

      Der Diener entfernte sich, warf in seiner Wohnung einen Mantel über, setzte eine Civilmütze auf und verließ den Palast seines Gebieters. Am Flusse löste er einen Kahn von der Kette, stieg ein und ruderte sich aus allen Kräften stromauf, dem andern Ufer entgegen.

      Als er dort ankam, stieg eben Max aus seiner Gondel. Er hatte keine Veranlassung zur Eile gehabt und war also von dem Diener, der ihm jetzt keine weitere Beachtung schenkte, eingeholt worden.

      »Der Lakai des Herzogs, der mich eingelassen hat,« murmelte er überrascht; »und in solcher Eile! Jedenfalls hat er Aufträge erhalten, welche die Folge meines Besuches sind. Ich muß ihn beobachten!«

      In vorsichtiger Distanz folgte er dem Diener bis an den Gasthof der ehrsamen Wittfrau und Kartoffelhändlerin Barbara Seidenmüller. Unter einer Thür an der gegenüberliegenden Straßenseite stehend bemerkte er zwei Fenster des ersten Stockes erleuchtet und konnte zwischen den Gardinen hindurch deutlich den kleinen Rentier erkennen, welcher den Auftrag des war.

      »Der Jesuit und der Polizist?« frug sich Max. »Da ist irgend eine Teufelei im Werke. Sie trennen sich. Der Kommissär geht nach dem Flusse und der Diener in der Richtung des Schlosses. Folge ich dem Einen oder dem Anderen? Ich kehre zum Herzoge zurück und wage es, durch den verborgenen Weg seine Bibliothek zu erreichen. Dort kann ich Alles hören und brauche, selbst wenn ich ertappt werden sollte, keine ernstliche Gefahr zu befürchten.«

      Max führte diesen Entschluß sofort aus. Sich des Fährmannes von Neuem bedienend gelangte er kurze Zeit nach dem Polizisten an das jenseitige Ufer, passirte das Palais an der hinteren Fronte desselben, versicherte sich, daß er unbeobachtet sei, und stieg dann in den Garten. Sich zu der Terrassentreppe schleichend stieg er durch das Fenster, welches er sofort wieder in die Öffnung befestigte, hinab und verfolgte langsam den Gang, mit dessen Einzelnheiten er noch vollständig vertraut war. Die nothwendige Vorsicht war Schuld, daß er nur langsam vorwärts kam; doch gelang es ihm, geräuschlos die Bibliothek zu erreichen, in welcher heute kein Licht brannte. Im Arbeitszimmer vernahm er Stimmen. Er näherte sich der PortiŠre und kam gerade noch zur rechten Zeit, um den sich verabschiedenden Penentrier zu bemerken.

      Dieser hatte sich schleunigst zum Herzoge begeben, welcher ihn mit Ungeduld erwartete.

      »Ich bin erstaunt, Excellenz,« begann er —

      »Schon gut!« fiel ihm der Herzog in die Rede. »Wir geriethen letzthin in einige kleine Differenzen, welche aber wohl nicht der Rede werth sind. Nehmen Sie Platz, mein lieber Pater. Ich habe in Betreff der Irrenanstalt mit Ihnen zu sprechen.«

      Die Brauen des Jesuiten zogen sich erwartungsvoll empor.

      »Gibt es vielleicht einen neuen Aspiranten, der so geistig angegriffen ist, daß er es verschmäht, auf unsere Intentionen einzugehen?«

      »Das nicht; vielmehr findet das gerade Gegentheil statt: die geistig Irren stehen im Begriffe, ihre Ketten zu zerbrechen, um uns damit zu fesseln.«

      »Ah!«

      »Es soll auf höchsteigene Veranlassung der Majestät eine Untersuchung gegen den Direktor und Oberarzt der Anstalt eingeleitet werden, weil —«

      »Jesus, Maria und Joseph, das müssen Excellenz unbedingt verhüten! Es würden da Thatsachen blosgelegt werden, welche unsere ebenso geistreiche


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