Scepter und Hammer. Karl May

Scepter und Hammer - Karl May


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still! Ihr seid ein Mann und – ein Christ, und – ich hasse Beide!«

      »Willst Du unsere heilige Religion schmähen, Zarba?«

      »Schmähen? Nein – aber den Vorhang will ich heben, hinter welchem sie sich verbirgt. Was ist die Liebe, von welcher Euch gepredigt wird? Feindseliger Haß und tödtliche Selbstsucht. Wer nicht an Eure Satzung glaubt, wird verdammt. Was ist Eure Inquisition? Was ist Eure Mission? Auf blutigem Bahrtuche tragt Ihr Euren Glauben von Land zu Land, von Volk zu Volk; Ihr nehmt den Nationen das Hirn aus dem Kopfe und das Mark aus den Knochen, und doch – geht zu Denen, welche Ihr Heiden nennt, und seht, wo die Sünde ärger und raffinirter wüthet, bei ihnen oder bei Euch! Liebe? Ich kenne sie nicht, aber den Haß, die Vergeltung, die Rache kenne ich. Ihr handelt nach gleißnerischen Sätzen, welche feig und lügnerisch sind, uns aber lehrt Bhowannie, dasselbe zu thun, was ist!«

      Der Schmied schwieg. Er hatte das Gefühl, als sei dies das Beste, was er jetzt thun könne. Nach einer Pause fuhr die Zigeunerin fort:

      »Doch unsere Gottheit ist gerecht; sie vergilt auch das Gute, obgleich es niemals aus Liebe, sondern aus Eigennutz geschieht. Brandauer, erinnert Ihr Euch des Tages, an welchem die Zigeunerin Zarba aufgegriffen wurde und als Hexe in das Wasser geworfen werden sollte?«

      Er nickte zustimmend mit dem Kopfe.

      »Sie wäre sicher ersäuft worden, obgleich sie jung und schön war wie keine Eures Volkes. Da aber drängte sich ein starker Mann durch die Menge, faßte sie und sprang mit ihr in einen Kahn und brachte sie an das andere Ufer, wo er sie in seinem Hause versteckte viele Tage lang. Brandauer, kennt Ihr den Mann?«

      Er lächelte.

      »Es war nicht viel, was er that, Zarba.«

      »O doch! Es war ja das Höchste, was er für mich thun konnte, denn er rettete mir mein Leben. Und das hat Zarba nie vergessen. Sie spricht täglich von ihm zu Bhowannie, und die Göttin breitet ihre Hände aus über sein Haupt und sein Haus, daß Glück in seinen Mauern wohne und Segen walte auf Allem, was er beginnt und vollbringt. Das Alter hat mir den Nacken gebeugt, den Rücken gekrümmt, das Antlitz durchfurcht und die Haare gebleicht; Zarba ist die verachtete, die häßliche Zigeunerin, vor welcher die Kinder fliehen und die Großen sich scheuen; aber ihre Hand ist mächtig und ihr Arm stärker als derjenige eines Fürsten. Wen sie haßt, den kann sie verderben, und wen sie liebt, dem bringt sie Glück und Wonne. Sie kann Herzöge entthronen und Könige einsetzen, wenn sie will, und – — —«

      »Zarba – — —!«

      »Du zweifelst?« Sie erhob sich und trat nahe an den Tisch heran. Das Licht fiel jetzt voll und hell über ihre Gestalt, und in seinem Schimmer funkelten ihre Augen wie schwarze Diamanten, welche in der Fülle des eingesogenen Strahles im Dunkel erglänzen. »Soll ich es Dir beweisen, Brandauer? Erinnerst Du Dich jener Nacht, in welcher Dein Weib in ihren Schmerzen lag und Ihr zu mir schicktet, weil Ihr an die Kunst der Zigeunerin glaubtet? Sie gebar ein Knäblein, und ich ging mit ihm hinaus unter die Sterne, um Bhowannie zu befragen, welches das Schicksal des Kindes sein werde. Ihr wolltet eine Antwort auf diese Frage, doch ich mußte schweigen, denn es war Großes und Unglaubliches, was ich erfuhr. Ich vertröstete Euch auf spätere Zeiten, und Ihr wartetet bis heut vergebens auf den Spruch, den ich Euch zu bringen habe. Das Knäblein ist zum Manne geworden, und – — —«

      Sie wurde unterbrochen. Die Thür öffnete sich, und Max trat ein. Schnell auf ihn zutretend erfaßte sie seine Hand und zog ihn zum Tische.

      »Das Knäblein ist zum Manne geworden,« wiederholte sie und fuhr dann fort: »zum starken Manne, der mich beschützte und mir den Sohn wiedergab, der mir bereits verloren war, und nun kommt über mich der Geist der Vergeltung, welcher mir den Mund öffnet, zu reden von dem, was ich bisher verschweigen mußte.«

      Sie erhob die Hand und legte sie ihm, der gar nicht wußte, wie ihm geschah, auf das Haupt.

      »Hört, was ich Euch sage! Es ist so gut, als ob Euer Gott vom Himmel stiege und meine Worte spräche: Dieses Haupt ist bestimmt, eine Krone zu tragen; diese Faust wird halten das Scepter, und von diesen Schultern wird wallen der Mantel des Herrschers. Der Sohn des Schmiedes wird ein König sein unter den Mächtigen der Erde. Ich sehe sie kommen, die Großen und die Kleinen, um ihre Kniee zu beugen und ihm zu huldigen, wie es jetzt thut Zarba, die Zigeunerin!«

      Sie kniete vor ihm nieder, drückte ihre Stirne auf seine Hand, erhob sich dann und hatte mit zwei schnellen Schritten das Zimmer verlassen.

      Sohn und Eltern blickten sich überrascht an. Sie wußten, daß Zarba keine Gauklerin sei, und so war ihr Erstaunen über diese Prophezeiung kein geringes.

      »Was war das?« meinte Max. »War sie betrunken?«

      »Nein, und doch kommt sie mir so vor,« antwortete der Vater. »Ich weiß, daß sie großen Scharfsinn besitzt und aus der äußeren Erscheinung eines Menschen Manches schließt, woran ein anderes Menschenkind nicht denken würde. Dazu kommen die eigenthümlichen Ereignisse am Tage Deiner Geburt, Max, über welche sie uns bis heut die Aufklärung schuldig geblieben ist; ich erwartete, nichts Gewöhnliches von ihr zu hören; aber das, was sie jetzt sagte, ist unglaublich, so unglaublich, daß man wahnsinnig sein —!«

      »Sie wird mit ihren Worten einen Zweck verfolgen, welcher nicht verborgen bleiben kann,« meinte Max. »Ich war einigermaßen überrascht über den eigenthümlichen Empfang, welcher mir bei meinem Eintritte wurde, die Scene selbst aber nehme ich kühl. Wir werden ja erfahren, was Zarba bezweckte. Für jetzt ist meine Aufmerksamkeit durch ganz andere Dinge in Anspruch genommen. Nicht wahr, Vater, Du besitzest ein Passe-Partout in das königliche Schloß?«

      »Allerdings. Warum?«

      »Würdest Du mir es einmal anvertrauen?«

      »Dir? Was wolltest Du auf dem Schlosse oder beim König?«

      »Erlaube, es für jetzt noch zu verschweigen; allein, daß es sich um etwas Wichtiges handelt, kannst Du Dir denken, da ich sonst eine solche Bitte nicht aussprechen würde.«

      »Hm, der König hat die Karte allerdings nur für mich bestimmt; doch denke ich, wenn die Sache wirklich richtig ist, so —«

      »Keine Sorge, Vater! Ich stehe im Begriffe, dem König einen Dienst von außerordentlicher Wichtigkeit zu leisten.«

      »So warte!«

      Der Schmied nahm die Lampe vom Tische und ging mit ihr in das Nebenzimmer. Als er zurückkehrte, hatte er eine Karte in der Hand, deren eine Seite mit einigen engen Zeilen beschrieben war, während die andere das Privatsiegel des Königs zeigte.

      »Hier!«

      »Danke! Ist der Hauptmann zu Hause?«

      »Ja; er ist oben.«

      »Gute Nacht!«

      Er stieg die Treppe empor und klopfte an der Thür des Zimmers, welches von Zarba und deren Sohn bewohnt wurde. Der Letztere öffnete.

      »Verzeihung, Hauptmann, wenn ich belästige. Entschuldigen Sie mich mit der allerdings höchst wichtigen Angelegenheit, welche mich zu Ihnen führt!«

      »Bitte, treten Sie ein, Herr Doktor!«

      Max that es. Zarba hatte sich wieder in eine dunkle Ecke zurückgezogen und rauchte. Nachdem er sich gesetzt hatte, blickte er dem Hauptmann lächelnd in die Augen.

      »Ich habe Ihnen eine Warnung auszusprechen.«

      »Ah! Sie lautet?«

      »Man will Sie ermorden.«

      »Teufel! Ists wahr?«

      Er war bei der Botschaft überrascht emporgefahren; als er aber den ruhigen Blick und die lächelnde Miene des Doktors bemerkte, ließ er sich wieder nieder und meinte:

      »Pah; Sie scherzen! Aber meine Erfahrungen sind solche, daß ich an jedem Augenblicke bereit sein muß, an eine solche Bosheit zu glauben.«

      »Ich scherze nicht, Herr von Wallroth; es gilt wirklich Ihr Leben; aber nicht blos dieses, sondern auch das meinige und dasjenige Ihrer Mutter.«

      »Wirklich? Wer ist der Schuft, welcher – — —?«

      »Sie


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