Der Vaquero. Balduin Mollhausen

Der Vaquero - Balduin  Mollhausen


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»damit dürfte der Zwiespalt zwischen uns breit genug geworden sein, daß Menschenkräfte ihn nicht mehr zu überbrücken vermöchten.«

      »Einem rechten Manne ist nichts unmöglich,« erwiderte King Bob, und in seiner Stimme verriet sich unerschütterliche Willenskraft. »Was sich hier ereignen mag: Sie selbst sind verantwortlich dafür, wenn ein schweres Verhängnis auf Sie und Ihre Familie hereinbricht.«

      Gleich darauf befand er sich bei dem Kawindianer. Schweigend nahm er seine Büchse, und ohne Benutzung des Steigbügels sprang er in den Sattel. Klirrend trafen die großen Sporenräder den Mustang, der in wilden Sätzen über die Lichtung stürmte und, ähnlich seinem Herrn, den Kopf geneigt und nach vorn gestreckt, in das Gebüsch eindrang.

      Finster lauschte Howitt ihm nach, wie die Zweige vor ihm rauschten, einknickten und wieder zurückschnellten. Arrowmaker führ den Vorschub zur Rede zu stellen, welchen er den jungen Leuten leistete, verschmähte er.

      »Steckte der leibhaftige Satan nicht in ihm drinnen, möchte er vielleicht ein ganzer Mann geworden sein,« grollte er vor sich hin, indem er langsam heimwärts wandelte. »Zum Teufel mit ihm! Ich war's nicht, der ihn rief.«

      Gleichzeitig mit Bell traf er vor dem offenen Palissadenzaun ein.

      »Woher kommst du? Längst hättest du zu Hause sein müssen,« fragte er streng.

      Bell, die so lange geneigten Hauptes gegangen war, richtete sich auf. Deutlich unterschied Howitt, daß ein unheimlicher Ausdruck der Entschlossenheit sich über ihr Antlitz ausgebreitet hatte. Es leuchtete förmlich im Mondschein, so bleich war es geworden.

      Ich wartete auf King Bob,« antwortete sie unerschrocken, sogar trotzig. »Um mich zu sehen, ritt er Tag und Nacht. Ich war's ihm schuldig, ihn nicht scheiden zu lassen, ohne ihm lebewohl gesagt zu haben. Meinen heißesten Segen gab ich ihm mit auf den Weg.«

      »Es ist gut,« versetzte Howitt weniger hart, als hätte der Anblick des schönen, stattlichen Mädchens ihm eine gewisse Achtung eingeflößt, »das Lebewohl gönne ich ihm, vorausgesetzt, daß es eins auf ewig gewesen.«

      Mit ruhiger Entschiedenheit erklärte Bell: »Du sollst Vater und Mutter verlassen und dem Mann deiner Wahl folgen, steht geschrieben. Neben dem Segen erneuerte ich den Schwur meiner Treue.«

      Howitts Zorn bäumte sich wieder auf. »Wer des Vaters Fluch auf sich ladet, dem blüht kein Glück,« knüpfte er in seiner tiefen Verbitterung an, »dessen sei eingedenk bei allem, was du unternimmst.«

      »Ich werde es sein. Aber auch eingedenk, daß ein Herr über uns allen ist, der die Herzen der Menschen prüft,« fügte Bell bitter hinzu, und an dem Vater vorbei schritt sie über den Hof.

      Howitt blieb noch eine Weile draußen. Finster betrachtete er den Mond. Der Besuch der Landspekulanten hatte ihn feindlich aufgeregt. Was galten ihm alle durch sie wachgerufenen Sorgen im Vergleich mit dem Bewußtsein, mit der einzigen Tochter unheilbar zerfallen zu sein. Gewiß gönnte er ihr von ganzem Herzen ein fest begründetes dauerndes Glück, aber nur ein solches, wie es im Einklange mit seinen eigenen Anschauungen stand. Wie als Herrn seiner Farm, betrachtete er sich auch als Herrn und Gebieter seiner Familie. Seinem Willen gegenüber gab es keinen anderen. Er hatte gesprochen; an seinem Wort konnte nicht mehr gerüttelt oder gedeutelt werden.

      »Das war ein schwerer Tag,« stöhnte er unbewußt, wie dem Monde seine Gedanken anvertrauend, und langsam kehrte er sich der Hütte zu. Tief auf seufzte er beim Anblick des kleinen matt erleuchteten Fensters. Was hätter er nicht darum gegeben, wäre der wilde Steppenreiter seiner Tochter nie in den Weg geführt worden. Sollte hinfort Zwietracht in seiner Familie die Herzen trennen, so schrieb er King Bob allein die Schuld zu. Dunkel lag die Zukunft vor ihm. Was mochte sie bringen? Den heimtückischen Feinden, die sein vieljähriges, patriarchalisch, wenn auch streng regiertes Reich bedrohten, fühlte er sich gewachsen. Wie ein Alp lastete dagegen auf ihm der Gedanke an den gestörten Frieden unter seinem Dach.

      Viertes Kapitel

      »Thomas King, Kunstschlosser,« las man oberhalb der Thür eines aus Balken und Brettern fest errichteten einstöckigen, verwitterten Hauses auf einem Schilde mäßigen Umfanges. Das Haus lag am äußersten Ende der Stadt St. Charles. Mit dem Rücken lehnte es sich gewissermaßen über einen Gemüsegarten hinweg an einen Hain großer Waldbäume, die trotz der Nähe der Stadt bisher von der lichtenden Axt verschont geblieben waren. Von der Vorderseite betrug die Entfernung bis zum Rande des Missouriufers kaum dreißig Schritte. Auch hier war ein Schild mit der bedeutsamen Inschrift angebracht worden. Heute erstreckt sich St. Charles längst über jene bescheidene Heimstätte hinaus. Damals hörte man vom frühen Morgen bis zum späten Abend aus der rechtsseitigen Hälfte des Hauses mit kurzen Unterbrechungen das Pinken und Klopfen meist leichter Hämmer auf Hof und Gemüsegarten herausschallen, oder das Knirschen und Kreischen, womit scharfe Feilen das bildsame Eisen benagten.

      Anfangs, also sechzehn, siebzehn Jahre früher, hatte der Hausbesitzer oft schwer um Arbeit zu kämpfen gehabt. Seine Kundschaft wuchs indessen in demselben Grade, in dem die Leute zu der Erkenntnis gelangten, daß ein nur mit einem bestimmten Schlüssel zu öffnendes Schloß allen vorzuziehen sei, die, aus Fabriken hervorgegangen, es namentlich in den Farmlandschaften einem marodierenden Landstreicher ermöglichten, mit einem und demselben Schlüssel sich überall in jedes Haus, in jede Hütte Zutritt zu verschaffen. Dann verringerte sich die Kundschaft wieder durch eigenes bedachtsames Dazuthun. Das Pinken, Hämmern, Feilen und Schnurren einer neu beschafften Drehbank nahm indessen seinen ungestörten Fortgang. Die an sich schon geräumige Werkstatt erfuhr sogar noch eine Erweiterung durch Anlage eines fensterlosen Nebenraumes, in dem der Meister, gleichviel ob am Tage oder zu nächtlichen Stunde, bei Lampenlicht diese oder Arbeit fortsetzte oder vervollständigte.

      Zu diesem stets verschlossen gehaltenen Raume hatte außer ihm kein anderer Zutritt. So ruhte etwas Geheimnisvolles auf dem Treiben des stillen Mannes. Dieser Eindruck wurde dadurch erhöht, daß hin und wieder einzelne Herren ihn besuchten, mit denen er sich zuweilen auf Stunden einschloß, ferner, daß kaum noch Kunden vorsprachen und dessenungeachtet niemals Not bei ihm einkehrte. Was er hämmerte, was er drehte, feilte und pinkte, ahnten nicht einmal seine Hausgenossen, die sich übrigens auch nicht viel um seine Thätigkeit kümmerten.

      Für einträglich hielten sie dieselbe allerdings, denn ihren scharfen Ohren entging nicht, daß bei Gelegenheit der rätselhaften Besuche Geldstücke in erheblicher Menge klirrend aufgezählt wurden, und das genügte ihnen. In den Verdacht der Falschmünzerei geriet er bei ihnen nicht; dazu kannten sie ihren Hausherrn zu genau. Und daran, daß er, außer einem Lehrling, dessen Verschwiegenheit über alle Zweifel erhaben, keinen Gehilfen um sich duldete, hatten sie sich im Laufe der Jahre gewöhnt. Denn sein einziger Gehilfe war und blieb jener Lehrling, ein großer weißer Spitzköter, den er abgerichtet hatte, innerhalb eines leicht beweglichen Rades einherzuschreiten und dadurch zeitweise den Blasebalg in Bewegung zu erhalten.

      Thomas King selber war ein ursprünglich hoch und schlank gewachsener Mann von etwa achtundfünfzig Jahren, mit weißem Haupthaar und Bart. Sein tief gerunzeltes hageres Gesicht zeigte nur den einzigen Ausdruck ernsten, sogar schwermütigen Sinnens. Auch seine Augen blickten, als ob Jugendfrohsinn und Lebenslust ihnen unbekannte Dinge geblieben wären. Weitere Merkmale einer getrübten Stimmung verheimlichte der starke Vollbart.

      Er hatte eben vor dem mit Instrumenten bedeckten Werktisch sein Frühstück beendigt, als vor dem nach dem Hausflur sich öffnenden Fensterchen ein verwittertes altes Gesicht auftauchte und ihn mit einer gewissen prüfenden Teilnahme betrachtete. Ueberragt wurde es von emporstrebendem kurzem graulockigen Haar. Die kleine runde, fleischige Nase bildete gewissermaßen den Grenzstein zwischen zwei gutmütig schauenden Augen und den Lippen eines erträglich großen Mundes, die einer üppig dampfenden Thonpfeife zum Halt dienten. Zu diesem wunderlichen Haupte gehörte eine nicht minder wunderliche Frauengestalt. Wie das Gesicht schien auch sie ursprünglich für einen Mann bestimmt gewesen zu sein, so hoch und breitschulterig war sie gebaut, so aufrecht und zuversichtlich war ihre Haltung.

      Zufrieden mit dem Erfolg ihres Spähens, legte die seltsame Erscheinung die brennende Pfeife auf eine Stelle des Fensterbrettchens, die durch vieljährige Benutzung bereits braun angesengt war, und nach einem flüchtig ordnenden Griff mit den gespreizten Fingern durch das Scheitelhaar


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