Der Vaquero. Balduin Mollhausen

Der Vaquero - Balduin  Mollhausen


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sollte mich nicht hindern, Daniel Howitt, wenn Not vorhanden wäre, Ihnen meine Arme und mein Blut zur Verfügung zu stellen und Ihnen eine Verstärkung zuzuführen, vor der Ihre verworfenen Feinde zusammenknickten wie die verbrannten Grasstoppeln auf der Prairie unter einem vollwichtigen Fuß.«

      Howitt beachtete seine Erklärung nicht, sondern, sich Bell zukehrend, hob er mit erbarmungsloser Stimme an: »Das nennst du also einen Besuch beim alten Arrowmaker? Trotz meiner ernsten Warnung schämtest du dich nicht der Sünde, heimlich mit jemand zusammenzukommen, von dem du weißt, daß er meine Schwelle nicht überschreiten darf?«

      Auf Howitts Vorwurf ermannte Bell sich zu dem flehentlich sanften, jedoch festen Ausspruch: »Der einzige Mensch in der Welt, der über alles hinweg treu zu mir steht, dem ich mit heiligen Eiden mich versprochen habe, ritt zwei Tage und zwei Nächte, um mir ein freundliches Wort zu sagen; sollte ich ihm da ein kurzes Wiedersehen verweigern?«

      Wäre er um die Welt geritten, so hätte ihm das kein Recht gegeben, auch nur einen Blick von Dir zu erbetteln,« entschied der Alte jedoch unbeugsam. »Du hast gegen mein Gebot gehandelt, hast dich an Vater und Mutter versündigt, daß allein Elternliebe dich davor bewahrt, auf ewig aus dem Hause gewiesen zu werden. Was aber denjenigen betrifft, der mit seinen Schmeichelreden dich bethörte, da sage ich dir zum letztenmal: Flehtet ihr beide auf euren Knieen um meine Billigung eures hinterlistigen Verrates, so würde ich antworten: Jedem anderen ehrlichen Manne, und wär's ein verhungerter Knecht, der um meine Tochter anhält, gebe ich sie, doch nie einem Pferdedieb –«

      »Pferdedieb?« schrie King Bob wie in Raserei auf, vergegenwärtigte sich aber im nächsten Augenblick, daß es Bells Vater, der vor ihm stand, und besonnener sprach er weiter: »Sagte das ein anderer zu mir, so wäre unter meiner Faust das letzte Wort in seiner Kehle erstickt. Ihnen dagegen will ich jetzt hier in Bells Gegenwart eine Erklärung erteilen, deren ich mich nicht zu schämen brauche –«

      »Auch nicht des Vorwurfs, einen friedlichen Mann über den Haufen geschossen zu haben?« fiel Howlitt schneidend ein.

      »Auch nicht dieses Vorwurfs. Sind Sie aber ein rechtschaffener Mann und Christ, dem's widerstrebt, falsch Zeugnis abzulegen, so werden Sie mich zu Ende hören und mir Glauben schenken. Trifft auch mancher gerechte Tadel mich, so darf ich mich doch wohl rühmen, mit der Wahrheit nie frevelhaftes Spiel getrieben zu haben. Daran gedenken Sie, während ich rede. Denn wer mich einen Lügner nennt, der beleidigt mich auf den Tod, und dafür giebt es nur eine Sühne, der ihrer zwei zum Opfer fallen.« Wie in der Besorgnis, vielleicht zu weit gegangen zu sein, zögerte er. Er fühlte, wie Howitts Blicke sich in seine Augen gleichsam einbohrten; aber auch er selbst sah auf ihn hin, wie auf jemand, von dem er einen Angriff auf Leben und Tod zu gewärtigen habe. Nur ein Schritt trennte die beiden mächtigen Gegner voneinander. Mochte indessen das Blut in den Adern beider kochen, so verstanden sie es doch, sich zu beherrschen.

      Sekunden verstrichen. Bell zitterte. Die Hände ineinander ringend, vermochte sie kaum, sich aufrecht zu erhalten. Noch weniger wagte sie, ihre Stimme zu erheben. Es folterte sie die Angst, dadurch, daß sie an ihre Anwesenheit erinnerte, eine furchtbare Katastrophe herbeizuführen. Endlich atmete Howitt tief auf. Es klang wie das Röcheln eines gefesselten Raubtieres dortiger Waldungen, jedoch heiseren Tones begann er:

      »Ich strafe keinen Lügen, dem ich die Falschheit nicht beweisen kann. Jeden freien Mannes Recht ist, das von seinem Mitmenschen zu fordern. Jetzt rede und mache ein Ende.«

      »Mehr als Gerechtigkeit verlange ich nicht,« versetzte King Bob wieder besänftigt, halb zu der verzweifelnden Geliebten gewendet, »und so hören Sie: Aufgestachelt von den Vaqueros weit und breit, die mich als den Stärksten zu ihrem Vormann ernennen wollten, verstand ich mich dazu, eine Probe meiner Gewandtheit und Todesverachtung abzulegen. Es handelte sich darum, einem der schärfsten Herdenbesitzer ein Pferd zu rauben. Es gelang mir trotz aller Hindernisse, trotz der Gefahr, den mißlungenen Versuch mit dem Leben bezahlen zu müssen. Als ich eine Woche später mit meiner Beute bei den Kameraden eintraf, hieß ich nicht mehr Robert King, sondern King Bob. Doch schon folgenden Tages ritt ich denselben Weg, den ich gekommen war, zurück. Zweihundert Dollars, beinahe meine ganzen Ersparnisse, hatte ich zu mir gesteckt. So trabte ich vor das Haus des Beraubten, und ohne vom Sattel zu steigen, erklärte ich ihm die ganze Angelegenheit. Zum Schluß sagte ich, daß das Pferd für ihn verloren sei, ich aber gekommen, den geforderten Preis dafür zu bezahlen. Da nannte er mich den hinterlistigsten Räuber, der je verdiente, gehangen zu werden. Das Pferd sei ihm zu keinem Preis feil, behauptete er, ich aber sollte für meine Schandthat mindestens im Gefängnis büßen. Nach diesem bösen Hohn warf ich ihm die zweihundert Dollars vor die Füße – der Gaul war nicht halb so viel wert – und schwor ihm zu, daß, wenn er ebenso ehrlich wäre wie ich, sein Urteil anders gelautet hätte. So kam ein Wort zum anderen, und lauter schrieen wir, daß alle Leute seiner Farm zusammenliefen und uns beobachteten. Er allein hätte sich nicht an mich herangetraut. Angesichts der sieben, acht Männer achwoll ihm dagegen der Kamm, daß er sie aufforderte, mich zu verhaften. Damit ging auch meine Geduld auf die Neige. Ich zog den Revolver und drohte, jeden niederzuschießen, der Hand an mich lege. Die Leute wichen zurück. Der Farmer aber riß nunmehr ebenfalls den Revolver aus dem Gurt und feuerte auf mich.

      Die Kugel flog so dicht an meiner Schläfe vorbei, daß sie das Haar mit fortnahm, und die zweite hätte sicher ein Ende mit mir gemacht. Doch bevor er Zeit zu einem neuen Schuß gewann, brach er unter dem meinigen zusammen. Gleichzeitig spornte ich mein Pferd, und gefolgt von einigen gut gemeinten Kugeln, suchte ich das Weite. Wie ich später erfuhr, wurde der Verwundete binnen wenigen Wochen vollständig ausgeheilt. Ich hätte mich also unbesorgt dem Gericht stellen können, und meine Freisprechung wäre erfolgt. Es liegt daher für Sie kein Grund vor, mich zu einem Verbrecher zu stempeln.«

      »Und was beweist das?« fragte Howitt geringschätzig. »Den Diebstahl kannst du nicht ableugnen, ebensowenig den Angriff auf den rechtmäßigen Herrn des gestohlenen Pferdes. Und so rate ich dir, deines Weges zu ziehen, solange es noch Zeit ist.«

      »Ja, meines Weges will ich ziehen,« antwortete King Bob, und seine Stimme zitterte vor der in ihm gärenden Leidenschaftlichkeit, »doch nicht, bevor ich Ihnen einen ehrlichen Vorschlag gemacht habe. Und meine Ehrlichkeit ist schon allein dadurch in ein klares Licht gestellt worden, daß man mir die Oberaufsicht über Hunderttausende von Dollars anvertraute. Keine vier Monate dauert es, und ich bin wieder hier, um Ihre Tochter zur Frau zu begehren. Ein trotziger, wilder Geselle mag ich sein, das leugne ich nicht. Sitze ich aber erst friedlich auf meiner eigenen Scholle, so schleift sich das ab, und da werden weder Sie noch Bell jemals Ursache finden, dem offenen Wort eines rechtschaffenen, auf seine Ehre bedachten Mannes Glauben geschenkt zu haben.«

      »Vater!« hob Bell, in Thränen ausbrechend, nunmehr mit dem Mute der Verzweiflung an, »höre auf ihn! Sei barmherzig und treibe mich nicht zum Aeußersten –«

      »Schweige,« gebot Howlitt hart, »schweige mit deinem Aeußersten und gehe nach Hause! Deinen Partner sahst du zum letztenmal. – Fort, sage ich!« herrschte er der noch Zögernden erbittert zu, »und sei eingedenk, daß ich Mittel besitze, eine pflichtvergessene, aufsässige Tochter gefügig zu machen, und wäre ich gezwungen, sie mit dem ersten besten Landstreicher zusammenschreiben zu lassen.«

      Bell schritt davon. Ihre Haltung war eine herausfordernde geworden. Es regte sich in ihr das Blut des Vaters. Bis auf den Tod gekränkt durch die dem Geliebten zugeschleuderten Anklagen, reifte in ihr der Entschluß, scheinbar dem Willen des Vaters sich zu unterwerfen, jedoch nur bis zu der Stunde, in welcher der Weg zu ihrer Vereinigung mit King Bob sich vor ihr öffnen würde.

      Dieser wartete, bis sie zwischen dem Buschwerk verschwunden war; dann richtete er, den auf seine Entfernung wartenden eisernen Squatter noch etwas überragend, sich selbstbewußt auf.

      »Sie verweigern mir Ihre Tochter. Dazu besitzen Sie ein Recht. Doch auch mir steht ein unantastbares Recht zu, und das begründet sich auf die heiligen Eide, die zwischen Bell und mir gewechselt wurden –«

      »Bist du fertig?« fragte Howitt schneidend.

      »Noch nicht,« antwortete King Bob kaltblütig, »und so erkläre ich feierlich, daß Bell trotz aller ungerechten Schmähungen und uns grausam in den Weg geworfenen heillosen Hemnisse dennoch die Meinige wird, und müßte ich bei


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