Der Vaquero. Balduin Mollhausen
ritten zwischen den zur Zeit auf Axt und Spaten gestützten jungen Männern hindurch. Da sie nicht grüßten, hielten jene für überflüssig, die geringste Höflichkeit an sie zu verschwenden. Aber die Blicke aus den jungen Augen trafen sie mit einer Feindseligkeit, daß sie ihnen zu begegnen scheuten.
Solange die Scheidenden den Brüdern sichtbar blieben, spähten sie ihnen schweigend nach. Sobald sie aber um die Waldecke herumbogen, sandte der Aelteste eine wilde Verwünschung hinter ihnen her. Mit einem zweiten Fluch schleuderte er die Axt weit von sich.
»Das ist kein gutes Zeichen, wenn unser alter Governor einen Gast ziehen läßt, ohne ihm zuvor einen festen Trunk angeboten zu haben,« sprach er ingrimmig, »was aber dem Vater die Laune verdirbt, braucht vor seinen Söhnen nicht verheimlicht zu werden,« und gefolgt von den Brüdern, begab er sich nach der Blickhütte [Blockhütte?] hinüber.
Als sie in das Gemach eintraten, das zugleich als Küche, Wohnzimmer und Schlafraum der beiden Alten diente, sahen sie den Vater am Tisch sitzen, die eine Hand auf die Platte gelegt, mit der anderen das Haupt stützend. In seiner starren Haltung und mit dem knochigen Körper erinenrte [erinnerte ?] er nicht wenig an die rohbehauenen Baumstämme, die sich ringsum zu Wänden übereinander reihten. Seine Frau kauerte vor dem Kaminfeuer, mit dem Rösten von Mehlkuchen beschäftigt. Bell stand abseits vor dem einzigen Fenster und sah ernst auf den Hof hinaus.
Bis dahin hatte Howitt kein Wort gesprochen. Mutter und Tochter wären die letzten gewesen, ihn zur Zeit in seinem Gedankengange zu stören. Erst beim Eintritt seiner Söhne richtete er sich auf. Wie begutachtend, betrachtete er die kernige Nachkommenschaft. Er mochte sich fragen, inwieweit sie geschaffen, mit Leib und Leben für ihre Heimstätte einzutreten; aber auch, ob der eine oder der andere dazu auserkoren, durch seinen Fall die Rache des Himmels gegen eine Gesellschaft herauszufordern, die es als ihr Privilegium ansah, Recht und Gesetz unter die Füße zu treten.
»Keine gute Zeit hier, kalkulier' ich,« meinte Ben, ein Mann, dem bereits der Bart ums Kinn gesproßt war, und der als Aeltester gewöhnlich das Wort führte.
Da schlug Howitt mit der eisernen Faust auf den Tisch, daß es klang wie der dröhnende Fall eines Schmiedehammers.
»Nein, Jungens, keinen guten Zeiten gehen wir entgegen,« rief er aus, »vielleicht Zeiten, in denen ihr beweist sollt, daß ihr Schößlinge eines gesunden Stammes seid, und der Jüngste so viel wert ist, wie jeder andere, der eine Büchse zu heben und die Kugel ins Bullenauge zu zirkeln versteht, rechne ich. Ihr möchtet die Ursache wissen, und die darf jetzt nicht länger vor euch verheimlicht werden. Was wir so lange befürchteten, soll sich nämlich erfüllen, und da mögen wir jeden Tag gewärtigen, daß die verruchten Sendlinge der südlichen Schurken eintreffen, um uns von der friedlichen Scholle zu vertreiben, wo wir die vielen Jahre ein gottesfürchtiges Leben führten.«
»Da werden sie wohl eine harte Nuß zu knacken finden,« meinte Adam, der Zweitälteste, trotzig.
»Eine Nuß, an der die Lumpen sich die Zähne ausbeißen,« fügte der Jüngste erbittert hinzu.
Der Alte warf einen strengen, zugleich wohlgefälligen Blick auf die entschlossenen jungen Männer und sprach weiter: »Mit dem Reden locken wir keinen Hund hinter dem Ofen hervor. Hier heißt's handeln, sollen wir nicht eines Tages, mag's Wochen oder Monate bis dahin dauern, von der Rotte Kora heimgesucht werden, um demnächst zum Wanderstab zu greifen. Adam, sattle dir 'nen Gaul und reite bei den Nachbarn herum. Erzähle ihnen, was wir heut erlebten, befrage sie um das, was sie selber erfuhren. Bestelle mit 'nem Gruß von mir, ich ließe raten, wenn zu viele sie bedrängten, sich hierher zurückzuziehen. Sag ihnen, binnen wenigen Tagen seien die Palissaden fertig, und hinter denen hervor könnten zwei Dutzend handfeste Männer ein ganzes Regiment zusammenschießen. Reitest du die ganze Nacht, so bist du morgen abend wieder hier. – Du, Ben, reitest unterdessen nach Fort Riley hinunter. In drei Tagen machst du's. Du bist befreundet mit dem Kaufmann White. Von dem kaufe so viel Pulver und Blei, wie du bequem fortschaffst. Mutter wird dir Geld geben. Steckt Brot und Fleisch zu euch, daß ihr unterwegs nicht schwach werdet; thut auch den Tieren keine Ueberlast. Haltet die Augen offen und achtet auf alles, das um euch her vorgeht. Redet mit den Leuten, denen ihr begegnet, und befragt sie um ihre Meinung. Es müßte mit dem Henker zugehen, befänden sich viele unter ihnen, die ohne Widerstand duldeten, daß unser Territorium mit Niggers überschwemmt würde.«
Bereitwillig rüsteten sich die beiden Sendboten. Ob sie dreimal vierundzwanzig Stunden im Sattel zubringen sollten oder ebenso viele Minuten, fiel bei ihnen nicht ins Gewicht. Sie waren es nicht anders gewohnt seit den Tagen, in denen sie noch nicht lange zum erstenmal die Beine über einen Pferderücken spreizten. Unterstützt durch ihre Brüder, waren sie binnen kurzem reisefertig. Eine kräftige Mahlzeit bildete den Schluß.
Als sie die Pferde bestiegen, trat Bell, die ihnen das Geleite auf den Hof hinaus gab, neben Ben hin. Leiste raunte sie ihm zu: »Ohne es zu wollen, verriet der eine Fremde, daß King Bob in der Nachbarschaft weilt. Du findest ihn bei der großen Regenfurche, wo wir den Maisvorrat für seinen Mustang anlegten. Du bist sein Freund, und dir traut er. Im Vorbeireiten sage ihm, ich erwarte ihn beim Arrowmaker, aber nicht vor Sonnenuntergang.«
Ben antwortete zustimmend. Gleich darauf ritten die beiden Brüder vom Hofe hinunter. Ben wendete sich stromabwärts, während Adam die entgegengesetzte Richtung einschlug.
Die Zurückbleibenden nahm alsbald ihre Arbeit wieder auf. Die bedrohlichen Nachrichten hatten ihren Eifer erhöht. Sogar der alte Howitt beteiligte sich an dem Werk. –
Kurz vor Sonnenuntergang erschien Bell bei ihrem Vater.
»Ich gehe zum Arrowmaker,« redete sie ihn an, »um ihm etwas Maisbrot zuzutragen. Das hat er nicht alle Tage. Ich höre ihn gern sprechen. Da mag er mir aus alten Zeiten erzählen. Hast du eine Botschaft an ihn?«
Durchdringend, sogar mit verstecktem Argwohn sah Howitt ihr ins Antlitz. Beinahe regungslos, wie das seinige, verriet nichts in demselben, daß sie sich mit Nebenabsichten trug. Nur der herbe Zug um die Lippen schien sich noch vertieft zu haben.
»Erzähle du ihm lieber, was sich heut hier zutrug,« antwortete Howitt nach kurzem Sinnen in seiner gewohnten ernsten Weise, »bereite ihn darauf vor, daß, wenn es mit uns hier zu Ende ginge, auch seines Bleibens nicht länger wäre. Das giebt ihm zu denken, rechne ich.«
Bell entfernte sich. Grübelnd blickte Howitt ihr nach. Die Brauen tief gerunzelt, beobachtete er, wie sie mit natürlicher Anmut einherschritt. Unbeugsamer Eigenwille offenbarte sich in ihrer Haltung. Lebhafter wirkte es in des Alten Augen. Mitleid und tyrannische Strenge schienen in ihnen um den Vorrang zu kämpfen. Endlich schüttelte er den Kopf zweifelnd. Dann hob er die Axt, und sie ums Haupt schwingend, führte er nach dem vor ihm liegenden Baumstamm einen Hieb, daß er die Schneide nur mit einiger Anstrengung aus dem festen Holz zu lösen vermochte. Gleich darauf gesellten vom Walde her seine beiden jüngsten Söhne sich zu ihm. Sie berichteten, auf der Suche nach dem vermißten jungen Rinde Spuren entdeckt zu haben, die davon zeugten, daß es gewaltsam fortgeführt worden.
»Warum verfolgtet ihr sie nicht bis ans Ende?« forschte Howitt rauh.
»Es wäre überflüssig gewesen,« entschuldigten sich die Burschen, »wir begegneten Rabbit, der war ihnen bereits nachgegangen und wußte, daß es von zwei der weiter unten hausenden Landstreicher geschlachtet worden ist.«
Howitts Gesicht verfinsterte sich. Heftig nagte er auf den Lippen; dann bemerkte er anscheinend gleichmütig: »Wir wollen annehmen, der Hunger habe die Schurken zu dem Raub getrieben, und ihnen das Fleisch gönnen. Das war der erste Eingriff in unser Eigentum. Der zweite wird mit Bleikugeln bezahlt. Das merkt euch und haltet bessere Wache.«
Bell war unterdessen hinter dem Gehöft verschwunden. In die dort beginnende Waldung eindringend, gelangte sie nach Zurücklegung einer kurzen Strecke an den Fluß, auf dessen Ufer ein Pfad ausgetreten war. In denselben einbiegend, folgte sie ihm stromaufwärts nach.
Drittes Kapitel
Gegen sechshundert Schritte weit von der Stelle, wo Bell den Pfad betrat, öffnete sich eine Lichtung von mäßigem Umfange, die, ringsum vom Walde begrenzt, nördlich bis an den Fluß reichte. Doch auch dort war sie durch die auf dem jenseitigen Ufer hoch emporstrebenden