Der Vaquero. Balduin Mollhausen

Der Vaquero - Balduin  Mollhausen


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Geäst und Erde hergestellte Hütte, die mit einem Hause gerade so viel Aehnlichkeit besaß, wie der Maulwurfshaufen mit einem aufgeführten dreistöckigen Biberbau. Mit der kaum sechs Fuß hohen gewölbten Bedachung und der in deren Mitte befindlichen Oeffnung, dazu bestimmt, den im Inneren erzeugten Rauch abzuleiten, hätte man sie mit einem unförmlichen Backofen vergleichen können. Auf dem Vorplatz war ein auf Pfählen ruhendes einfaches Zweigdach errichtet worden. Eine Feuerstelle unterhalb desselben, dazu ein schwerer runder Granitblock, Hammer, Zange und mehrere Feilen, wie ein Handblasebalg bekundeten, daß daselbst das Schmiedehandwerk im denkbar bescheidensten Maßstabe betrieben wurde.

      Das war das Heim Arrowmakers oder Pfeilverfertigers, eines alten Kawindianers. Durch einen Schaden in der Hüfte gehindert, größere Jagdausflüge zu unternehmen, hatte er sich darauf verlegt, Pfeilschäfte zu schnitzen und aus Bandeisen die entsprechenden Spitzen herzustellen, gelegentlich ein Beil oder Messer neu vorzuschärfen und Pfeifenrohre auszubohren, lauter Dinge, die ihm weit und breit unter den Eingeborenen eine gute Kundschaft eingetragen hatten. Die Nachbarschaft Howitts hatte ihn bewogen, sich gerade dort niederzulassen. Eine längere Reihe von Jahren war seitdem verstrichen, und so kam es allmählich, daß er auf der Farm gewissermaßen als Familienmitglied galt und vor allem die heranwachsenden Kinder sich eng mit ihm befreundeten. Bei ihm wohnte ein achtzehnjähriger Mandane, den er einst, nachdem dessen Eltern den Blattern zum Opfer gefallen waren, zu sich nahm, und der nunmehr, neben Ausübung der Jagd, als gelehriger Gehilfe eifrig mit in das Handwerk eingriff.

      Die Sonne neigte sich dem Untergange zu, und wenn Arrowmaker, zur indianischen Trägheit hinneigend, während des Tages überhaupt beschäftigt gewesen, so hatte er jetzt Feierabend gemacht. Vor dem Höhleneingang auf einem Holzblock saß er, das Bild eines selbstzufriedenen Eingeborenen, mit unverkennbarem Behagen den süßlich duftenden Rauch seiner Tabakspfeife in die Lugen einziehend und durch die Nüstern wieder von sich blasend. Ein farbiges Kalikohemd nebst Ledergamaschen und Mokassins bildete seine Bekleidung. Lang und schlicht fiel das schwarze Haar zu beiden Seiten seines runzeligen Gesichtes nieder. Neben ihm auf der Erde kauerte, vor kurzem erst heimgekehrt, Rabbit, sein junger Gefährte, ein schlanker brauner Bursche mit kahlgeschorenem Kopf, auf dessen Wirbel nur die sorgfältig geflochtene Skalplocke stehen geblieben war. Bis auf den Schurz vollständig unbekleidet, beschäftigte er sich damit, das gesäuberte Schloß seiner Büchse wieder an den Schaft zu schrauben, als er plötzlich hoch aufhorchte.

      »Jemand kommt,« bemerkte er in der Kawsprache zu dem Alten.

      »Einer von der Farm,« heiß es nachlässig zurück; »wer kann es sein? Ich vermute, Howitt selber.«

      »Der nicht,« versetzte der scharfsinnige junge Mandane zuversichtlich, »ein Reis brach. Schritte hör' ich nicht. Howitt und die jungen Männer haben schwere Füße. Das Mädchen tritt leise auf, wie der Luchs in seinen Pelzschuhen.«

      »So erfahren wir, was die Fremden brachten. Gutes nicht, wenn sie ohne einen Trunk umkehren mußten. Du sagtest so.«

      »Ich sagte es und ich sah es. Und mehr sah ich: den King Bob. Er bedrohte die Räuber, die Howitts Rind niederschossen. Er warnte mich durch Zeichen. Ich sollte seine Nähe nicht auf der Farm verkünden. Ich ging gar nicht hin. Niemand konnte mich fragen.«

      »Ist King Bob da, mag er sich hüten, Howitts Pfad zu kreuzen. Die beiden sind wie Stahl und Stein. Stoßen sie aufeinander, fliegen Funken.«

      »Aber das Mädchen steht zu ihm. Ich weiß es,« meinte Rabbit bedächtig.

      »Gerade deshalb. Howitt trägt großen Haß gegen ihn. Er mag ihn nicht sehen. Er giebt ihm schlechte Namen. Er behauptet, King Bob gehöre nach Neumexiko. Das sei ein Land der Räuber.«

      »Neumexiko ist sehr weit,« wendete Rabbit nachdenklich ein.

      »Das kümmert den King Bob nicht,« versetzte Arrowmaker grämlich, »der reitet einen Tag und eine Nacht, ohne abzusitzen. Er reitet Wochen und Monate und wird nicht müde. Er ist ein gewaltiger Mann. Er ist stark genug, seinen Mustang auf dem Rücken zu tragen, wenn ihm der Atem ausgeht. Viele sagen, ein böser Geist säße in ihm drinnen.«

      Gegenüber öffnet sich das den Uferpfad einengende Gebäusch. Belle, die, mißtrauisch rückwärts lauschend, daselbst gesäumt hatte, trat auf die Lichtung heraus und schritt auf die Hütte zu.

      »Guten Abend, Arrowmaker, guten Abend, Rabbit,« begrüßte sie die beiden braunen Freunde vertraulich, und letzterem ein Körbchen mit Maiskuchen und geröstetem Salzfleisch einhändigend, fügte sie hinzu: »Heut komme ich mit einem Anliegen.«

      »Ich weiß es,« versetzte Arrowmaker in verständlichem Englisch gleichmütig, »King Bob ist da.«

      Bell runzelte die Brauen. »Redetest du mit ihm?« fragte sie argwöhnisch. »Ich kann's nicht glauben. Ich schrieb ihm auf, nicht bei Tage zu kommen.«

      »Er kam nicht. Rabbit sah ihn. Er redete nicht mit ihm. Es war nicht angänglich. Das weitere sagt mir der Kopf.«

      »Gut, Arrowmaker. Ritt er den weiten Weg, so kann ihm nur daran gelegen sein, mich zu sprechen; da will ich ihn nicht warten lassen. Geh ihm entgegen, Rabbit, und sage ihm, ich schaute nach ihm aus; er möchte sich beeilen. Wo du ihn triffst, bleibst du zurück. Sollte der Vater oder ein anderer mir folgen, dann säume nicht, mich zu warnen. Ein Unrecht liegt ja nicht drinnen, wenn ich einen alten Freund wiedersehe.«

      Rabbit sprang auf, eilte über die Lichtung und verschwand im Dickicht. Bell hatte sich zu dem Alten gesetzt.

      »Es ist ein Unglück, daß der Vater gegen uns ist,« redete sie düster auf ihn ein, »verliere ich vor Gram und Sorge die letzte Lebenslust, ist's seine Schuld. Die Jahre vergehen. Wärest du nicht da mit deinem guten Willen, möchte ich mich längst ins Grab gelegt haben.«

      »Erst zwanzig Winter liegen hinter dir,« versetzte Arrowmaker auf seine Art tröstlich, »du bist noch jung; du kannst warten. Einmal muß dein Vater sich bekehren. Ein Bach bleibt oft sehr lange trocken; dann füllt ein guter Regen ihn in einem Tage.«

      »Ich glaube nicht daran,« hieß es erbittert zurück, »ein Bach ist kein Mensch; und so viel vertraue ich dir an: soll ich wählen zwischen dem Hause des Vaters, wo es keine Freude mehr für mich giebt, und dem Leben auf dem Rücken eines Pferdes an King Bobs Seite, gleichviel, wie rauh und gefährlich der vor mir liegende Weg, so zaudere ich nicht mit der Entscheidung.«

      »Du bist ein starkes Mädchen,« erklärte der Kaw; »dein Herz ist das eines Mannes. Kann es aber dem Sturm gebieten? Nein, Kann es den bösen Willen töten, wenn alle gegen dich sind?«

      »Das nicht. Aber es sehnt sich nach hellem, warmem Sonnenschein. Jetzt lebe ich wie in einem dumpfigen Keller. Ja, ungetrübten Sonnenschein will ich genießen, wenn auch nur auf einen Tag, und müßte ich es mit dem Leben bezahlen. Daran denke, so oft jemand versucht, dich gegen King Bob und mich aufzubringen.«

      Der Kaw antwortete nicht. Auch Bell schwieg. Angestrengt lauschte sie in den gegenüberliegenden Wald hinein. Die Sonne war zur Rüste gegangen. Es verdichteten sich die über die Lichtung hinschleichenden Schatten. Nur kleine und große Fledermäuse belebten die stille Atmosphäre. In der Ferne rüstete sich der Uhu mit dumpfem Ruf zur nächtlichen Jagd. Endlich unterschied Bell das Geräusch eilfertig einherschreitender Hufe. Rauschen und Knicken hindernder und zurückschnellender Zweige drang herüber. Dann noch eine halbe Minute, und auf die Lichtung ritt King Bob. In der unbestimmten Beleuchtung schien seine Gestalt noch mächtiger geworden zu sein. Man hätte ihn mit einem Recken vergleichen mögen, der von der sagenhaften wilden Jagd abgewichen, zur Erde gekommen, um die Sterblichen zu bedräuen. Bell hatte sich erhoben und ging ihm entgegen. King Bob entdeckte sie sofort. Einen eigentümlich gedämpften Jubelruf ausstoßend, spornte er sein Pferd, daß es sich aufbäumte und wild nach vorn stürmte. In drei, vier Sätzen trug es ihn neben Bell hin. Mit der Gewandtheit eines Jaguars schwang er sich aus dem Sattel. Die Büchse warf er zur Seite, und fast ebenso schnell hielt er Bell in seinen Armen.

      »Bell, meine Bell,« sprach er mit vor Innigkeit zitternder Stimme, während die Geliebte sich eng an seine breite Brust schmiegte, »wäre der Weg dreimal so lang gewesen, hätte er durch Feuer und Wasser geführt und müßte ich sofort wieder aufsitzen, um ihn ohne Rast zum andernmal zu reiten, so hätte ich keinen reicheren


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