Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen

Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas - Balduin  Mollhausen


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Bach über losgerissene Felsblöcke mir entgegen. Nur langsam folgten die Wagen, die an den abschüssigen Ufern kaum im Gleichgewicht zu halten waren. Schon in einer Höhe von 1500 Fuß lag Schnee, doch herrschte in der Schlucht die angenehmste Temperatur, hervorgerufen durch die Sonnenstrahlen, welche die Felsen erwärmten, sowie durch den Schutz, den die Gebirgszüge gegen den rauhen Wind gewährten.

      Vier Meilen von dem höchsten Punkt des San-Francisquito-Passes erweiterte sich die Schlucht zu beiden Seiten und bildete ein malerisches kleines Tal. Zahlreiche Quellen entrieselten dort fruchtbarem Boden, was einige vorüberreisende Familien wahrscheinlich angelockt hatte, sich dort anzusiedeln; ich erblickte nämlich zwei Gehöfte, die von eingefriedeten und wohlbestellten Feldern umgeben waren, auf denen stattliches Vieh träge umherschritt.

      Dort nun, unter einer knorrigen, weitverzweigten Eiche, hielten wir an, um die Nacht hier zuzubringen. Es war zwar noch früh, doch kannten wir nicht genau die Entfernung bis zum nächsten Wasser; und auch der Widerwille gegen ein Nachtlager im Schnee hielt uns ab, eine so bequeme Stelle zu verlassen und an diesem Tag noch weiter hinaufzureisen. Gleich Herrn von Egloffstein benutzte ich daher die Zeit, um die nächsten Höhen zu ersteigen und von dort aus einen Blick auf die vor uns liegende Schneelandschaft zu werfen, durch die am folgenden Tag unser Weg führen sollte.

      Am 14. November, nach Zurücklegung der ersten zwei Meilen, befanden wir uns schon in winterlichen Regionen; zwar anfangs nur in geringem Maße, doch als wir den höchsten Punkt des Passes (3437 Fuß ü. d. M.) erreichten, wurde das Geräusch der nun wieder abwärts rollenden Wagen durch zwei Zoll tiefen Schnee gedämpft. Die Baum- und Strauchvegetation schien hier ihr Ende erreicht zu haben; kahle Hügel drängten sich dicht aneinander und bildeten die östliche Grenze des vor uns liegenden Elisabethtals, während es die von uns überschrittene Gebirgskette (San Bernardino Range) im Süden sowie eine unbedeutendere gegen Norden einfaßten. Westlich, in weiter Ferne, schienen diese beiden Bergketten zusammenzustoßen und ein langes, schmales Becken zu bilden. Wir gelangten bald ins Tal hinab, wo wir in einem roh gezimmerten Haus von den mexikanischen Bewohnern desselben frisches Fleisch erstanden und dann unsere Reise ohne weiteren Zeitverlust in nordwestlicher Richtung fortsetzten. Hier fanden wir die ersten Spuren des Erdbebens, das im Jahre 1856 diesen Teil Kaliforniens so sehr erschütterte und im ganzen Staat bis hinunter nach Fort Yuma gefühlt wurde. Es war eine ungefähr sechzehn Fuß breite Furche, die sich, soweit das Auge reichte, von Osten nach Westen erstreckte und die anscheinend dadurch entstanden, daß der Boden sich weit geöffnet und dann wieder mit unwiderstehlicher Gewalt geschlossen hatte. Nach den Aussagen der Bewohner der Hütte erstreckte sich diese Furche viele Meilen weit. Einige Tage später hatte ich Gelegenheit, in der Nähe des Tularetals, also noch fünfzig Meilen weiter, über die Wirkungen dieser furchtbaren Erderschütterung zu staunen.

      Als wir die östliche Spitze des Elisabethsees erreichten, teilte sich unsere Straße, indem ein Weg geradeaus zwischen dem See und der nördlichen Bergkette hinführte, der andere dagegen in einen nördlich gelegenen Paß einbog. Wir wählten den letzteren und waren bald von Höhen umgeben, deren Felsen, wo sie der Schnee nicht bedeckte, hauptsächlich Sandsteinformation zeigten. Die Zurücklegung der nächsten zwei Meilen, auf welcher Strecke die Straße sich stark senkte, brachte uns an das Ende des Passes und zugleich wieder aus dem Schnee. Nach einer kurzen Fahrt zwischen runden, kahlen Hügeln gewannen wir endlich eine weite Aussicht über den westlichen Winkel des Großen Beckens (Great Basin),Das Utah-Territorium oder Great Basin, von Col. Frémont zuerst so benannt (im Jahre 1845; »Frémont’s report of the exploring expedition to the Rocky mountains, and to Oregon and to North California, House Doc. No. 166«, 1845), weil die Wasser in demselben keinen Abfluß nach außen haben, umfaßt die ungeheuren Länderstrecken zwischen der Sierra Nevada im Westen und den Wahsatch-Gebirgen im Osten sowie zwischen den San-Bernardino-Gebirgen im Süden und dem Snake River im Norden mit einer durchschnittlichen Breite nach allen Richtungen hin von 500 bis 700 Meilen. Die Erscheinung dieses vollständig abgeschlossenen Beckens ist um so auffallender, als seine Oberfläche sich zu der bedeutenden Höhe von 4000 bis 6000 Fuß über dem Meeresspiegel erhebt (nach Frémont). Die Oberfläche ist indessen nicht, wie man vielleicht vermuten sollte, eine ununterbrochene Ebene, sondern Gebirgszüge erheben sich mauerartig auf derselben und fassen kesselförmig umfangreiche Täler ein, in deren Mitte langgestreckte Gebirgsabhänge, schiefe Ebenen bildend, auslaufen. Ähnliche Täler und schiefe Ebenen hatte ich Gelegenheit im Stromgebiet des Colorado zu beobachten.

      Die Trockenheit des Great Basin kann wohl mit Recht in Zusammenhang mit der langen Kette der Sierra Nevada gebracht werden, die sich wie ein Wall zwischen ersterem und der Südsee hinzieht und mit ihren hohen Gipfeln den Niederschlag der Feuchtigkeit bewirkt, welche die Seewinde sonst landeinwärts treiben würden.

      Wir befanden uns 3219 Fuß über dem Meeresspiegel, also niedriger als am frühen Morgen. Unsere Straße, die sich an der Basis der südlichen Gebirge hinzog, war von hier ab wieder sanft ansteigend; dagegen rechts von uns, nach der Mitte der Ebene zu, senkte sich das Land in einem stärkeren, aber durchaus gleichmäßigen Grad. Dort zieht sich das fast beständig trockene Bett eines Flusses hin, das sich nach der Mitte des Großen Beckens zu erstreckt, vielleicht auch in einiger Entfernung ganz verschwindet. Die Gebirge waren, soweit man zu unterscheiden vermochte, an den Abhängen der Schluchten und in den Schluchten selbst mehr oder weniger mit Zedern und Tannen bewachsen, auf der Ebene hingegen suchte das Auge vergebens nach Vegetation. Nur der Yucca- oder spanische Bajonettbaum schien der wüstenähnlichen Sandfläche eigentümlich zu sein, denn mehrfach sah ich ihn förmlich kleine Wälder bilden, häufiger aber in Gruppen und vereinzelt in der Ferne emporragen. In letzteren Fällen hatte dieser Baum gewöhnlich eine auffallende Ähnlichkeit mit Menschen oder Viehherden, so daß es gewiß oftmals schwer gewesen sein würde, richtig zu unterscheiden, wann die Gegend überhaupt auf diese Weise belebt gewesen wäre. Ganz ohne Leben war indessen diese Sandwüste nicht; schön gezeichnete Antilopen beobachteten uns scheu aus weiter Ferne; Scharen leichtbeschwingter Sandpfeifer liefen emsig hin und her, wobei sie gelbe Raupen aus dem dürren Boden suchten; und als ich für unsere Küche sorgend einigemal unter diese Vögel schoß, erschienen plötzlich, herbeigelockt durch den Knall, zwei Wölfe, die mit gespitzten Ohren meine Bewegungen bewachten und nach meiner Entfernung vielleicht die Überreste einer Antilope zu finden hofften.

      Der Weg war ausgezeichnet, leicht rollten die Wagen auf dem tennenähnlichen Boden dahin, in raschem Trab wurde die letzte Hälfte unseres Tagesmarsches zurückgelegt, und nur wenn wir durch eine aus dem Gebirge nach der Mitte der Ebene zu auslaufende Schlucht setzten, trat einige Verzögerung ein.

      Ungefähr acht Meilen von der Stelle, wo runde Hügel dem westlichen, spitzen Winkel des Großen Beckens abschneiden, liegt auf einer kahlen Fläche, die tief ins südliche Gebirge hineinreicht, ein einsames Blockhaus. Dieses ist von einem fest eingefriedeten Hof umgeben, in dessen äußerster Ecke sich ein kleiner Pferdestall befindet. Eine Quelle dicht bei dem Gehöft hat Veranlassung zur Errichtung desselben gegeben, denn außer gutem Wasser mangelt es dort an allem, was sonst zum Leben nicht nur bequem, sondern was auch notwendig ist. Das nächste Holz ist nämlich vier Meilen weit von der Quelle entfernt, den Hof umgibt unfruchtbarer, kiesiger Boden, und zum Überfluß ist die ganze Lage so, daß jeder Sturm mit Leichtigkeit seinen Weg zu der einsamen Wohnung findet. Diese Stelle nun sowie ihr Besitzer sind weit und breit unter dem Namen »Irish John« bekannt. Die Straße führt hart an der Tür vorbei, und fast jeder, der dort vorüberreist, ist durch die Umstände gewissermaßen gezwungen, beim »Irish John« einzukehren; der eine, um zu übernachten, der andere, um eine Mahlzeit für sich selbst und Futter für seine Tiere zu erstehen, viele aber auch, um den schlechten Whisky des Irländers zu prüfen. Natürlich müssen für alles höchste Preise gezahlt werden; wie könnte auch sonst ein einzelner Mensch in dieser öden Wildnis sein Leben dahinschleppen, wenn ihm nicht auf irgendeine Weise Vorteil daraus erwüchse? Und daß »Irish John« Geschäfte zu machen versteht, geht am besten daraus hervor, daß ihm drei Monate vor unserer Ankunft achthundert Dollar, die er noch nicht sicher angelegt hatte, geraubt werden konnten, bei welcher Gelegenheit ihm noch, als er sich zur Wehr setzte, durch einen Pistolenschuß die halbe Nase und die halbe Backe weggerissen wurden. Dieser Raubüberfall hatte ihn denn endlich dazu bewogen, noch einen Menschen zu sich ins Haus zu nehmen. Die achthundert Dollar waren indessen fort, die entstellenden Wunden dagegen wieder geheilt, und so bin ich denn wirklich unfähig, zu entscheiden,


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