Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen

Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas - Balduin  Mollhausen


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sei, den Sie in Ihrem Leben gesehen haben; ich möchte wissen, ob das wahr ist und was Sie eigentlich schön an mir finden.«

      Als er geendigt hatte, stieß er ein wieherndes Gelächter aus, in das ich auf meine Weise mit einstimmte und dann dem eitlen Burschen erwiderte: »Allerdings bist du hübsch, Louis; wir wollen bei deinen Füßen anfangen. Sieh dir dieselben an, sind sie nicht wenigstens dreimal so groß wie der größte Fuß des größten weißen Mannes? Und stehen deine Hacken nicht so weit nach hinten, daß du dir an deine nackten Füße Sporen schnallen kannst, ohne diese zu verlieren?«

      Louis sah wohlgefällig vor sich nieder, schüttelte die mit schweren mexikanischen Sporen bewaffneten Fersen und bemerkte ruhig: »Ja, meine Füße sind wirklich nicht schlecht!«

      »Und dein Mund nun erst, ist er nicht so groß, daß Millionen von Liedern ihren Weg aus demselben finden können? Sind deine Lippen nicht so dick gepolstert, daß du nur stärker zu atmen brauchst, um die kunstvollst gepfiffenen Tänze in die Welt zu senden? Sind deine Zähne nicht so weiß wie Elfenbein? Sind deine abstehenden Ohren nicht auf scharfes Hören eingerichtet? Und vermagst du mit deinen kugelförmigen Augen nicht die halbe Welt auf einmal zu sehen? Und dann denke nur, welche Riesenkräfte erforderlich wären, dir deinen mit feinster Wolle gezierten Schädel entzweizuschlagen!«

      Louis hatte mir aufmerksam zugehört, seine Augen leuchteten vor Glückseligkeit, und als ich seinen Kopf erwähnte, da rief er aus: »Ja, Herr, mein Schädel ist hart wie ein Felsen, und um keinen Preis der Welt möchte ich einen anderen haben.«

      Dieser Art waren die Gespräche, die ich mit Louis führte; der arme Junge hatte keine Ahnung davon, daß ich ihn bedauerte und zugleich in Gedanken die Sklavenzüchter des Verbrechens der gräßlichen Verstümmelung des menschlichen Geistes anklagte. —

      In weitem Bogen gelangten wir auf die Ostseite des Kernsees; die Luft war unvergleichlich, Sonnenschein lag auf der Ebene und ließ die Atmosphäre kaum merklich zittern. Große Schafherden folgten langsam ihren indianischen Hütern nach den grasreicheren Stellen am See, während Wölfe die verlassenen Schäferhütten und Ställe gleichsam bewachten und hungrig nach Überresten von gefallenem Vieh umherspürten. Wir folgten einer wenig befahrenen Straße gegen Norden und näherten uns einer Reihe von Baumgruppen, die Lieutenant Mercer als unser Ziel auf dem Ufer des Kernflusses bezeichnete.

      Fünftes Kapitel

      Der alte Pelzjäger — Gales Erzählungen — Nachrichten über den Colorado — Gales erstes Zusammentreffen mit den Mohave-Indianern — Die Jagd auf wildes Rindvieh — Ritt zu den Eingeborenen — Die Tejon-Indianer — Aufbruch zur Heimreise — Bishops Farm — Die Kamelkarawane — Ankunft in Fön Tejon

      Der Kern River, der auch unter dem Namen Posuncula bekannt ist, entspringt im Walkers Paß in der Sierra Nevada und ist der südlichste und zugleich einer der bedeutendsten Ströme, die mit den Tulareseen in Verbindung stehen. Der Fluß und der See führen ihren Namen nach dem unglücklichen Herrn Kern, der im Jahre 1853 zusammen mit dem Captain Gunnison von den Utah-Indianern erschlagen wurde.»Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 429. Die Benennung stammt vom Jahre 1846 her, von dem Umstand nämlich, daß Kern und Walker lange Zeit im Walkers Paß, der ebenfalls zu damaliger Zeit seinen Namen erhielt, auf die Rückkehr ihres Kommandeurs, des Colonel Fremont, harrten, der, um Lebensmittel anzuschaffen, sich mit einem Teil seiner Leute schon weiter nördlich von der Expedition getrennt hatte.a. a. O., S. 288.

      Ungefähr vier Meilen von der Mündung des Kern River liegt auf dem südlichen Ufer, beschattet von hohen Cottonwood-Bäumen, ein einsames Blockhaus; ein kleiner, roh umzäunter Garten stößt an dasselbe; einige Pferde und Kühe weiden in der Nähe, und zwischen diesen tummeln sich mehrere kräftige, schwarzgelockte Kinder umher. In der Hütte erblickt man, gewöhnlich mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, eine Indianerin, die schon in vorgerückten Jahren ist, doch noch immer die Spuren früherer Reize zeigt; in ihrer Nähe befindet sich stets ein wunderschönes, schüchternes Mädchen von vierzehn oder fünfzehn Jahren — ihre Tochter, die durch die hellere Hautfarbe ihre Verwandtschaft mit der weißen Rasse verrät. Frau, Kinder, Haus, Garten und Vieh sind Eigentum eines alten amerikanischen Trappers, eines gewissen Gale, der, wenn ihn die Jagd nicht fesselt, im Schatten der Bäume der Ruhe pflegt, seinem ältesten Sohn, einem schlanken Halbindianer von ungefähr siebzehn Jahren, Ratschläge erteilt oder vereint mit diesem im nahen Fluß angelt. Obgleich schon über ein halbes Jahrhundert hinter dem alten Gale liegt, so zeugen seine Figur sowie seine raschen Bewegungen noch immer von ungebrochener Kraft und Rüstigkeit. Seine Gesichtsfarbe ist so braun wie die eines Indianers, ebenso Brust und Hände, doch lugt unter den aufgestreiften Hemdärmeln die weiße Haut hervor, die in Verbindung mit den braunen Haaren und dem langen, zottigen, schon etwas ergrauten Bart eine Verleugnung der Rasse unmöglich macht. Dies ist das Bild eines alten Pelzjägers, der nach einem vieljährigen, gefahrvollen Leben in den Gebirgen, wo ihn seine braune Gattin mit ihren Kindern auf Weg und Steg begleitete, sich endlich ein Fleckchen ausgesucht hat, wo er in Ruhe und Frieden seine alten Tage verleben und dabei ungestört die Viehzucht, die Jagd und den Fischfang betreiben kann.

      Früher, wenn ich zuweilen in meinen Erzählungen der Zeiten gedachte, die ich selbst als Pelzjäger in der Wildnis verlebte, und dabei noch immer für dieselben schwärmte, wurde ich von jungen, tatkräftigen Gemütern um den Vorzug meiner Erfahrungen beneidet, während manche frommen, klug überlegenden Menschen die Behauptung aufstellten, daß in einem Leben unter solchen Verhältnissen die wahre Empfindung und die begeisterte Verehrung für eine wilde, aber ungekünstelte Natur und ihre heilige, belebende Kraft allmählich einschlummern, ja sogar verlorengehen müßten, weil die von Menschen geregelte Anleitung fehle. Hier nun, bei dem alten Gale, der nahe an die vierzig Jahre die Wildnisse des Fernen Westens mühevoll durchzogen hatte, fand ich abermals einen Beweis, daß Mangel an Schule und Umgang den Keim nie vollständig zu ersticken vermag, den die Natur in die Brust ihrer Lieblingskinder legte. Wie hätte es sonst der rauhe Jäger vermocht, eine so anmutig gelegene Stelle zu seiner Heimat zu wählen, da doch in nicht allzugroßer Entfernung sich tausendfach Gelegenheit bot, Reichtümer mit verhältnismäßig geringer Mühe zu erwerben? Doch besser wie Reichtümer gefielen ihm das von hohen Bergen eingeschlossene Tal, das milde Klima, der kristallklare Fluß mit den Baumgruppen auf seinen Ufern, die fetten Weiden, die ergiebige Jagd und vor allem die friedliche, ungestörte Ruhe in der ganzen Umgebung.

      In der Nähe des einsamen Blockhauses, unter hohen Bäumen, hart am Rande einer kleinen Weidenwaldung, schlugen wir also unser Standquartier auf, und noch ehe Louis den Tisch vor unserm Zelt geordnet hatte, saßen wir in Reihe auf dem erhöhten Ufer des Flusses, beobachteten schweigend die ausgeworfenen Angeln und ergötzten uns an dem munteren Treiben der zahlreichen Forellen, deren geringsten Bewegungen wir bei der Klarheit des Wassers bis auf den Boden zu folgen vermochten. Wir verbrachten den ganzen Nachmittag auf diese Weise, Fisch auf Fisch zogen wir aus den schnell eilenden Fluten, so daß selbst Louis seine Zufriedenheit zu erkennen gab, indem er meinte, daß ein Neger kaum besser mit der Angel umzugehen wisse als wir.

      Als es dämmerte, saßen wir in Eintracht an unserem Feldtisch, um den gefangenen Forellen die letzte Ehre angedeihen zu lassen; Gale war unser Gast, und zwar ein lieber, freundlicher, unterhaltender Gast. Egloffstein suchte seine Flöte und ich meine Gitarre hervor, wir musizierten nach besten Kräften und wurden so tapfer von den fröhlichen Stimmen der ganzen Gesellschaft unterstützt, daß der Gesang weithin über die stille Ebene schallte und der alte Gale bei so ungewohnten Klängen förmlich gerührt wurde.

      Die prachtvolle Gesellschaft, wie Gale uns nannte, dazu der feurige Wein, hatten ihre Wirkung auf den alten Jäger ebenfalls nicht verfehlt und ihn ungewöhnlich gesprächig gemacht, so daß er sich, nachdem das Konzert beendet war und wir im Kreis ums Feuer lagen, ganz willig herbeiließ, einiges aus seinem Leben zu erzählen.

      »Wenn ich mit jungen Leuten zusammentreffe«, hob er an, »namentlich mit solchen, die schon einen Blick in die Rocky Mountains geworfen haben und daher die Vorliebe begreifen können, die ein verständiger Mensch (ich bediene mich hier Gales eigener Worte) für das Leben in der Wildnis fassen muß, dann wird immer der Wunsch in mir rege, wieder jung zu sein, um die letzten dreißig Jahre noch einmal durchleben zu können. Auch meine alte


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