Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen

Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas - Balduin  Mollhausen


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Waldsaum an einem nahen Flüßchen abzusuchen. Wir spürten und sahen Hirsche genug, doch wollte es keinem von uns gelingen, zum Schuß zu kommen.

      Gale, dem es ebensosehr wie uns um frisches Fleisch zu tun war, schlug uns darauf vor, wildes Rindvieh zu schießen, was ich mit um so größerer Bereitwilligkeit annahm, als mir diese Art von Jagd noch neu war. Mit einer Gewandtheit, die man von dem alten Mann nicht erwartet hätte, kletterte Gale auf den nächsten hohen Baum, von wo aus er die Ebene übersehen konnte, und erfreute uns nach einigem Umherspähen durch die willkommene Nachricht, daß in geringer Entfernung eine kleine Herde wilder Kühe weide. Nach wenigen Minuten befand sich Gale wieder im Sattel, und Kennedy sowohl als ich folgten, uns ganz seiner Führung überlassend, dem alten Mann im Galopp über die dürre Ebene. Ehe wir indessen in schußgerechte Nähe gelangten, hatte die Herde uns gewittert, stürmte in wilder Eile davon und bezeichnete durch eine dichte Staubwolke den Weg, den sie genommen hatte.

      Langsam ritten wir nach und entdeckten bald neue Herden, die, anscheinend noch nicht beunruhigt, dem Wasser träge zuschritten. Auf Gales Rat trennten wir uns nun voneinander, um auf verschiedenen Wegen den Kühen unbemerkt näher zu schleichen, wobei uns die vom Wasser ausgewaschenen Vertiefungen sehr zustatten kamen. Mein Pferd am Zügel nehmend, gelang es mir allerdings, die Entfernung zwischen mir und den Kühen zu verringern, doch immer nicht in dem Maße, daß ich von meiner Waffe mit Erfolg hätte Gebrauch machen können. Das Mißtrauen des wilden Rindviehs übertrifft nämlich noch bei weitem die Scheu der Antilope, und dabei kommt nichts der blinden Wut gleich, welche bei demselben durch den Geruch von frischem Blut, manchmal sogar auch durch das Erscheinen eines harmlosen Fußgängers, hervorgerufen werden kann.

      Mehrere Male hatten sich schon kleine Rudel vor mir geflüchtet, und der Erfolg begann mir schon zweifelhaft zu scheinen, als ich, im Begriff, die grabenähnliche Vertiefung zu verlassen, plötzlich in einer bis dahin von mir unbeachteten Richtung zehn bis zwölf Kühe erblickte, die ruhig grasten und von einem kleinen schwarzen Stier gleichsam bewacht wurden. Ich band mein Pferd an einen nahen Strauch und kroch hinauf auf die Ebene. Ich könnte nicht sagen, daß die Kühe in ihrem Äußeren etwas Schreckliches für mich gehabt hätten; und also durch nichts beunruhigt, zielte ich vorsichtig auf den jungen Stier und gab Feuer. Auf den Knall der Büchse sprang er hoch auf, kam indessen wieder auf seine Füße zu stehen, und ich konnte aus der Ferne erkennen, daß er an allen Gliedern wie von Todesangst gepeinigt zitterte und bebte. Die erschreckten Kühe, die sich zur Flucht gewandt hatten, kehrten schnell wieder zu ihrem Anführer zurück und gerieten, als sie um denselben herumschritten und das Blut witterten, in die rasendste Wut. Dumpf brüllend scharrten sie mit den Hufen und trafen im vollen Sinn des Wortes Anstalt, den verwundeten und schon wankenden Stier mit ihren langen, spitzen Hörnern anzugreifen.

      Ich hatte mich aufgerichtet und gerade das Laden meiner Büchse beendet, als die ergrimmten Kühe mich gewahrten; mit gehobenen Köpfen schienen sie zu lauschen, dann aber senkten sie die Hörner und stürzten in vollem Lauf auf mich zu. Solch wütenden Angriff hatte ich nicht erwartet; ich warf die Büchse über die Schulter, sprang zu meinem Pferd hin und eilte nach wenigen Augenblicken auf demselben in größter Eile über die Ebene. Ich glaubte dadurch die Kühe zu veranlassen, wieder zu ihrem verwundeten Kameraden zurückzukehren, doch hatte ich mich getäuscht. Meine Flucht schien im Gegenteil ihre Wut noch zu steigern, denn rückwärts schauend erblickte ich in einer Staubwolke die gespreizten Hörner, die meinem Pferd und auch mir gefährlich zu werden drohten. Mein Pferd mit den Sporen stachelnd, ergriff ich darauf meine beiden Revolverpistolen und feuerte Schuß auf Schuß unter meine Verfolger, die sich mit jeder Minute näherten. Ratlos blickte ich nach den nächsten Bäumen, hinter denen ich mich zu retten gedachte, als in geringer Entfernung von mir der Kopf des alten Gale aus einer trockenen Regenschlucht wie aus dem Boden auftauchte und mir zuschrie: »Hierher, um Gottes willen!«

      Ich riß mein Pferd herum, setzte in die Schlucht hinab, und im nächsten Augenblick stürmten die Kühe vorüber. Schnell wie ein Gedanke sprang Gale dann nach der Ebene hinauf, schoß seine Büchse ab und erhob ein so durchdringendes, wildes Geheul, wie ich es sonst nur von den Indianern gehört hatte. Der alte Mann erreichte dadurch übrigens seinen Zweck vollkommen, denn der Grimm der Kühe verwandelte sich in Furcht, und unaufhaltsam rannten sie einer anderen Herde zu, die ebenfalls von panischem Schrecken ergriffen das Weite suchte.

      Gale blickte ein Weilchen den Flüchtlingen nach, wandte sich dann mir zu und brach in ein so unauslöschliches Gelächter aus, daß ich trotz meiner Atemlosigkeit zuletzt mit einstimmen mußte. »Sie sind wohl noch nie vom Rindvieh gejagt worden?« rief er mir zu. »Es war ein köstlicher Anblick«, fuhr er neckend fort, »Ihr Brauner auf dem Gipfel seiner Eile; Sie selbst rückwärts gewendet mit dem Revolver nach Herzenslust puffend, und hinter Ihnen her, mit aufrecht stehenden Schweifen die erbitterten Kühe.« Hier brach er abermals in ein Gelächter aus und fügte mit fast erstickter Stimme zu: »Wenn Sie sich hätten selbst sehen können! Das Schauspiel war viel Geld wert!« Ich erzählte ihm alsdann den ganzen Verlauf meines Abenteuers, worauf der alte Jäger nur die Bemerkung machte: »Wenn Sie sich gleich anfangs hinter dem Busch verborgen hätten, so hätten Sie wahrscheinlich die ganze Gesellschaft totschießen können.« Ich entschuldigte mich mit der Abneigung, die ich bei dem Gedanken gefühlt hätte, eine Anzahl Kühe zu schlachten. »Und doch scheint es mir«, schaltete Gale ein, »als wenn Sie sich nicht viel Zeit zum Denken genommen hätten; aber lassen Sie sich das nicht leid sein; wenn man erst einmal von wildem Rindvieh in die Enge getrieben worden ist, so vergißt man die Rücksichten, die man gern mit den Abkömmlingen unserer Haustiere nimmt, und erblickt in ihnen ebensogut Wild wie in jedem Büffel oder Bären.«

      Mr. Kennedy hatte sich unterdessen wieder zu uns gesellt, und vereint ritten wir hinüber zu dem verwundeten Stier, der noch immer wankend dastand und gar keinen Versuch mehr machte, vor uns zu fliehen. Eine Pistolenkugel machte seinem Leben ein Ende, worauf wir ihn zerlegten, die besten Stücke an unseren Sätteln befestigten und den Rest den Wölfen überließen.

      Es war schon spät, als wir im Lager anlangten und mit Lobeserhebungen für unsere erfolgreiche Jagd überhäuft wurden. An dem Fleisch befand sich nämlich nichts, was seine Abstammung hätte verraten können, weshalb wir uns denn auch keine Gewissensskrupel daraus erwachsen ließen, von unserer Beute als von einem »feisten Elkhirsch« zu sprechen. Alles ging nach Wunsch; die Leber, die Louis sogleich zubereitete, wurde als eine vortreffliche Elkleber gepriesen, und alle begaben sich mit dem Gedanken zur Ruhe, am folgenden Morgen auch die Beefsteaks aus Elkfleisch zu prüfen. Gale befand sich in aller Frühe des 20. November schon wieder bei uns im Lager. Guter Dinge saßen wir um unseren Tisch und harrten des frischen Wildbratens, als wir des Negers Stimme vernahmen, der, mit sich selbst sprechend, laut die Meinung äußerte, daß er noch nie von einem schwarzen Elkhirsch gehört habe und das Fleisch doch mit schwarzen Haaren übersät sei. Ein allgemeiner Ausbruch des Lachens verkündete hinlänglich, daß das Geheimnis nun verraten sei, und zwar zur größten Befriedigung des alten Gale, der keinen Anstand mehr nahm, mit den komischsten Ausschmückungen die Szene zu beschreiben, wie ich von den Kühen verfolgt wurde. Natürlich gab dies zu mancherlei Neckereien Veranlassung, die selbst in Fort Tejon ihr Ende noch nicht erreichten, aber immer dazu beitrugen, die fröhliche, ausgelassene Stimmung der ganzen Gesellschaft zu erhöhen. Lieutenant Mercer, Mr. Kennedy und ich, geführt von Gales ältestem Sohn, machten an diesem Tag noch einen kleinen Ausflug zu den Tejon-Indianern, die sich an der Nordseite des Kernsees gelagert hatten. Ein Ritt von drei Stunden brachte uns in den Winkel, der vom Kernsee und dem natürlichen Kanal gebildet wird, welcher ersteren mit einem weiter nördlich gelegenen See verbindet. Dort, an einer offenen Stelle, befanden sich die aus Binsenbündeln zusammengefügten Hütten der Eingeborenen. Die kleinen, unsauberen Gestalten, die träge umherlagen und sich sonnten oder im Schatten saßen und Karten spielten, riefen durchaus keinen günstigen Eindruck hervor. Ihre Gesichter hatten einen falschen, finsteren Ausdruck, was vielleicht dadurch mehr ins Auge fiel, daß keiner bei unserer Ankunft die geringste Überraschung und Neugierde verriet oder uns auch nur zu bemerken schien.

      Die Hütten umgab eine widerliche Atmosphäre, erzeugt durch die Haufen von Muscheln, die teils ihres Inhalts beraubt waren, teils noch gefüllt umherlagen, sowie durch die Überreste des Vogelwilds, auf die man bei jedem Schritt stieß. Die Anzahl der Eingeborenen war gering, und sie hatten sich dort nur zeitweise niedergelassen, um Fisch- und Vogelfang


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